Mutantes – Punk Porn Feminism

Von  //  20. Oktober 2011  //  Tagged: , , ,  //  Keine Kommentare

Der vertrockneten, sex- und lustfeindlichen, kategorisierungswütigen PorNo-Bewegung ist es zu verdanken, dass sich die Begriffe Feminismus und Pornografie scheinbar beißen. Da die emanzipatorische Emma-Fraktion auch heute noch dieser Auffassung ist, kommt eine Dokumentation wie Mutantes: Punk Porn Feminism nicht zu spät, schlimmstenfalls immer noch zu früh. Regisseurin Virginie Despentes, die ihrerseits mit ihrem berüchtigten Skandalfilm Baise-Moi (2000), einer Verfilmung ihres eigenen Debütromans, einen entscheidenden Anteil hatte an der aufkommenden Diskussion über die Vereinbarkeit von Kunst und Porno, versammelt eine ganze Riege selbstbewusster Künstlerinnen, welche diesen Spagat mühelos meistern.

Zu Wort kommen unter anderem Kultstar Annie Sprinkle, die in ihren schrillen Liveshows und Moderationen schon etliche Jahre weibliche Sexualität und Anatomie der Geschlechtsorgane humoristisch „erklärt“, Filmemacherin Maria Beatty, deren hochartifizielle Lesbenpornos international einen sehr guten Ruf genießen oder auch Darstellerin Coralie Trinh Thi, die gemeinsam mit Virginie Despentes Baise-Moi inszenierte. Nicht jede Interviewte (tatsächlich ist für Männer ganz konsequent kein Platz, Mutantes schraubt sich ausschließlich in den weiblichen Pornokosmos) gibt viel her: Doch selbst eine Nina Roberts, der bereits eine ermüdend einseitige Dokumentation gewidmet wurde, vertritt in ihrer relativ unreflektierten Naivität, mit ihren unsauber formulierten Bedenken und gedankenverlorenen Quasseleien hier wohl die Majorität der Darstellerinnen, die sich um Geschlechterfragen und ideologische Filmemacherei wenig schert.

Die herbe Lydia Lynch dagegen wurde durch zahlreiche Zusammenarbeiten mit Cinema-of-Transgression-Ikone Richard Kern bekannt – ich habe selbst im letzten Jahr in Aachen erleben dürfen, dass ihre Filme (in diesem Fall der berühmte Fingered) auch heute noch Sprengkraft besitzen: Die Vorstellung musste nach wenigen Minuten abgebrochen werden, von Misogynie und sexualisierter Gewalt wurde da gefaselt bevor die wirklich ruppigen Sequenzen überhaupt zu sehen waren.

Eine entscheidende Tatsache kristallisiert sich schnell heraus: es gibt nicht die feministische Pornografie, kein Universalrezept dafür, wie Pornos für Frauen und von Frauen auszusehen haben; wovon frau angeheizt wird ist eben doch eine diffizilere Frage und nicht mit den etwas starrsinnigen und bevormundenden Regeln des Puzzy-Power-Manifests einzugrenzen. Filmwissenschaftlerinnen wie Linda Williams (Hardcore: Macht, Lust und Traditionen des pornografischen Films) oder Queer-Cinema-Expertin B. Ruby Rich vertreten den akademischen Zweig, die mit rund sechzig Jahren immer noch mondäne und strahlend schöne Candida Royalle beispielsweise das Business, das ohne theoretischen Unterbau auch bereits seit den 1980ern auf ein weibliches Publikum setzt – mit Punk hat die Grand Dame des amerikanischen Mainstreampornos freilich nichts am Hut, mit weiblicher Selbstbestimmung in einer angeblichen Männerdomäne im Gegenzug dafür umso mehr.

Letztlich ist Mutantes: Punk Porn Feminism „nur“ besseres Infotainment: Die vom französischen Fernsehen finanzierte Dokumentation lässt jedes formelle Individualität vermissen und setzt dagegen ganz konventionell auf Talking Heads, die glücklicherweise in diesem Fall – in dem der Titel wirklich Programm ist –  wirklich etwas zu sagen haben. Die Vielstimmigkeit der Befragten lässt erahnen, wie weitreichend und individualisiert der weibliche Pornofilm bereits ist, und dass dieser keineswegs noch in den Startlöchern verharrt.

FRA 2010 / Regie: Virginie Despentes

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