Cataclysm

Von  //  23. Februar 2012  //  Tagged: ,  //  2 Kommentare

„Es gibt so viel wesentlichere Themen, für die einzusetzen es sich lohnt. Warum beharrst du nur so hartnäckig auf Gott?“

Ach, geht mir weg mit Filmen: Nichts als systemerhaltende Verführung zum Hormonhorror und anderen Albernheiten zugunsten der Bretter, die die Welt bedeuten, weil sie vor die Köpfe genagelt sind. Man missverstehe mich nicht: Meine Seele ist nicht blind für die künstlerische Leistung, die etwa darin besteht, die Bourgeoisie ob ihrer unbestreitbaren Unbrauchbarkeit zu verdammen und dies zugleich so anziehend zu inszenieren, dass man die Protagonisten bedauert und selbst gerne eine Villa in Mailand hätte. Auch ist es einleuchtend, dass man so etwas lieber sieht als ein paar unsympathische Faschisten, die in hässlichen Farben anonyme junge Leute missbrauchen. Es ist alles nicht so einfach, und man sollte der Filmkunst vielleicht nicht vorwerfen, dass sie unterm Strich so hoffnungslos versagt hat wie etwa die Kirche – es fehlt am Element der Scham ebenso wie an überzeugender Mahnung zur Um- und Abkehr – , aber zumindest sollte man gegen Raubkopierer nicht nach dem Urheberrecht vorgehen, sondern nach den Maßstäben der Suchtgiftprävention.

Aus diesem Kontext – nicht aufgrund einer am Mainstream gemessenen Lächerlichkeit – ergibt sich der Wert von Ausreißerfilmen wie AFTER LAST SEASON und SANTA AND THE ICE CREAM BUNNY: Es sind authentische Grüße aus der Hölle, unfreiwillige Blicke hinter die Potemkinschen Dörfler, mit denen wir uns ansonsten identifizieren sollen, Belege der Bruchstellen, Nachweis des Nonsens: Mensch zu sein. Wie passend ist da ein Alternativtitel unseres heutigen Schaustücks: THE NIGHTMARE NEVER ENDS.

Hinter dem Alptraum steht eine der kurioseren Gestalten aus der Glanzzeit Hollywoods: Philip Yordan, ein effizienter Drehbuchhandwerker mit der Gabe, gute Ghostwriter zu engagieren, der nach Büchern für Klassiker wie BROKEN LANCE oder EL CID seine Karriere mit windigen Horrorreißern beendete. Konnte das gut gehen? Theoretisch: Ja. Yordan über sich selbst:
„When Sidney Harmon was a producer in Harlem, I started to write plays for him. He came to me once and he says, ‚Phil, when I read your plays, everything turns grey and dark and the walls start creeping in on me. I’m depressed and it’s depressing, and nobody wants this.‘ So, in order to survive, I had to take this quality, which is my basic quality, and put it into melodrama like gangster [films] and Westerns, and then I could get away with it.“

Yordans Script für CATACLYSM versammelt eine Reihe bemerkenswerter Charaktere – einen KZ-Überlebenden, einen atheistischen, nobelpreistragenden Bestsellerautor, seine gläubige Chirurgenfrau, einen abtrünnig gewordenen Mönch und einen androgynen Emissär des Teufels – , um einen Diskurs über Gut und Böse zu versuchen. Das Böse freilich, das ist keine Frage, existiert – denken wir nur an die Greuel des Dritten Reiches, denken wir an das, was weiße Männer mit indianischen und afrikanischen Ureinwohnern getrieben haben. Und auch aus einer anderen Richtung werden wir bedroht: Hybris, der Glaube, der Mensch sei Herr seines Schicksals! Doch wie soll man das Böse bekämpfen, wenn man nicht an das Gute glaubt? Und ist es gut, auf das Böse böse zu sein?

So oder ähnlich könnte es in Yordans Hinterkopf ausgesehen haben, als er die Story 1977 zum Copyright anmeldete; all dies kommt im Film vor. Doch was dann geschah, bleibt im Dunkel der Geschichte verborgen; wir können uns nur an den fertigen Film halten, der in den Credits gleich drei Regisseure und drei Städte als Drehort nennt, in verschiedenen Schnittfassungen (auch als NIGHTMARE NEVER ENDS und SATAN’S SUPPER) kursiert und schließlich mit Stop Motion-Effekten versehen und zu einem Drittel von NIGHT TRAIN TO HELL (1985) gekürzt wurde. Und ja, wir reden von einem Disaster der besonderen Art: Alle Zutaten sind im Topf, aber niemand hat den Herd angeschaltet.

Die „bedeutsamen“ Szenen sind schreckerregender als die Horrormomente, aber dafür diese bedeutsamer als jene. Der Atheistenautor („Gott ist tot. Aber der Mensch – der lebt!“) war vielleicht einmal als eine zu läuternde Scrooge-Figur gedacht, gerät aber stattdessen zum unnahbarsten Protagonisten der Filmgeschichte, bis uns der Tod von ihm erlöst. Seiner Frau glaubt man die Chirurgin nur, weil es unvorstellbar ist, dass sie Schauspielerin ist. Cameron Mitchell tappt als Polizist ziellos durch die Handlungsfragmente, verirrt sich in die Disco und kann am Ende wenig mehr tun, als den Satan in der Leichenhalle erfolglos anzuschnauzen. Der Mönch versucht vergeblich zu warnen und endet in einem Leuchtturm mit einer Dämonin, der er dumme Fragen stellt („Wie heißen Sie?“), bis er weggeweht wird („Ich kann mich nicht mehr halten!“). Nun liegt es an der Chirurgin („Ich kann nicht töten!“), den Satan mit dem Wagen zu rammen und auf dem OP-Tisch zu massakrieren. Wird Gott es zulassen? Wird der Nachtmahr jemals enden? Und: Ist es zu fassen?

Der Film liegt zwar eben auf Youtube, wir empfehlen aber die mustergültig tapsige Münchner Synchronfassung, die uns mit Mitteilungen erfreut wie: „Der Teufel verlangt drei Dinge im Umgang mit den Menschen: Stolz, Überheblichkeit und Arroganz.“

Cataclysm – Der unendliche Alptraum, USA 1980, Regie: Phillip Marshak, Tom McGowan, Gregg C. Tallas

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Über den Autor

Andreas Poletz (1185 bis 1231), aus Chorazin gebürtig, beschrieb seine Seele als »einen schrecklichen Sturm, umhüllt von ewiger Nacht«, und behauptete, dass er aus Verzweiflung begann, seine Hände und Arme zu zerfleischen und mit den Zähnen bis auf die Knochen zu zernagen (incipit manus et bracchia dilacerare et cum dentibus corrodere useque ad ossa). Ist aber nicht wahr.

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2 Kommentare zu "Cataclysm"

  1. Gottlieb Jordan 20. Juni 2014 um 21:48 Uhr · Antworten

    Wenn ich einen Kater hätte, würde er Clysm heißen!

  2. Silvia Szymanski 23. Februar 2012 um 19:41 Uhr · Antworten

    „Nichts als systemerhaltende Verführung zum Hormonhorror und anderen Albernheiten zugunsten der Bretter, die die Welt bedeuten, weil sie vor die Köpfe genagelt sind.“: Das hat was. Lass mich nachdenken, Andreas. Dauert aber vielleicht Wochen. Großartiger Text.

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