Comtesse

Von  //  25. März 2014  //  Tagged: , , , , , , , ,  //  Keine Kommentare

Verkauft werden soll eine Leerstelle, wofür sich die Geschichten-Erzähler extra von allem gelöst haben. Selbstständig gemacht haben. An diesem Freitag. In Berlin. In dieser Nacht, für welche vier schöne Mädchen in das warme, goldene Licht der Lounge bestellt wurden. Um dieser Leerstelle nun mit ihrer bloßen Anwesenheit ein Bild zu geben.

Lara, die sich auf dem in zurückgenommenem Ultra Light Helvetica verfasstem Profil der Website des Escort-Service „Lara Slowdance“ nennt, ist die aller-zurückgenommenste der Vier. Die Unfassbarste. Damit das Schlumpfeis im Vanille-Angebot dieser Nacht. So zurückgenommen bunt, wie man nur zurückgenommen bunt sein kann. Sie lässt sich nichts aus den schönen, traurigen Augen lesen. Die Männer versuchen entsprechend das nun mit allen Mitteln. Erfinden Weizenfeld-weite, Magarinen-weiche Geschichten, die ihnen den Weg zum Verkaufserfolg auskleiden sollen. Versuchen mit, darin ja fast immer besonders hilflos wirkender Verkäufer-Philosphie, zu punkten. Wollen weltmännisch klingen. Erfahrung vortäuschen. Einen Plan. Aber „einfach gesagt… es ist etwas komplizierter.“ (und es ist dem Film und seinen wunderbaren Darstellern hoch anzurechnen, dass es gelingt, das nicht theatralisch klingen zu lassen, sondern ganz unaufgeregt einfach gesprochen).

Den Daumen über das iPad gleiten lassen, lässt einen das schöne Mädchen noch längst nicht zu fassen kriegen. Eine ach so klare Aufgabenstellung („Euer Job heute Nacht: Die Gäste sollen sich einfach wohl fühlen.“) verhallt in ihrer Selbstverständlichkeit dann auch nur wieder im Vagen. Die nervig grenz-überschreitend Interesse bekundenden Fragen des unreifen Chauffeurs gleich zu Beginn, verhallen sodann im höflich das Fremdschämen zudeckenden Schweigen des schönen Mädchens. Die erwachsenen Männer versuchen es bei ihr hingegen irgendwann ganz old school mit simplen Komplimenten. Und um auch ganz sicher zu gehen, reichern sie diese mit ein paar lässig unweinerlich vorgetragenen Offenbarungen aus der eigenen, traurigen Vergangenheit an. Nur um sich dann schlussendlich laut atmend, wie Taucher, tief in den Armen des schönen Mädchens zu vergraben. In der aller-letzten Geste, dann eben Geld. Der Verkauf. Der Deal. Ich habe ja Deine Karte. Du bist wirklich etwas ganz Besonderes. Ich melde mich, wenn ich wieder in der Stadt bin.

Über der bricht nun langsam die Sonne durch und taucht den breiten, grünen Mittelstreifen der Frankfurter Allee, hier in Berlin, in unwirkliches Morgenlicht. Das schöne Mädchen hat seine Schuhe ausgezogen. An seinen Eyeliner-schwarzen Tränen rutscht jetzt alles ab. Gleitet man aus diesem wunderschöner Film dann wieder raus. Genauso, wie man ihm gleich zu Beginn verfällt, folgt man der selben Eyeliner-schwarz ausgelegten Spur direkt hinein, in diese Nacht.

Der Kurzfilm COMTESSE (17 Min.) von Sebastian Mattukat wird beim Landshuter Kurzfilmfestival (26. bis 31.03.2014) im Kino zu sehen sein.

Bildschirmfoto 2014-03-24 um 16.13.57

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https://vimeo.com/84236090

Deutschland 2014, Regie: Sebastian Mattukat


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Über den Autor

SEBASTIAN SELIG lebt im Kino und schreibt darüber in so bunten Magazinen wie Hard Sensations, NEGATIV oder der Deadline. Im vergangenen Jahr hat ihn seine unermüdliche Begeisterung für das Kino dazu getrieben, einen Kinostart von "Under the Skin" im deutschen Sprachraum durchzukämpfen.

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