Eine bessere Welt — aber kein besserer Tatort

Von  //  10. Mai 2011  //  Tagged: ,  //  1 Kommentar

v.r.n.l: Einsamer Wolf trifft Papagei. Foto: HR

Auf den Tatort Eine bessere Welt, der vorgestern erstausgestrahlt wurde, habe ich mich gefreut. Nachdem ich Nina Kunzendorf im Fernsehfilm In aller Stille (Regie Rainer Kaufmann) gesehen hatte, war ich überzeugt: Das wird eine super Tatort-Kommissarin. Kunzendorf spielt in In aller Stille die nervlich überlastete, in Trennung lebende Zweifachmutter und Polizistin Anja Amberger. Amberger sieht im Verlauf der Handlung in verschiedene Abgründe – eigene und die von anderen. Von manchen kann sie sich zurückziehen, in andere schliddert sie hinein. Die Amberger ist eine Figur, die nicht nur gebrochen ist, sondern fast schon auseinander reißt. Phlegmatisch, latent aggressiv, voller zumeist unterdrückter Bedürfnisse. Über In aller Stille munkelte man in Tatortguckerkreisen, der Film sei ein Einschaltquotentest, eine Art Generalprobe für die Kunzendorf als Polizistin.

Das einzige, was Tatortkommissarinnenfigur Conny Mey allerdings mit Anja Amberger gemeinsam hat, ist, dass sie aufgrund der Umstände gezwungen ist, ihre Müdigkeit zu bezwingen. Die coole, hip-pink gestylte Conny Mey ist notorisch gut gelaunt. Sie ist topfit, kontaktfreudig und instinktsicher, und geht mit ihrer Topfitness, Kontaktfreude und Instinktsicherheit ihrem leicht abgehalfterten, einzelgängerischen aber ebenfalls instinktsicheren Kollegen Frank Steier (Joachim Król) und zuweilen auch mir auf den Keks. Mir ist die Mey zu glatt, zu perfekt. Ihr Pistolenhalfter trägt sie demonstrativ über ihren knallengen Oberteilchen, ein Gehabe, das man sonst von amerikanischen Underdoghelden á la Bruce Willis kennt. Der Prototyp der emanzipierten Frau, die zu ihrer Weiblichkeit steht, sich aber von keinem der ihr zumeist intellektuell unterlegenen Typen die Butter vom Brot nehmen lässt. Jeder Spruch ein Treffer. Der passende Klischeeschleimer, mit dem sie nonchalant Schluss machen kann, ist erwartungsgemäß nicht weit; Arnd Klawitter markiert den nicht nur karrieregeilen Polizeipsychologen Daniel Behnken. Ihm geht es nicht ums Profil potentieller Straftäter und Opfer, sondern um sein eigenes, das er in möglichst gutes Licht zu rücken sucht. Im nervig-anschmiegsamem Psychogogelmodus orakelt Behnken dumm wie Brot (und leider auch reichlich vorhersehbar) an des Rätsels Lösung vorbei und bringt die Kollegen in die Bredouille.

Partner Steier ist im Vergleich zu May auf angenehme Art exzentrisch. In seinem Büro, das wie ein Schulleiterzimmer aus den 70ern wirkt, hört er vornehmlich im Halbdunkel Klassik oder Jazz, trinkt ab und an irgendwas vermutlich irre Hartes aus seinem Flachmann und versucht, mit Kollegen, Vorgesetzten und ähnlichem Gesocks möglichst wenig zu tun zu haben. Wenn er einen Gedanken verfolgt, antwortet er nicht auf Ansprache, und reden tut er überhaupt nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Kabbeleien mit der leutseligen neuen Kollegin sind vorprogrammiert. Einsamer Wolf trifft Papagei. Die beiden nur scheinbar ungleichen Partner solidarisieren sich ob ihrer Instinktsicherheit natürlich trotzdem. Erleichtert wird die Annäherung durch einen Haufen Arschlochpolizisten, gegen die es sich trefflich fraternisieren lässt. Soweit die Figurenkonstellation.

Die Handlung ist insofern für einen Tatort unüblich, als es keinen „richtigen“ Mord gibt. Der psychopathische Vater eines verunglückten, im Koma liegenden jungen Mannes will die vermeintliche Unfallfahrerin dazu bringen, die Schuld am Zustand seines Sohnes zu gestehen. Dazu greift er zu grenzwertigen Mitteln (Drohanrufe, Einbruch, Verfolgung etc.) Die verschüchterte Postbotin hat den Psychopathennachwuchs aber gar nicht über den Haufen gefahren, sondern nur gefunden. Zu verbergen hat sie trotzdem was. Mehr kann man kaum über den Plot sagen, ohne allzu viel zu verraten. Muss man aber auch nicht, denn geniale Schachzüge, die sich zu besprechen lohnen, fehlen im Drehbuch ohnehin. Insgesamt ist Eine bessere Welt ganz nett. Es gibt viele witzige Wortgefechte, die meist zulasten der beteiligten Männer gehen, ein paar Actionszenen (die letzte davon mit Ansage) und ein bisschen Teamfindungsbeschnüffelei. Aber die angenehme Bleischwere, die ich erwartet hatte, fehlte weitgehend.

Deutschland 2011, Regie: Lars Kraume

Diese Rezension wurde auf www.frausuk.de erstveröffentlicht.

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Über den Autor

Bianca Sukrow, geb. in Aachen, ist Literaturwissenschaftlerin, Mitgründerin des Leerzeichen e.V., freie Lektorin und Journalistin. Im persönlichen Umgang ist sie launisch, besserwisserisch und pedantisch.

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Ein Kommentar zu "Eine bessere Welt — aber kein besserer Tatort"

  1. Silvia Szymanski 10. Mai 2011 um 17:45 Uhr · Antworten

    Ich mochte diesen Tatort trotzdem, aus anderen Gründen – der Schnee stand ihm gut, er hatte etwas Ruhiges und Elegantes und einen stimmigen Rhythmus, fand ich.

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