Blu-ray: Geständnisse
Von Michael Schleeh // 14. Dezember 2011 // Tagged: Asien, Japan, Tetsuya Nakashima, Thriller // Keine Kommentare
Die Lehrerin Yuko Moriguchi (Takako Matsu) verkündet ihrer Klasse, dass sie den Lehrberuf zu den kommenden Ferien hin aufgeben wird. Grund sei der Tod ihrer vierjährigen Tochter Manami, welcher, und dies ist nur die erste einer ganzen Reihe von atemraubenden Enthüllungen, von zwei Schülern dieser Klasse herbeigeführt worden sei. Da aber das Alter der Schüler sie vor dem Strafgesetz schütze, habe sie HIV-infiziertes Blut ihres kürzlich verstorbenen Gatten in die Milch der Schüler injiziert.
So die ersten Minuten des hochspannenden Rachethrillers von Tetsuya Nakashima (Memories of Matsuko, Kamikaze Girls), der seinen Film von da an vorwiegend in subjektiven Rückblenden der Schülerperspektiven erzählt. Wie es wirklich zum Tod Manamis gekommen ist – hier erlaubt sich das Skript noch einige sukzessiv bogenschlagende Enthüllungen, und ob die Schüler tatsächlich infiziertes Blut getrunken haben – das wird sich erst am Ende des in vorwiegend Grau- und Blautönen gehaltenen Films offenbaren.
Nakashima steht mit seinem Film bereits in einer kleinen Tradition des modernen zeitgenössischen Kinos; als Vorläufer lassen sich eine ganze Reihe ähnlich gelagerter asiatischer „Problemschul“-Filme anführen: Kim Tae-yongs Memento Mori (1999), Fukasakus Battle Royale (2000), Sion Sonos Suicide Club (2001), Isao Yukisadas Go (2001), oder Toshiaki Toyodas überragender Blue Spring (2001), in dem die delinquenten Schüler einer Highschool zwischen Schulabschluss und Orientierungslosigkeit die Perspektive verloren haben.
Geständnisse lässt sich wohl am besten mit dem Bild des Mosaiks beschreiben, das erst in seiner ganzen Summe, also in der Auflösung, das vollständige Bild ergibt. Die Bilder allerdings dürften auch das größte Problem des Films darstellen. So wunderbar sie anzuschauen sind, in ihrer Stilisierung, ihrer hochaufgelösten Zeitlupenästhetik, ihrer Farbdramaturgie und der Figurenanordnungen im Raum, die oftmals an Ballettarrangements denken lassen, scheint doch in ihrer kunstfertigen Ausstellung vor allem am Bild selbst interessiert zu sein. Besonders offensichtlich wird das in der mehrfach, beinahe schon zelebrierten Szene der Kindstötung. Der Gegensatz zwischen grausamer Handlung und stark ästhetisch inzenierter Abbildung birgt zwar ein großes Schockpotenzial, er scheint aber doch vor allem an der Wirkmächtigkeit des Filmbildes orientiert zu sein. Kokuhaku sieht auch im Tod noch extrem gut aus. Inwiefern der Film seinen Plot also zur künstlerischen Gestaltung missbraucht, ist noch viel zu wenig diskutiert worden. Auf diese Weise etabliert sich eine Distanz zwischen Betrachter und Geschehen, die ihre Zielrichtung vor allem in der Auflösung eines Kriminalfalles findet. Das menschliche Schicksal ist dem Film dabei recht wurscht – auch wenn die Figuren noch so sehr im Zentrum zu stehen scheinen. Empathie durch Pathos: Fehlanzeige. Und so bleiben die Schüler, obwohl als Individuen dargestellt, unpräzise unpersönlich. Sie rücken niemals nahe. Man staunt wie der Besucher im Zoo vor dem Löwenkäfig. Und hierin liegt denn auch die größte Schwäche des Films, der mit einem fulminanten Monolog der Lehrerin begonnen hatte. So überraschend im Film dann später auch alles ist: der Anfang ist das Beste.
Geständnisse / Confessions / Kokuhaku (Tetsuya Nakashima, Japan 2010).
Geständnisse ist am 18. November bei Rapid Eye Movies als DVD und Blu-ray erschienen. Rezensiert wurde die BR, die ein ausgezeichnetes Bild vorzuweisen hat. Die VÖ kommt mit einem ausführlichen Booklettext von Rüdiger Suchsland.
[Link zu einer weiteren Filmkritik zu Confessions (von Thomas Klotz) bei Hard Sensations.]
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