Taboo & Taboo II

Von  //  17. Juni 2011  //  Tagged:  //  Keine Kommentare

Schon der Titel kündigt die große Kontroverse an und ja, der Film versteht sie auch auch mühelos einzulösen. Zwar gab es im amerikanischen Pornofilm schon haufenweise nachgestellten Inzest zu sehen, jedoch stets in einem rüden Kontext wie einem Vergewaltigungs-Szenario oder Redneck-Sujet als Sicko-Schockmittel aus der Schmuddelkiste gekramt. Regisseur Kirdy Stevens geht aber wesentlich weiter und inszeniert den (natürlich auch hier nur vorgegebenen) Inzest als sinnlichen und lustvollen Akt mit beiderseitigem Einverständnis. Bis sich Mutter und Sohn am Ende aber der Lust hingeben und aufhören, ihre Gefühle zu bekämpfen, lässt sich der Film viel Zeit um erotische Spannung zwischen den beiden aufzubauen und so gerät der eigentliche Taboobruch umso glaubwürdiger. Gerade weil sich beide Parteien über die Unmoral bewusst sind, mit sich hadern und auch gesellschaftliche Restriktionen im All-American-Suburbia fürchten, wirkt dieser sleazige Klassiker wesentlich stärker und nachhaltiger als die liederlichen Inzeststreifen à la Familie Immerscharf, wie sie in jeder deutschen Videothek massenweise rumstehen und in denen mit ganz lapidar jeder mit jedem schläft. Hauptsache, es wird mal zwischendrin gesagt, wer da grade wen durchnimmt. Stevens glückte damit der wohl ökonomischste Aufreger der Pornogeschichte – zwei eigentlich gewöhnliche straighte Nummern erhitzen die Gemüter, projizieren einen absurden ödipalen Wunschtraum auf die Leinwand und lösten einen handfesten Skandal aus. Übrigens bleibt in diesem ersten Teil einer schier endlosen Reihe (von denen die ersten vier Fortsetzungen und Teil 7 noch von Kirdy Stevens stammen) der Sex zwischen Mike Ranger und Kay Parker der einzige „Inzest“ – nachdem der Film bis dahin Geduld beweist, folgt das zweite Schäferstündchen nur kurz nach dem ersten. Macht dramaturgisch nur wenig Sinn aber weil’s so schön war und die beiden so lang gewartet haben sei es ihnen gegönnt.

Drehbuchautorin Helene Terrie, die der Taboo-Reihe noch bis zum sechsten Teil erhalten bleiben sollte und auch anderweitig mit Regisseur Stevens zusammenarbeitete, gelang ein genau durchdachtes Skript, das sich erfolgreich auf eine glaubwürdige – oder zumindest vorstellbare – Psychologisierung konzentriert. Sowohl Mutter als auch Sohn werden sinnvoll in ein privates Umfeld eingebettet, müssen sich entweder mit Problemen auf dem Arbeitsmarkt oder einer nicht restlos erfüllenden Beziehung rumplagen. Wodurch sich andererseits reichlich Gelegenheit bietet, herkömmliche Hardcoresequenzen einzubauen. Kurzweilig und straff erzählt, lässt der Film sein Thema doch lange in der Luft schweben – bezeichnend, das die inzestuösen Liebesakte äußerst warm ausgeleuchtet sind und einen sehr soften, fast romantischen Charakter besitzen. Taboo profitiert natürlich ungemein von der starken Hauptdarstellerin Kay Parker, die nicht nur aufgrund ihrer üppigen Erscheinung eine Idealbesetzung ist. Ihr reifer, sehr fraulicher Charme und der liebevoll-zärtliche Umgang mit ihrem Filmsohn verleiht ihr eine perverse mütterliche Erscheinung, was von ihrer berüchtigt großen Oberweite noch unterstrichen wird. So geriet ihr Part in Taboo zur Rolle ihres Lebens. Parker, die sogar ihre Autobiografie nach ihrem bekanntesten Film benannte, war für ihr überdurchschnittliches schauspielerisches Talent bekannt und respektiert und damit in der Pornobranche neben Marilyn Chambers ein Unikum.

Nachdem der erste Teil einen ausgewachsenen Skandal in den Vereinigten Staaten auslöste (der erst übertroffen wurde durch die Enthüllung von Traci Lords‘ Minderjährigkeit) und für mehrere Jahre im Gespräch war, musste zwangsläufig ein Nachfolger her. Der zweite Teil hatte dann aber nur noch wenig mit dem Original gemein. In der Eingangssequenz wird bereits klar, das eine völlig konträre Herangehensweise angesagt ist als im fast schon seriösen Vorgänger, der beinahe ausschließlich „normale“ Hardcore-Szenen aufbot und viel Zeit für Dialoge und Narration übrig hatte. Taboo II ist im Prinzip eine anarchische Parodie, nimmt das Thema keinesfalls mehr ernst sondern zieht unbeirrt wie augenzwinkernd eine völlig abstruse Personenkonstellation auf, um alle erdenklichen Kombinationen zu erfinden. Hier treiben es Bruder und Schwester, Vater und Tochter, Mutter und Sohn – alles lose verbunden zum Vorgänger, denn es spielt sich in einem Nachbarort ab. Das Gerücht um Mutter und Sohn erreicht eine Familie, die plötzlich ganz ungeahnte Vorlieben entwickelt. Was sich dämlich und uninspiriert anhören mag, wird von Kirdy Stevens gekonnt aufbereitet, heiter und jederzeit schwer unterhaltsam. Hatte der erste Teil einen neuen Trend losgetreten, so lotet dieser zweite eben die neuen Möglichkeiten aus und wendet das obligatorische Überbietungskonzept auf äußerst drastische Weise an. Im Gegensatz zum Original geht es hier fast nur um innerfamiliären Sex, der nun völlig auf einen glaubwürdigen Unterbau verzichtet. Und auch verzichten will. Zwar weist auch Taboo II noch echte Spielfilmhandlung auf, funktioniert aber eben als Nummernrevue, als Komödie und schließlich vor allem als Gegenentwurf. Besonders deutlich äußert sich dieser signifikante Stimmungswechsel in den Gesprächen, die hier ihr Trash-Potential kalkuliert ausspielen und damit auch noch durchkommen.

USA 1980, 1982 / R: Kirdy Stevens

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