Bronson

Von  //  3. Oktober 2012  //  Tagged: , ,  //  4 Kommentare

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Eins vorweg: Ich liebe diesen Film. Es ist keine gelassene, gewachsene Liebe, auf der man eine Ehe begründet. Es ist die unreife, wahnwitzige, herzrasende Liebe eines vernachlässigten Teenagers zu einem jugendlichen Kleinkriminellen, die vom ersten Blitzeinschlag an rauschartig ihren selbstzerstörerischen Lauf nimmt. Somit sollte jedem nüchternen Leser klar sein, dass keines meiner Worte im Folgenden als rationale Begründung für diese Liebe gelten kann.

Bronson liegt die Autobiographie von Englands gewalttätigstem Häftling zugrunde, der den größten Teil seines Lebens im Gefängnis und den größten Teil seiner Inhaftierung in Einzelhaft verbracht hat. Zwischen immer länger werdenden Gefängnisaufenthalten erlebte er kurze, ziemlich erfolglose Phasen in Freiheit, in denen er versuchte, als Boxer Fuß zu fassen. Während vieles auf dieser Lebensbeschreibung beruht, löst sich der Film in manchen biographischen Details von der realen Person. Der Regisseur Nicolas Winding Refn bricht auch die Chronologie der Ereignisse auf mit Szenen, in denen Bronson auf einer Theaterbühne steht, von der aus er vor einem diegetischen Publikum das Gezeigte kommentiert. Damit betont er die Fiktionalität seines Protagonisten und distanziert sich von einer „realistischen“ Darstellung des „echten“ Bronson.

Mit Sicherheit einer der einfachsten Gründe, den Film zu lieben, ist der Darsteller Tom Hardy, der sich inzwischen mit Filmen wie Warrior und natürlich The Dark Knight Rises als Kampfmaschine etabliert hat. In Bronson gelingt es ihm nicht nur physisch, den anachronistisch mit Glatze und Zwirbelbart ausgestatteten Häftling zu verkörpern. Im Wechsel zwischen gespannter Ruhe und explosiver Gewalt, unvorhergesehener Verletzlichkeit und vaudeville’schem Witz verleiht er seinem Protagonisten in jeder Szene eine latente Aufsässigkeit, mit der der Zuschauer sympathisieren muss, selbst wenn er die nächste Brutalität ängstlich erwartet. Dieser Bronson ist fleischgewordener Kampf gegen das Regelwerk, gegen normative Menschenverarbeitung, und ist nie mehr bei sich und bei Sinnen, als wenn er sich nackt und eingefettet in den Kampf gegen vier Wärter stürzt.

Überhaupt muss ich bei der Sichtung des Films immer wieder an die „Berührungsmaschine“ der Autistin Temple Grandin denken: als sei der Mensch, der sich da bloßgelegt bis auf die Turnschuhe in den Vollkontakt begibt, auf brutale Körperlichkeit angewiesen, um sich selbst zu fühlen. Und so ist es auch nicht die Einzelhaft, die ihm zu schaffen macht – dort kann er sich körperlich wie geistig auf die Konfrontation mit der Welt vorbereiten –, es ist die Lähmung des Hirns durch Psychopharmaka, die wirkliche Folter für ihn darstellt.  Eine der grandiosesten und tragischsten Szenen zeigt ihn gezeichnet von Medikation, den Willen auf den Fluchtweg gerichtet, jedoch völlig unfähig, diesen Willen umzusetzen: eine abfällige Geste genügt, ihn in seine chemisch induzierte Unfähigkeit zurückzuweisen. Nur ein gequältes, tränenüberströmtes „CUNTS!“ lässt durchblicken, dass er nicht gebrochen ist.

Auch in dieser Episode jedoch ist der pulsierende Rhythmus nicht gemindert, den Refn dem Film gegeben hat. Langsame Fahrten über unbewegte Tableaus, konterkariert mit der vor Kraft strotzenden Bewegung Hardys, Szenen, in denen aus leiser Sprache plötzlich Tumulte ausbrechen – oder auch nicht, das sind die schönsten. Darüber, dazwischen, das theatralische, überzogene Laut-Leise der Meta-Ebene, in der Bronson auf der Bühne alle Register zieht, um das Publikum im Saal und vor der Leinwand mit seiner Vita zu unterhalten, sich selbst darzustellen. In jeder Sequenz beherrscht Refn die Dynamik eines lebendigen Tidenhubs, das Ein- und Ausatmen des Films – nicht zuletzt durch eine makellose Musikauswahl.

Bei all der in stylische Retro-Romantik gehüllten Gewalt darf man sich natürlich fragen: Ist das Verherrlichung? Kann man das gutheißen? Ist es okay, allein weil Bronson nur einen Menschen versucht umzubringen – einen Pädophilen – und weil dieser Versuch misslingt, er also immerhin kein Mörder ist? Wir wissen doch, aus Vernunft und körperlicher Erfahrung, dass Gewalt nicht so schick ist, wie sie hier aussieht, wenn man drinsteckt, vor allem am falschen Ende.

Aber wir stecken nun mal nicht drin und schon gar nicht am falschen Ende. Im Gegenteil, mit Bronson dürfen wir etwas miterleben, was uns im Alltag nicht oder nur sehr selten vergönnt ist: die ultimative, rückhaltlose und selbstvergessene Subversion gegen Autoritäten und Institutionen. Seine Brutalität richtet sich meist gegen die Repräsentanten der „Obrigkeit“, die angeblichen Wisser, Inhaber und Regler. Die haben ihm nicht immer persönlich was getan, aber sie vertreten etwas, das ihm im Weg steht oder ihn schon allein durch seine Existenz zum Widerstand zwingt.

Dieser Widerstand durchläuft eine Evolution künstlerischer Ausdrucksform: Von den Anfängen, in denen die Provokation aus Hilflosigkeit und Langeweile spontan hingekritzelt wird, bis zum Höhepunkt des Schaffens, in dem jedes Detail unverkennbar seinen Ursprung in Bronson hat, die Umstände und Ausführung sorgsam gewählt und ausgearbeitet sind. Je stärker „das System“ den Häftling unterdrücken und zurechtbiegen, -stutzen oder -pressen will, umso mehr Gelegenheit hat er, seine Fähigkeit zu schulen, sein Instrument zu verbessern, seine Kunst zu verfeinern. In seiner kurzen Freiheit zwischen Inhaftierungen zeichnet sich ab, welche Umstände er benötigt, um sich entwickeln zu können: Veränderungen wie der Umzug seiner Eltern in ein anderes Haus – das Fehlen seines Bettes aus Kindertagen – und unklare Verhältnisse, wie sie in zwischenmenschlichen Beziehungen herrschen – wo es einer Frau möglich ist, Sex mit einem Mann zu haben, aber einen anderen zu lieben –, verwirren und überfordern Bronson, während seine Einkünfte und Zukunftschancen als Boxer auf dem offenen Unterhaltungsmarkt eher mager bleiben.

Es wird klar, dass er die beengten Verhältnisse des Gefängnislebens braucht, um sich voll entfalten zu können, und die Schablonen der Korrekturanstalten, weil er sich das Sprengen dieser zum Lebensinhalt gemacht hat. Und während das alles in wohlproportionierten Bildern und atmosphärisch dichten Sequenzen inszeniert ist, bleibt dennoch kein Zweifel daran, dass auch dieser Künstler massiv für seine Kunst leidet. So spielt in die Sympathie für den kampflustigen Protagonisten nicht nur Bewunderung, sondern vielleicht sogar Neid, für die Kompromisslosigkeit seiner Lebensführung, aber auch Mitleid hinein – und Erleichterung, dass im eigenen Leben nicht die ständige Konfrontation notwendig ist. Darin liegt die kathartische Wirkung dieses Films.

Am Ende vieler Worte steht aber doch einfach das eine: Dass der Film – mit seiner Dynamik, mit seiner Energie, seinem Witz und seiner Zärtlichkeit, mit seinem bannbrechenden Wahnsinn mir ein unbeschreibliches Gefühl von Lebendigkeit gibt. Eddie Murphy karikiert in Raw italienische Zuschauer, die nach dem Besuch einer Rocky-Vorstellung glauben, sie selbst könnten auch so einer sein: Genau so geht es mir mit Bronson. Ich sehe den Film und will danach breitbeinig stolzierend und mit herausfordernd geneigtem Kopf alle Welt beleidigen und provozieren. (Ich baue natürlich darauf, dass ich mich aufgrund meines Geschlechtes anschließend nicht prügeln muss.)

Gott, ich liebe diesen Film.

Großbritannien 2008, Regie: Nicolas Winding Refn


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Über den Autor

Leena Peters hat nach dem Studienabschluss ihre Seele verkauft und erschreibt sich nun Wort für Wort den Weg ins Himmelreich zurück. Auf ihrem Blog frauenfiguren.wordpress.com kann man dem Versuch der spirituellen Errettung beiwohnen.

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