Il gatto nero

Von  //  22. Juli 2012  //  Tagged: , , ,  //  Keine Kommentare

„Im Traum versuchte ich das Baby zu ermorden, dich zu ermorden, dann hast du mich getötet… ich war so verwirrt!“

Luigi Cozzi muß man eigentlich lieb haben: Ein echter Fan-turned-Macher, der uns so eindrucksvolle Trips wie STAR CRASH und die Lou Ferrigno-Herkules-Filme beschert hat. Cozzis Werke entstanden zumeist unter abenteuerlichen Bedingungen – bei GATTO NERO wurde niemand, nicht einmal Cozzi selbst, je bezahlt – und leiden unter diversen Schwächen, aber sein tolpatschiger Enthusiasmus ist immer wieder eine Freude… sofern man sich etwa daran freuen kann, wie er im Laufe des Films einen Exterior Shot mit immer neuen handgemachten Effekten aufzupolieren versucht.

GATTO NERO ist der Versuch, die „Mütter“-Trilogie seines Freundes Dario Argento zu beenden – lange, ehe Argento das selbst mit LA TERZA MADRE in den Sand setzte. Cozzi zufolge hat Argento GATTO NERO gesehen „and liked it“; Argento bestreitet allerdings, den Film gesehen zu haben: „Manche Dinge versteckt er vor mir.“ Dass die vorliegenden Kopien von GATTO NERO zu wünschen übrig lassen – das Negativ ging beim Konkurs der Produktionsfirma verloren – , sei zugestanden, dennoch sehen Cozzis Versuche, mit Farben zu arbeiten, planlos und lächerlich aus. Vor allem aber ist da das Drehbuch, nach einem Entwurf von Daria Nicolodi, die allerdings die Flucht ergriff, als sie Cozzis Script sah. Die Geschichte geht so…

Protagonistin von GATTO NERO ist Ann, eine Schauspielerin, die wir zu Beginn beim Dreh eines bavaesken Giallos namens BLACK CAT sehen, bei dem Michele Soavi den Regisseur verkörpert. Ann soll in einem neuen Film die Rolle der Hexe Levana spielen, die Mutter der Tränen. Dass der Drehbuchautor bei dieser Gelegenheit behauptet, „Suspiria de profundis“ wäre ein Werk von Charles Baudelaire, wollen wir hingehen lassen, wenn seine Vision so bestechend klingt:

„Ihre grauenhafte Wiederauferstehung vollzieht sich im ewigen Rhythmus von 24 Stunden. Ruht sie in ihrem Schattenreich, sammeln sich sämtliche Kräfte des Bösen. Sie lassen ihr keine Ruhe und drängen sie zum Erwachen. Sie fühlt, wie sich ihre toten Glieder langsam bewegen. Qualvoll spürt sie in der Tiefe ihrer Gruft, dass die Stunde ihrer Wiederauferstehung gekommen ist, wie der Geist des Schreckens sie ins Licht zwingt. Dann endlich steht sie auf aus der eisigen Feuchte ihrer Gruft und ist dazu verurteilt, in unserer Welt als Schatten zu leben – eine gnadenlose Herrscherin. Und lüftet sie ihren schwarzen Schleier, zeigt sie ihr Antlitz: Die Inkarnation des Ekels. Sie ist die Mutter des Wahnsinns, der sanfte Begleiter des Suizids, die ewig kriechende Gier, der Atem des Drachen.“

Außerdem hat sie Pickel, sabbert bunten Schleim und springt Ann zu Heavy Metal-Musik aus dem Spiegel entgegen, um ihr zu versprechen, sie zum Wahnsinn zu treiben. Dieser Szene unmittelbar folgt ein Shot, wie Anns Ehemann mit einem leuchtenden Glas durchs Haus geht, als wäre er Cary Grant in SUSPICION: Er will die verwirrte Ann („Der grüne Schleim… das Blut… wo ist es?“) aber nicht womöglich vergiften, sondern nur beruhigen.
Doch es ist zu spät. Levana ruft Ann in die Küche, wo sie ein giftgrünes Spotlight und eine Trockeneismaschine in den Kühlschrank gestellt hat. Wir können uns freilich nicht weiter darum kümmern, weil Ann auf einmal ein Mädchen mit einem leuchtenden Ball erscheint. Dann kommen aber Hände aus der Wand und gottseidank war alles nur ein Alptraum. Ann erwacht und sieht in der Küche nach dem rechten: Der Spotlight im Kühlschrank ist weg, aber dafür gibt es einen Kurzschluß, und als sie wieder im Bett ist, fließt auch Blut heraus. (Was Levana mit dem Kühlschrank zu schaffen hat, wird nie klar.)

Autor und Regisseur fahren zum Anwesen des sagenumwobenen Filmproduzenten Levin, der mit schwarzen Augenrändern Sätze sagt wie: „Außerdem gefällt mir, dass Sie ihre ganze Geschichte auf nur vier Seiten erzählt haben.“
Abends findet Ann einen Kundendienstmitarbeiter in der Küche und den Cousin ihrer Haushälterin im Kinderzimmer… oder ist es der Wahnsinn, der von ihr Besitz ergreift? In der Tat: Der Kühlschrank raucht schon wieder!
Levin erklärt sich bereit, den Film zu produzieren, und fordert „totale Unterwerfung“. „Wissen Sie, was das bedeutet?“
Levanas Hand reckt aus ihrem bonbonfarbigen Grab, ihre Stimme giftet erneut gegen Ann („Du wirst niemals Levana die Hexe sein! Niemals!“).
Die Filmemacher suchen eine Okkultistin auf, um sie als Berater für ihren Film zu holen; die Okkultistin reagiert sauer auf den Namen Levana und klärt die Deppen auf, dass es nicht Baudelaire war, der über Levana schrieb, sondern Thomas de Quincey – und der hat auch nur einen Text übersetzt, dessen Original sich in der Bibliothek der Okkultistin befindet, das sie aber nicht herleihen will.

Nun aber – Welcome to the middle of the film! – wird es seltsam. Eben sahen wir die Okkultistin, wie sie an ihrem Schreibtisch zum Hörer griff, nun steht sie an einem öffentlichen Fernsprecher. Warum? Sie ruft den Autor an und teilt ihm ohne nähere Erläuterung mit, er solle vorsichtig sein. Dann wird sie von einer schwarzen Katze erschreckt und erleidet einen metaphysischen Herzinfarkt (Voice Over: „Ich bin Levana, und du miese kleine Kreatur hast es gewagt, mir zu trotzen!“), den Cozzi mit bizarren SFX-Shots des Herzens der Okkultistin versieht, wie es vor schwarzem Hintergrund pocht und schließlich explodiert (Cozzi zitiert hier seinen eigenen ALIEN CONTAMINATION, wenngleich ohne Eier). Wenn man sich konzentriert, kann man auf analytischem Wege zu der Vermutung gelangen, dass man sich nun fürchten oder vielleicht sogar ekeln sollte.

Irgend jemand bringt den Autor um. Das könnte es erklären.
Cozzi blendet über eine statische Nahaufnahme Levanas wimmelnde Maden.
Viele Close-Ups von Kinderspielzeug.
Im Fernsehen erscheint das Kind mit dem leuchtenden Ball, sagt, es hieße Sybil und „Zwischen einer Hexe und einer Fee ist kaum ein Unterschied!“
Cozzi hat POLTERGEIST gesehen.
Der Fernseher wirft Kotze aus. Und Levanas Küchenmesser. „Jetzt musst du dich für immer entscheiden. Nimm das Messer, und du wirst Levana, oder lass es liegen, und bleibe, wer du bist.“ Ann greift das Messer und geht – nun in Gestalt Levanas – ins Kinderzimmer, wo sie ihr Ehemann überrascht:
„Ann, was tust du da? Bist du verrückt?“
„Ach komm, reg dich nicht auf!“
Ann zieht die Maske Levanas ab und erklärt, nur zu proben. Dann ersticht sie ihren Mann, er aber zieht das Messer aus dem Bauch, ersticht auch sie und siehe, es war ein weiterer Alptraum.
Das Baby ist freilich dennoch weg, und an der Wand steht: YOU ARE NOT LEVANA
Der noch nicht ganz tote Autor hat sich ins Auto gesetzt und fährt nun eine Hauswand ein. Sterbend erklärt er einen Plotpoint: „Es ist zu spät. Die Hexe will ein Opfer. Sie will ein Kind. Weil wir zuviel wissen.“
Und – was Ann nun komplett verwirrt – : „Es ist nicht Levana.“ Und sie ruft, während Cozzi auf eine Fahrt zu einem blauen Planeten, aus dem Weltall geschossen, schneidet: „Levin!“

Anns Mann heult sich bei Caroline Munro aus: „Die ganze Sache ist irgendwie ausser Kontrolle geraten.“
Ann fährt zu Levin – noch mehr bonbonfarbige Spotlights, außerdem eine Tarantel – , der sie spinnwebenbedeckt (und mit einer weiteren Bava-Referenz) davon in Kenntnis setzt, dass er tot ist.
„Bin ich denn wirklich schon wahnsinnig?“
„Ja, Ann.“
Ann erschießt Levin, dann seine Assistentin.
Caroline Munro nimmt ein Bad (dazu spielt ein 80er-Song, „Good lookin'“) ehe sie Ann mit kryptischen Aussagen verwirrt.
Nun wird es aber langsam Zeit fürs Finale. Wir wollen nicht alles verraten, aber es gibt Lasereffekte, ein explodierendes Auto, Dialogsätze wie „Ich bin der letzte Schritt der Evolution!“ und das letzte Zitat des Films, als Cozzi den atemberaubend dämlichen Plot Twist seines eigenen STAR CRASH adaptiert.

Es tut mir ja leid, aber mit SUSPIRIA und INFERNO kann das nicht mithalten. GATTO NERO ist gewiss ein Film wie ein Traum – allerdings ein übler Traum, aus dem man mit Kopfschmerz und einem unangenehmen Geschmack im Mund erwacht. Man tappt zum Kühlschrank, doch aus dem leuchtet es giftgrün, und man ahnt, dass auch die eigene Wiederauferstehung sich im ewigen Rhythmus von 24 Stunden vollziehen wird.

IL GATTO NERO/Dead Eyes (Luigi Cozzi 1989)



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Über den Autor

Andreas Poletz (1185 bis 1231), aus Chorazin gebürtig, beschrieb seine Seele als »einen schrecklichen Sturm, umhüllt von ewiger Nacht«, und behauptete, dass er aus Verzweiflung begann, seine Hände und Arme zu zerfleischen und mit den Zähnen bis auf die Knochen zu zernagen (incipit manus et bracchia dilacerare et cum dentibus corrodere useque ad ossa). Ist aber nicht wahr.

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