Inside Llewyn Davis

Von  //  15. Dezember 2013  //  Tagged:  //  Keine Kommentare

Von Couch zu Couch. „As I was walking that ribbon of highway / I saw above me that endless skyway: I saw below me that golden valley: This land was made for you and me“ –„Inside Llewyn Davis“ erzählt das Ende der Hipster von New York als Anfang des großen Folk-Schwindels.

New York 1961, die Hipster treten ab – The Conquest of Cool zieht nicht mehr. Cool waren die süchtigen Seemänner in den Automatencafés und die Gedichte des Beat’. Cool war Jazz. Bill Burroughs sitzt in Mexiko einen Haftbefehl aus. Als man ihm erzählt, in den Staaten seien Drogen inzwischen auf Schulhöfen angekommen, kann er das nicht glauben. „Kinder fallen in einer Vernehmung doch sofort um.“

New York 1961, Amerika entkrampft sich im Village. Robert Zimmerman trifft ein. Erste Auftritte in einem „basket house“. Im Gaslight Cafe spielen Musiker ohne Gage. Nach der Show kursiert ein Hut im Schankraum. Zimmerman begegnet einem musikalischen Matrosen der Handelsmarine: Dave Van Ronk. Ihm setzen Joel und Ethan Coen in „Inside Llewyn Davis“ ein Denkmal. Der Film beginnt mit einer Tracht Prügel. Am Ende erfährt man, wie Llewyn sie sich verdient hat. Er ist cholerisch, selbstsüchtig, wahnsinnig von sich eingenommen – und weit davon entfernt, für den all-american boy gerade zu stehen. Oscar Isaac spielt den talentierten Egomanen gerade so wie ihn der Löwe Leben in Stücke reißt. In einem ewigen Winter zieht Llewyn durch New York – zum Glück zu Liedern, die der Blues aufgeraut hat. T. Bone Burnett liefert das Bukett. Sein Sound schmiert französische Stimmungen in den verschneiten Straßendreck. Existenzialistische Allusionen in einer Arktis.

Llewyn übernachtet bei Freunden und Förderern auf der Gästecouch. Diese Couch ist offenbar eine feste Einrichtung in den Kreisen des voluntativen Folk’. Diese Kreise rekrutieren sich aus Akademikern, die Volksmusik reizvoll finden. Das ist eine Musik, „die niemals jung war“, wie Llewyn beliebt zu scherzen. Er kommt zu einer Katze und muss jetzt auch für ihre Unterkunft und Verpflegung betteln.

„Alles, was du anfasst, wird zu Scheiße“, sagt Jean zu Llewyn. Sie ist schwanger, will aber kein Kind von ihm. Von jedem anderen, aber nicht von Loser Llewyn. Das greift ans Herz, wie Llewyn vorsichtshalber nicht von Liebe spricht, um keine Explosion im Bikini-Atoll-Format zu riskieren. Lieber kratzt Llewyn das Geld für eine Abtreibung zusammen.

Carey Hannah Mulligan spielt die Musikerin Jean Berkey tough/grazil. Jean setzt ihrem Liebhaber unbegreiflich vehement zu. Warum lässt sie Llewyn nicht einfach links liegen? Muss wohl Liebe sein. Sie betrügt mit Llewyn Justin Timberlake. Er spielt den Gatten als Ost-Beach Boy. Der Harmonien-Junkie weiß, wie Pop geht. Er will Llewyn auf einen Gleis des Erfolgs setzen, der Purist sträubt sich.
Er findet den Kollegen mit der schönen Frau degoutant. Er nimmt eine Gelegenheit nach Chicago wahr, im Auto eines giftigen Dinosauriers. Der Jazzmusiker Roland Turner (John Goodman) bewegt sich auf Krücken zum Klo. Er spritzt Heroin, verliert immer wieder das Bewusstsein. Seine Zeit ist abgelaufen, die Zeichen stehen auf Folk. Der Hipster lästert über die reduzierte Spielweise im Folk – die Sache mit den drei Akkorden lange vor Punk. Die Dimension der Instrumentalisierung des Folk’ zu politischen Zwecken im Woody Guthrie-Stil verweigert Turner eine Betrachtung.

Turners Chauffeur ist eine Karikatur des aus der Mode geratenen Cool. Er sagt nichts und teilt nichts und besteht auf seine Unerschütterlichkeit. Jack Kerouac könnte ihn sich ausgedacht haben, Garrett Hedlund spielt einen sagenhaften Johnny Five.
In Chicago wurde der Blues elektrifiziert, Llewyn trifft Bud Grossman (F. Murray Abraham). Der Produzent bringt das Problem auf den Punkt: „Such dir einen Partner, dann wird das auch was.“

„Ich hatte einen Partner“, antwortet Llewyn. Er stürzte sich von einer Brücke. Leider habe ich vergessen, welche er wählte. Roland Turner empfiehlt die Brooklyn Bridge für den stilvollen Abgang.

USA 2013, Regie: Joel & Ethan Coen

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