Angela the Fireworks Woman – The Dream Goes On

Von  //  4. Juli 2011  //  Tagged:  //  Keine Kommentare

Nach einigem Hin und Her habe ich mich doch entschlossen, meine Replik auf die Rezension zu Angela the Fireworks Woman aus dem Kommentarfeld zu bergen und in einen eigenen Artikel zu packen.

Nachdem ich Eckis liebevolle Kritik gelesen hatte, habe ich mir den Film angeschaut. Allerdings entwickelte ich phasenweise immense Aggressionen dabei. Von allen Seiten hört man die üblichen Vergewaltiger-Klischee-Floskeln: „Sie hat sich mir aufgedrängt.“ (O-Ton Bruder!), „Sie sah so sexy aus, ich konnte gar nicht anders.“ usw. Irgendwie sind alle Männer, auf die Angela trifft, scheinheilige [beliebiges Schimpfwort einsetzen], allen voran der doppelmoralindurchweichte Bruder Peter. Die Vergewaltigungs- und SM-Szenen haben mir den Streifen ziemlich vermiest, und das, obwohl er mir von der Grundidee und Struktur her eigentlich gefällt. Der Film gewinnt für mich unheimlich, wenn ich ihn analysiere, mit ausgeschaltetem Kopf finde ich ihn furchtbar.

Der Clou ist ja eigentlich, dass die Monologe eben nicht alle von Angela stammen, sondern auch von ihren SexpartnerInnen, die alle brav beim Priesterbruder beichten gehen und ihm so ein schlechtes Gewissen machen. Der Teufel hat von Anfang an die Finger im Spiel, das wird in der ersten Sequenz nach dem Vorspann-Feuerwerk klar. Der Teufel (hier unter dem Namen Nicholas Burns) materialisiert sich am Strand vor dem Haus der Geschwister. Angela schläft und träumt sich in eine Kindheitserinnerung (ob diese imaginiert ist oder tatsächlich stattgefunden hat, ist dabei für alles Folgende irrelevant). Man sieht Angelas Gesicht, hört aber im Hintergrund die Rückblende. Die Kinderstimme Peters fragt den teuflischen Mann am Strand, wer für das Feuerwerk zum 4. Juli zuständig sei. „That’s me, Nicholas Burns. At your service.“, antwortet dieser. „Can you give us something for the 4th of July?“, fragt die piepsige Mädchenstimme Angelas. „Like what?“, will der Teufel wissen und das Haus (Symbol!) wird erschüttert. Hübsch hier die Doppeldeutigkeit des Wortes „service“, das im Englischen nicht nur „Dienst“, sondern auch „Messe“ bedeutet. Fazit: Bei Peters Gottesdiensten ist der Belzebub nie weit, denn schon lange vor der Entscheidung zum Priestertum hat es der Teufel auf ihn abgesehen. Nette Parallele übrigens: Ecki erwähnt, dass der ältere Priester raucht, der sich später in den Teufel verwandelt. Dasselbe Motiv hatten wir schon mal in The Devil in Miss Jones.

Angela kann man tatsächlich als Priesterin des feuerwerkelnden Mr.-Burns-Teufels deuten, immerhin heißt sie „the Fireworkswoman“. Sie selbst sagt im ersten Satz ihres Monologes, die Verantwortung beginne im Traum. Vielleicht der Kindheitstraum, in dem sie Mr. Burns um ein Geschenk bittet wie Eva die Schlange um den Apfel? Eltern tauchen jedenfalls im Film keine auf (auch wenn man annehmen könnte, sie hätten ihren Kindern verboten, Dinge von Fremden anzunehmen. Noch eine Sünde, aber gerade die kleinen bestraft der liebe Gott ja bekanntlich gerne.) Wie auch immer, der Sündenfall passiert, Angela wird durch ihre bedingungs- und phasenweise besinnungslose Liebe zu ihrem Bruder zur Gehilfin von Mr. Burns, der zu allen möglichen Gelegenheiten auftaucht, mit Vergnügen sein Werk betrachtet und wo nötig auch mal nachhilft. Angela hat bei dem Deal allerdings schlechte Karten gezogen, denn sie hat nicht den Gottesdienst-Service erwischt, sondern den Ich-muss-allen-zu-Diensten-sein-Service. So gesehen sind die Gewaltszenen nur konsequent, die Sexpartner werden immerhin vom Teufel dazu gebracht, Angela nicht widerstehen zu können, aber wütend macht es mich trotzdem. Die Stimmungen schlagen zwischen den verschiedenen Akten extrem um, von sadistisch über brutal zu ausgelassen oder spielerisch, das irritierte mich beim Gucken sehr.

Irgendwie kommt es einem ungerecht vor, dass Angela wirklich jeden Mist mitmachen muss, nur weil ihr Bruder nicht einsehen kann, dass seine Seele ohnehin nicht zu retten ist und seine Ablehnung die Situation für seine Schwester nur noch schlimmer macht. Hätte er Angela nicht verstoßen, wären ihr die ganzen Sexkapaden erspart geblieben (allerdings auch die angenehmen). Das Ende ist dann wieder versöhnlich. Die Rudelszenen wirken entspannt und ausgelassen, obwohl die auch von Silvia oft kritisierten Cum-Shots nerven (na, seid Ihr stolz auf mich? Wieder eine Vokabel gelernt!) Übrigens taucht hier kurz Jamie Gillis auf, der den unsympathischen Herrn in The Story of Joanna und den Vater-Dämon in Through the Looking Glass spielt, aber das nur am Rande. Schließlich kapiert Peter doch, dass seine Schwester ohne ihn unrettbar von Geschlechtsverkehr zu Geschlechtsverkehr stolpert und nur durch seine dauernde Anwesenheit von Monogamie zu überzeugen ist. Ist ja auch auf Dauer blöd, von dem ganzen Sex nur im Beichtstuhl zu hören, aber nicht mitmachen zu können. Der Teufel hat gesiegt, Peter verlässt die Kirche und Angela kann endlich die Früchte ihrer harten Arbeit genießen. Puh.

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Über den Autor

Bianca Sukrow, geb. in Aachen, ist Literaturwissenschaftlerin, Mitgründerin des Leerzeichen e.V., freie Lektorin und Journalistin. Im persönlichen Umgang ist sie launisch, besserwisserisch und pedantisch.

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