It’s Alive!

Von  //  18. Mai 2012  //  Tagged: ,  //  2 Kommentare

What do I care about mankind!

Ort: Eine der ungezählten verkommenen Betonsaurier-Waldlehrpfade im amerikanischen Hinterland. Zeit: Lange nach dem Verfallsdatum des Filmmaterials. Und es beginnt wie MANOS: Schier tagelang kurvt ein Ehepaar durch trübselige Landschaften, bis ihm das Benzin ausgeht. Das Ehepaar ist auch trübselig: Der Gatte ist ein besserwisserischer Arsch, dessen einziger Daseinszweck daran liegt, die blasse Gemahlin in die Schranken zu weisen. Diesem Paar gegenübergestellt der Farmer, der sich in einer Höhle ein prähistorisches Monster hält, dem er aus unklaren Gründen herzlich zugetan ist, vielleicht von einem Aussenseiter zum anderen. Auch verfügt er über eine einst gekidnappte Lehrerin als, hmm, Haushälterin, die ihn aber eher nervt (uns auch). Ex-Teenie-Star Tommy Kirk wird als Assistenzpaläontologe in die Gleichung geworfen und mag trotz seiner Drogenprobleme ein netter Mensch gewesen sein, interessiert uns aber herzlich wenig. Diese Figuren – die Gesamtheit der Besetzungsliste – tapern durch ein Universum, das drei Nummern zu klein ist und nach toter Ratte stinkt: Alle Mätzchen modernen Color Gradings sind Kinderkram gegen den dreckigen Eindruck, den dieses Stück 16 mm-Zelluloid einem ganz von selbst vermittelt.

Flashback: AIP hatte Buchanan beauftragt, für Spottpreise (man munkelt von 30.000,- $) Fernsehvarianten ihrer alten Drehbücher aus den 50ern zu produzieren. Man stellt sich Samuel Z. Arkoff vor, wie er an seiner Zigarre kaut, während ein Buckliger spinnwebenbedeckt aus den Katakomben taumelt und deformierte, moderfeuchte Dinge an die Brust presst. „Das“, fragt Buchanan mutlos, „sind dann wohl die Drehbücher?“ Arkoff schüttelt den Kopf: „Nein, das ist unser Lunch. Die Drehbücher sind… hm…. ein wenig älter.“

Gewiss, da ist eine Bedrohung, aber sie sitzt tiefer, als uns das Drehbuch weismachen will. Nun gut, ein Farmer hält sich ein Monster und füttert es mit verirrten Touristen. Aber ist das erschreckend? Nein. Etwas in Herrn Buchanan sträubt sich mit Recht dagegen, viel Aufhebens darum zu machen. Das Monsterkostüm stammt aus seinem früheren CREATURE OF DESTRUCTION und sah schon dort dämlich aus, und Buchanan weigert sich konsequent, ihm mit filmischen Stilmitteln zu Hilfe zu kommen: Nur aus dem Dialog erfahren wir, dass es sich um einen riesigen Saurier handeln soll und nicht um eine Parodie auf das Ungeheuer der schwarzen Lagune. Ist aber auch egal, das Vieh hat eh nur zwei Kurzauftritte. Die Unbedarftheit der Darstellerinnen ist bedrohlicher, doch auch diese wird durch den Blickwinkel des Films getrübt, der etwa dem eines drittklassigen Demiurgen ähnelt, der verkatert seine verfehlte Schöpfung betrachtet und ohne sonderliche Anteilnahme darauf wartet, dass der ganze Pfusch zusammenkracht.

Der Kern des Films ist eine Rückblende. 22 von 80 Minuten lang sehen wir, nur spärlich kommentiert, wie der Farmer seine Gefangene gefangen und gefügig gemacht hat (Einsperren, tote Maus, Trillerpfeife). Nein, mit der eigentlichen Geschichte hat diese Rückblende nichts zu tun, aber wie bei der Traumsequenz in AFTER LAST SEASON bleibt die Ahnung, dass sie dem Filmemacher als Möglichkeit diente, verklausuliert seine Botschaft zu formulieren: Ecce homo, und das hat er nun davon. 22 Minuten, ohne Liveton, mit oller Musik aus SHE CREATURE und Genossen, rollenden Augen und Handkamera, als wäre Buchanan wieder in der Pubertät, als alles furchtbar war und auch nicht mehr Sinn ergab, aber doch intensiver und in seinem Irrsinn plausibler schien als jetzt, wo er diesen trivialen Dreck hinrotzen muss, weil man ja von irgendwas leben muss, und man ihm auch noch Tommy Kirk als Helden aufgedrückt hat, der nicht umsonst am Ende der Witwe, nachdem sie irgendwie alles überstanden haben, sagt: „Maybe there never was anything, Understand? Maybe there was never anything!“ Und vielleicht wird auch nichts mehr sein. Ja, das wäre sicher besser. Aber Buchanan macht uns keine Hoffnung, sondern entlässt uns mit einem Blick auf Trockeneis und der drohenden Einblendung „THE END?“ in unser Leben.

Es lebt, und man kann es sehen: https://archive.org/details/ItsAlive1969

Höhle des Grauens, USA 1969, Regie: Larry Buchanan


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Über den Autor

Andreas Poletz (1185 bis 1231), aus Chorazin gebürtig, beschrieb seine Seele als »einen schrecklichen Sturm, umhüllt von ewiger Nacht«, und behauptete, dass er aus Verzweiflung begann, seine Hände und Arme zu zerfleischen und mit den Zähnen bis auf die Knochen zu zernagen (incipit manus et bracchia dilacerare et cum dentibus corrodere useque ad ossa). Ist aber nicht wahr.

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2 Kommentare zu "It’s Alive!"

  1. Manfred Polak 20. Mai 2012 um 15:52 Uhr · Antworten

    Buchanan gab seinen Memoiren den Untertitel „Tales of a Cinema Schlockmeister“. Da möchte man nicht widersprechen. Das Monster mit seinen Tischtennisballaugen hat mich etwas an Kermits bösen Vetter erinnert.

    • Alex Klotz 20. Mai 2012 um 20:44 Uhr ·

      Ja, das ist bestimmt auch eine aufschlußreiche Lektüre, wenn nur die McFarland-Titel bei aller Qualität nicht so herb in die Geldbörse hauen würden…

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