Die Filme von Roland Klick

Von  //  13. November 2016  //  Tagged: ,  //  1 Kommentar

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Wir befinden uns im Jahre 1974 n. Chr. In ganz Germanien tobt ein erbitterter Kampf zwischen den verfetteten Vertretern eines tumben Unterhaltungskinos und den verkniffenen Milizen des Neuen Deutschen Films. In ganz Germanien? Nein! Ein unbeugsamer Visionär und Querkopf hört nicht auf, Widerstand gegen diese verblödete Polarisierung zu leisten. Sein Name ist Roland Klick. Als cineastische Ein-Mann-Armee stellt er sich todesmutig dem wütenden Mob entgegen und beweist mit Supermarkt zum wiederholten Male, dass ein Kino möglich ist, das mit beiden Beinen fest im Leben steht, das zutiefst relevant ist und das die Menschen wirklich sehen wollen. Doch ich greife vor …

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Weihnacht

Es begann im Jahre 1963 mit einem kräftigen Paukenschlag: Die Pauke wird von einem Aufziehweihnachtsmann getrommelt, der verdächtig nach einem engeren Verwandten von Chucky aussieht: Willkommen beim alljährlichen vorweihnachtlichen Konsumterror, der die Straßen einer deutschen Stadt in hellen Aufruhr versetzt. In schnell geschnittener Folge und mit schmissiger Jazzmusik unterlegt, präsentiert Klick Legionen von Weihnachtsmännern, Weihnachtsbäumen, Weihnachtsgänsen, Weihnachtskarpfen und von komplett vom vorweihnachtlichen Kaufrausch besessenen Bundesbürgern. Das rege, reichlich wirre und zudem latent beunruhigende Treiben wird wahrgenommen mit den Augen eines kleinen Jungen, der durch das städtische Tollhaus torkelt, wie der teutonische Bruder von Alice im Wunderland. Knackige 10 Minuten kurz präsentiert Weihnacht einen jungen Regisseur, der sichtlich scharf darauf ist zu zeigen, was er drauf hat. Da dies nicht prätentiös verkniffen sondern locker, flockig und unverkrampft geschieht, macht diese kleine Fingerübung mächtig Spaß und weckt Appetit auf mehr.

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Ludwig

Nur ein Jahr nach dem experimentellen Weihnacht dreht Roland Klick mit Ludwig seinen zweiten Kurzfilm. Trotzdem könnten die beiden Werke kaum unterschiedlicher sein. Nach der Hektik und dem Konsumrausch der Großstadt folgen jetzt die Apathie und die Langeweile auf dem Lande. Der titelgebende Protagonist arbeitet in einem Steinbruch und schlägt nach der Arbeit seine Zeit auf der Straße und in einer Dorfkneipe tot. Er ist nicht wirklich der Dorftrottel, aber doch jemand, der sowohl von der Dorfjugend als auch von den Kindern veräppelt wird. Aber Klick betrachtet diesen Ludwig mit der für ihn charakteristischen Empathie und sorgt dafür, dass dieser dem Zuschauer innerhalb der Viertelstunde, die der Film geht, bereits ein wenig ans Herz wächst. Wirklich viel passiert dabei nicht, aber trotzdem ist Ludwig durchgehend interessant. Mit diesem kleinen Werk gelingt Klick eine ausgesprochen dichte Milieuschilderung, die stark an den italienischen Neorealismus erinnert. Der Film könnte auch in den 1940er-Jahren spielen. So sehr ist der gezeigte Ort aus der Zeit gefallen. Bei jenem handelt es sich um Klicks oberfränkischen Heimatort bei Hof. Er selbst hält Ludwig übrigens für seinen besten Film.

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Zwei

Eine Frau verlässt ein Gebäude und geht durch den Torbogen eines Hinterhofs auf die Straße. Im selben Augenblick, als sie den Boden passiert, geht ein Mädchen durch den Bogen in den Hof und beginnt dort einen Flummi gegen die Hauswand neben dem Torbogen zu werfen. Die Kamera verharrt bei diesem Mädchen, das ohne jede weitere Bedeutung für diese Geschichte ist. Dahingegen handelt es sich bei der Frau, die den Hof soeben verlassen hat, um eine von zwei Hauptfiguren aus dem Film. Es sind solche kleinen Details, die dazu beitragen, dass die Filme von Roland Klick etwas Besonderes sind. Zwei (1965) war bereits Klicks dritter Kurzfilm. Und man merkt der Miniatur ein wenig an, dass sein Macher eigentlich keine große Lust mehr auf Kurzfilme hatte: Während Weihnacht – und auf seine Art – auch Ludwig, hochenergetische konzentrierte Filmkunstwerke waren, ist Zwei eher die Film gewordene Lethargie. So apathisch, wie die beiden Protagonisten in dem Hochhaus einer namenslosen Stadt nebeneinander herleben, so lustlos schien hier auch Klick bei der Arbeit. Zwei bietet die für Klick bezeichnende genaue Charakterzeichnung und die fein ausgearbeitete Atmosphäre, doch es fehlt der besondere Kick. Dieser kam erst mit Klicks nächstem Film zurück:

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Jimmy Orpheus

Nach drei Kurzfilmen wollte Roland Klick 1966 endlich einmal einen richtigen Langfilm drehen. Beinahe hätte es damit auch geklappt. Doch dann ging die Produktionsfirma Atlas Film ausgerechnet während des Drehs von Jimmy Orpheus Pleite. Deshalb ist der vorliegende Film mit einer Laufzeit von 50 Minuten nicht der von Klick ursprünglich geplante Film, sondern nur dessen Torso. Dies sieht man Jimmy Orpheus auch deutlich an. Und es tut dem Film erstaunlich gut! Dieser ist ein ähnlich gelungener kreativer Unfall, wie Jean-Luc Godards sechs Jahre zuvor in die Kinos gekommenes Spielfilmdebüt Ausser Atem. Der wurde zwar fertig, wie von Godard geplant, sollte anschließend allerdings auf Veranlassung des Produzenten stark gekürzt werden. Somit schnippelte Godard kurzerhand radikal alles weg, was zum Verständnis der Handlung nicht zwingend notwendig war – und erfand auf diese Weise den Jump-Cut.

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Auch Jimmy Orpheus ist sichtlich von der Nouvelle Vague inspiriert. Tatsächlich kenne ich keinen deutschen Film, der so sehr den frischen Geist dieser französischen Filmrevolution atmet, wie dieser Film. Der titelgebende Jimmy Orpheus ist ein Bauarbeiter und zielloser Drifter im nächtlichen Hamburg, der eigentlich Christoph heißt und der von Klaus Schichan gespielt wird. Er geistert nachts recht planlos über den Hamburger Kiez, flippert, säuft, besucht ein Konzert, spielt Billard, besucht einen Strippschuppen, säuft noch mehr, torkelt, erholt sich, lernt ein Mädchen (Ortrud Beginnen) kennen, die sich wenig später als recht leichtes Mädchen entpuppt, aber Jimmy oder Christopher oder wie auch immer, ist das egal, denn plötzlich hat er ein Ziel und sein Leben einen Sinn: Er muss nur mit dieser Frau zusammenkommen und alles wird gut. Denkt er.

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Bübchen

1968 ist es dann so weit: Mit 300.000 DM Fördergeld in der Tasche dreht Roland Klick endlich seinen ersten abendfüllenden Spielfilm. Der ist zwar erneut ein paar Nummern kleiner, als es dem Filmemacher eigentlich vorgeschwebt hatte. Doch Klick verwandelt die Not in eine Tugend und dreht einen ganz großen kleinen Film: Das Thema der gesellschaftlichen Enge zieht sich wie ein roter Faden durch Bübchen, der ein Drama und zugleich ein Horrorfilm ist. Dabei ist der im Zentrum der Handlung stehende ekelerregende Mord eines kleinen Jungen an seiner noch kleineren Schwester nur die Spitze des Eisbergs einer alles durchdringenden gesellschaftlichen Kälte, welche der wahre Horror in diesem Film ist:

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Während die Eltern (Sieghardt Rupp und Edith Volkmann) Samstagnachmittag zum Karneval gehen, soll die adoleszente Nachbarstochter Monika (Renate Roland) auf Achim (Sascha Urchs) und dessen kleine Schwester aufpassen, die noch ein Baby ist. Doch Monika hat wenig Lust zum Babysitten und trifft sich stattdessen lieber zu einem Schäferstündchen mit ihrem Lover (Otto Borowski). Auch Achim langweilt sich mit seiner kleinen Schwester und wäre lieber bei seinen Kumpels zu Fußballspielen. Erst fotografiert er seine Schwester lustlos im Garten, dann zieht er ihr im Geräteschuppen eine Plastiktüte über den Kopf, an welcher der Säugling erstickt. Später geht Achim einen Bollerwagen hinter sich herziehend zu seinem Freunden und kickt eine Runde mit. Dann geht er zu einem Schrottplatz und entsorgt die Leiche seiner Schwester.

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Seinerzeit sorgte Bübchen für einen Sturm der Entrüstung, der sich daran festmachte, dass der Film weder ein schlüssiges Motiv für die monströse Tat liefert, noch diese eindeutig verurteilt. Doch genau dies ist die große Stärke von Klicks Debütfilm: Anstatt den erhobenen Zeigefinger zu schwingen und wild herum zu moralisieren, konzentriert sich Klick ganz auf die sehr genaue Beobachtung des von ihm porträtierten kleinbürgerlichen Milieus im deutschen Wirtschaftswunderland. Mögliche Schlüsse aus dem Gezeigten darf jeder selbst für sich ziehen. Denn Klick betrachtet seine Zuschauer als mündige Bürger.

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Wahrscheinlich waren die Zuschauer zu der Zeit, als Bübchen in die deutschen Kinos kam, auch wenig darüber entzückt, wie sie dort selbst dargestellt wurden. Denn die dortige bedrückende gesellschaftliche Stimmung lässt sich wahrscheinlich nur zum Teil mit dem dargestellten kleinbürgerlichen Milieu erklären: Das Deutschland in Bübchen ist derart grau und trostlos, dass es kaum zu glauben ist, dass sich ein Jahr zuvor in San Francisco beim Summer of Love Abertausende bunter Paradiesvögel zum fröhlichen Kiffen und Vögeln getroffen hatten. Ungebundenen Sex gibt es zwar auch in Bübchen, doch ist dieser hier nicht zu verwechseln mit freier Liebe. Zu tief sitzen die Gleichgültigkeit und ein Egoismus, dem das Wahren der Fassade wichtiger, als jede menschliche Bindung ist.

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Deadlock

Rolands Klicks zweiter Kinofilm aus dem Jahre 1970 folgt dem Motto „in der Ruhe liegt die Kraft“. Allerdings ist die Ruhe in Deadlock eher die Ruhe vor dem Sturm und die Kraft äußerst destruktiv. Beide Elemente kommen auf finstere Weise zusammen in dem Bild der alten Karre in einer kalkweißen Steinwüste, die langsam, aber unaufhaltsam auf ihr Opfer zuwalzt. Ein Jahr vor Steven Spielbergs minimalistischem Autothriller Duell zeigt Klick einen Wagen, der in seiner rauen physischen Präsenz und Härte zur tödlichen Kampfmaschine mutiert. An diese Stelle vereinen sich die beiden Pole der Lethargie und Letalität, zwischen denen Deadlock ebenso langsam, wie konsequent oszilliert.

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Weniger wichtig ist die recht banale Geschichte, um zwei Ganoven, die mit einem Koffer voll geklauten Geldes in die abgelegene Geisterstadt Deadlock flüchten. Der ältere Gauner (Anthony Dawson) blickt recht düster aus seinen schwarzen Klamotten und heißt Sunshine. Sein junger Kumpane (Marquard Bohm) wirkt dahingegen fast zu gutmütig für einen Gangster und heißt bloß Kid. In Deadlock hausen Charles Dump (Mario Adorf), dessen hübsche Tochter Jessy (Mascha Rabben) und die abgetakelte alte Hure Corinna (Betty Segal). Dump will die Kohle, Corinna reckt Kid ihre wabbeligen Brüste entgegen und Jessy betrachtet das seltsame Treiben so teilnahmslos, wie eine Elfe von einem anderen Stern. Ab und an fährt auch noch ein windiger Hund namens Enzo (Siegurd Fitzek) in seiner vom Wüstensand verkrusteten Karre vorbei.

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Wesentlich entscheidender, als die formale Handlung von Deadlock ist es, dass zum Prog-Rock von Can die Wüstensonne unerbittlich auf die Köpfe dieser Handvoll Knallköpfe brennt, bis bei einem von ihnen endgültig die letzte Sicherung durchkracht. Immer wieder blickt die Kamera direkt in den funkelnden Strahlenkranz der Sonne, der so hell ist, dass es schon wieder dunkel zu sein scheint. Absolut psychedelisch ist auch der Blick in die klaffende Fresse eines Irren, während dessen Knarre donnert und der Totentanz beginnt. Deadlock wirkt fast so, als hätte sich Sergio Leone eine gute Portion Peyote-Kakteen eingeschmissen und anschließend spontan zu drehen begonnen. Kein Wunder, dass der chilenische Psycho-Magier Alejando Jodorowsky Deadlock in den höchsten Tönen lobt. Jener drehte mit El Topo zudem im selben Jahr selbst einen düsteren psychedelischen – und keineswegs minder durchgeknallten – Spätwestern.

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Supermarkt

Mit Supermarkt begibt sich Roland Klick 1974 raus aus der Lethargie der Felsenwüste rein in das quirlige Chaos des steinernen Großstadtdschungels. War Deadlock Film gewordene entrückte Apathie, ist Supermarkt auf Zelluloid gebanntes ADHS. Supermarkt ist entfesseltes Bewegungskino, wie man es in Deutschland erst ein viertel Jahrhundert später erneut mit Tom Tykwers Lola rennt sehen sollte. Aber natürlich hinkt dieser Vergleich: Zwar rennt Franka Potente als Lola bei Tykwer ähnlich rasant durch Berlin, wie Charly Wierzejewski als Willi bei Klick. Doch während Lola einen stählernen Willen und ein ganz klares Ziel vor Augen hat, ist Willi ein zielloser Drifter, der nur weiß, was er alles nicht will und der selbst rennend auf der Stelle zu treten scheint. Erst als Willi die Nutte Monika (Eva Mattes) kennenlernt, die ähnlich verloren, wie er selbst ist, beginnt er erstmals für sich Licht am Ende des Tunnels zu sehen:

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Der 17-jährige Willi schlägt sich mehr schlecht, als recht auf dem Hamburger Kiez durchs Leben. In keinem Job hält er es lange aus und immer wieder gerät er mit der Polizei in Konflikt. Eines Tages kassieren die Bullen Willi einfach auf offener Straße ein und schleppen in mit aufs Revier. Doch auch dort haut Willi ab und beginnt eine Odyssee durch die Hansestadt zwischen Dreck und Blankenese. Dabei begegnet er einer Reihe schmieriger, abgefuckter und scheinheiliger Gestalten, die alle vorgeben ihm helfen zu wollen, dabei jedoch allesamt nur versuchen, ihrer eigenen traurigen Existenz zu entfliehen. Dann kotzt Monika Willi vor die Füße und es ist um ihn geschehen …

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Supermarkt lebt von seiner Dynamik, den exakten Milieuschilderungen und glaubhaften Charakteren. Jede einzelne Geste kommt aus dem Charakter der Figur und aus der Persönlichkeit des Schauspielers heraus. Das ist Klick wichtig. Der Filmemacher sagt, er beobachte jeden Darsteller vor dem Dreh sehr genau und baue dessen Eigenarten in die Figuren ein. Im Zweifelsfall habe bei ihm jedoch immer der Schauspieler recht. – Das sind so Dinge, die Klick in einem Interview zum Film lachend von sich gibt. Dort erklärt er auch, dass für ihn als Stadt für Supermarkt nur Hamburg infrage kam. Als Jugendlicher sei er selbst regelmäßig von Holstein aus nach Hamburg um das Großstadtabenteuer zu suchen. Außerdem habe Hamburg diese besondere Sehnsuchtsdimension, diese Ahnung davon, dass da noch eine größere Welt existiert.

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Doch Willis Aktionsradius bleibt denkbar klein: St. Pauli, Hafen, Abbruchhäuser, der Dreck der Straße, öde Jobs, dem Leben entfremdete Gutmenschen und offen Asoziale. Schon der Besuch einer Elbvilla ist für ihn wie der Flug auf einen fremden Planeten. Aber Hauptsache immer schön in Bewegung bleiben! Und wir als Zuschauer sind immer hautnah dabei und hecheln und schwitzen mit ihm mit. Filmtechnisch ermöglicht dies der Kameramann Jost Vacano, der extra für den Film mal schnell die welterste Steadycam zusammengebastelt hat. Doch wie endet diese Jagt durch die Eingeweide der Hansestadt? Sie endet, wie Deadlock begann: mit einem Typen, der mit einer Tasche voll Geld auf den Zuschauer zu – und dabei vermeintlich in ein besseres Leben hinein – schreitet. Leider wissen wir es besser …

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Lieb Vaterland magst ruhig sein

Roland Klick hat ein besonderes Händchen dafür, Filme mit Tiefgang zu machen, welche die Zuschauer gerne sehen. Letzteres war seinen Kollegen vom Neuen Deutschen Film allerdings äußerst suspekt: Ein Film, den die Menschen tatsächlich sehen wollen, konnte in den Augen dieser kulturellen Asketen nur geistig korrumpiert sein. Doch solch eine platte Gegenüberstellung von Kunst und Kommerz greift zu kurz: Klick hatte beispielsweise Supermarkt komplett aus eigenen Mitteln finanziert und zudem auch noch ganz alleine produziert. Erst als der Film fertig war, nahm die Constantin diesen unter ihre Fittiche und brachte Supermarkt in die Kinos, wo er laut Klick sehr gut lief. Er selbst erhielt für den Film – wie bereits zuvor für Deadlock – das Filmband in Gold. Kein Wunder, dass dies auch eine Menge Neid hervor rief …

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Doch ist der gute Ruf erst ruiniert, dreht es sich bekanntlich gänzlich ungeniert. Und so drehte Klick mit Lieb Vaterland magst ruhig sein nach Supermarkt tatsächlich seinen ersten kommerziellen Film. Dass dieser für Klick eher untypisch ist, deutet bereits der seltsam verschwurbelte Titel an, der so ganz anders, als Klicks vorherige knackig kurze Titel ist. Der eifrige Leser weinerlicher Schmonzetten weiß selbstverständlich sofort, dass Lieb Vaterland magst ruhig sein der Titel eines Werks von Johannes Mario Simmel ist. Und entsprechend ist auch die Handlung von Klicks filmischer Adaption: Diese ist angesiedelt im geteilten Nachkriegsberlin des Jahres 1964. Im Osten der Stadt lebt der kleine Gauner Bruno (Heinz Domez). Dieser wird von der Stasi angeheuert, um den im Westen lebenden Unternehmer Fanzelau (Georg Marischka) in die DDR zu entführen, da dieser fleißig Fachkräfte aus der DDR in den Westen schleust. Doch Bruno ist der sozialistische Braindrain reichlich schnuppe. Er will die Gelegenheit nutzen, um sich selbst in den Goldenen Westen abzusetzen und mutiert somit flugs zum Doppelagenten.

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Lieb Vaterland magst ruhig sein ist eine ähnlich ambivalente Affäre, wie das Treiben der gezeigten Akteure. Mit einem Bein steht der Film bis zum Knie im miefigen Morast von Opas Kino, das Klick hier als Söldner von Bernd Eichinger zu reanimieren versucht. Mit dem anderen Bein fuchtelt der recht müde Agententhriller jedoch wild in der Luft herum und versucht sich aus dem Wirtschaftswunderjahressumpf zu befreien. Das Ergebnis ist nicht wirklich schön, aber selten. So musste Klick bereits das Drehbuch mehrfach umschreiben. Dort kämpfen die für Klick typischen lebensnahen Charaktere mit den in ihre Münder gelegten gekünstelten Filmsätzen herum. Auch optisch kommt der Film recht schizophren daher: Einerseits wird das Berlin der 1970er-Jahre ausstattungstechnisch in das der 1960er-Jahre zurückkatapultiert. Doch zugleich entwickeln Klick und sein Kameramann Jost Vacano visuell das weiter, was sie bereits mit Supermarkt begonnen hatten. So haben die beiden Schlawiner die abstrakten nächtlichen Großstadtlichter vom verranzten St. Pauli einfach in das spießige Simmel-Berlin eingeschleust. Herrlich. Jost Vocano sollte übrigens kurz darauf zum Stammkameramann von Paul Verhoeven werden und mit diesem Flme wie RoboCop und Toal Recall drehen und 1981 auch für Wolfgang Peterson mit der Kamera durch Das Boot jagen.

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White Star

Mit White Star macht Roland Klick 1983 genau dort weiter, wo er neun Jahre zuvor mit Supermarkt aufgehört hatte. In der Zwischenzeit hatte er mit der Simmelverfilmung Lieb Vaterland magst ruhig sein und der Pferderennen-Dokumentation Derby Fever USA zwei Filme gedreht, bei denen er mehr aus Gefälligkeit, denn aus Leidenschaft die Regie führte. Der interessantere, von diesen beiden Filmen, ist die Dokumentation über den mit dem größten Pferderennen der USA einhergehenden allgemeinen Ausnahmezustand. Nach diesem kurzen Ausflug in die Vereinigten Staaten importiert Klick in White Star den amerikanischen Ausnahmezustand in die eigene Heimat. Und dieser Ausnahmezustand trägt einen Namen: Dennis Hopper!

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Der befand sich während des Drehs von White Star auf dem Höhepunkt seiner Kokainsucht und es gibt keine Einstellung im Film, in welcher dem Mimen nicht gerade sichtlich das Koks aus den Ohren herausquillt. Hopper ist immer voll drauf und komplett manisch. Alle ruhigeren Szenen musste Klick ersatzlos streichen, da Hopper maximal zwei Stunden pro Tag zu drehen in der Lage war. Im Interview berichtet Klick davon, dass er Hopper nur dann vor die Kamera zerren konnte, wenn dessen Pegel gerade weder zu hoch noch zu niedrig war. So fängt Hopper im Film immer wieder unmotiviert zu grinsen und hysterisch zu lachen an. Doch Klick gelingt es, dies alles in Hoppers Figur eines abgehalfterten, skrupellosen und erfolgssüchtigen Musikmanagers zu integrieren:

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Hopper spielt Kenneth Barlow, seines Zeichens einstiger Tourmanager der Rolling Stones und Arschloch vom Dienst. Um wieder an einstige Erfolge anknüpfen zu können, hat Barlow es sich zur Aufgabe gemacht, Moody Mudinsky (Terrance Robay) zum nächsten großen Star hochzupuschen, obwohl jener so farblos, wie seine blonde Popperlocke ist. Hierbei setzt Barlow auf die große Inszenierung. So schickt er seinen Popper-Schützling zu dessen erstem Konzert ausgerechnet in einen Punktschuppen, in welchem Moody erwartungsgemäß zuerst mit Bierdosen beworfen und anschließend aus dem Haus gejagt wird. Ebenso bezahlt Barlow heimlich den Chefschläger Frank (David Hess, The Last House on the Left), damit jener dafür sorgt, dass seine Jungs so richtig Rabatz machen.

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Hieß das Spiel in Supermarkt noch jugendliche Loser gegen abgeschlaffte Bürgerliche, so heißt es in White Star Popper gegen Punks! – Und da wird mit harten Bandagen gekämpft, werden Autos zerkloppt und angezündet und da wird der bereits auf dem Kloboden liegende Feind auch noch kräftig angepisst. Doch Koksnase Dennis Hopper lacht sich einen und zeigt den Punks den fett gepuderten Stinkefinger und ruft „Future!“ – statt „no future“. Damit erweist sich Klick als ein wahrer Prophet und präsentiert uns in der Figur des Moody Mudinsky ein blasses und verweichlichtes Würstchen, wie es heute duzendfach durch die diversen Castingshow geistert. – Als Moodys manischer Manager von seinen alten Glanzzeiten mit den Stones prahlt, fragt Moody ganz schüchtern, ob das denn auch bei ihm später zu sein wird … also das, äh … das mit den Groupies …

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Schluckauf

Sechs Jahre nach White Star erscheint 1989 mit Schluckauf Klicks zweiter im Berlin der damaligen Gegenwart verorteten Film. Hierbei ist der Ausdruck „erscheint“ eigentlich unzutreffend, denn Schluckauf wurde aufgrund seines „Nichtbeitragens zur Steigerung der Qualität des Deutschen Films“ im Nachhinein seine Förderung entzogen und von der betreffenden Förderanstalt zwecks Schaffung eines „Präzedenzfalls“ einfach konfisziert und weggeschlossen. Klick war ja längst an widrigste Drehumstände und an herbste Rückschläge gewöhnt. – So entstand Deadlock unter Schutz des israelischen Militärs direkt während des Sechstagekrieges. Der fertige Film sollte in Cannes als Vertreter des aktuellen Deutschen Kinos gezeigt werden. Das hatte Klicks „Kollegen“ vom Neuen Deutschen Film jedoch dazu bewogen, persönlich beim Festivalpräsidenten vorzusprechen und diesem das Zeigen von Deadlock innerhalb des Wettbewerbs erfolgreich auszureden. – Aber nach Schluckauf hatte Klick dann dermaßen die Nase vom Filmgeschäft voll, dass er bis heute (Stand: Ende 2016) keinen Film mehr gedreht hat.

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Schluckauf ist Klicks erste Komödie und auf den ersten Blick erscheint der Film nicht so viel anders, als das, was man von anderen besseren deutschen Komödien aus der Zeit, wie beispielsweise Sönke Wortmanns Der bewegte Mann (1994) her kennt: Das aus der tiefsten norddeutschen Provinz stammende verschüchterte Landei Gertie (Irene Findeisen) zieht über Umwege in der Wohnung des unglaublich hippen Models Chantal (Cathy Haase) in Kreuzberg ein. Wie bei Klick üblich, gilt dessen Sympathie unübersehbar der ein wenig unbeholfenen, aber dafür umso ehrlicheren und authentischeren Gertie – und nicht der oberflächlichen Szenemieze Chantal (Nomen est omen!). Soweit, so klischeehaft. Aber im Verlaufe der Handlung entwickeln sich doch ein paar Dinge ein wenig anders, als man dies von anderen deutschen Komödien her kennt. Insbesondere beginnt irgendwann Deadlock in Schluckauf hineinzumorphen, womit der Film nicht nur die Grenzen des Genres, sondern auch die zwischen Fantasie und Realität gegen Ende komplett sprengt. Das Ergebnis taugt zwar durchaus als ein würdiger Schwanengesang, aber trotzdem ist sehr zu hoffen, dass Klick doch noch ein spätes Comeback startet.

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Zum Schluss noch ein paar Worte zur Verfügbarkeit von Klicks Filmen und zu den DVDs, auf denen meine obigen Besprechungen basieren: Alle hier besprochenen Filme, bis auf Bübchen und Lieb Vaterland magst ruhig sein befinden sich in der tollen Box „Roland Klick -Filme“ von der Filmgalerie 451. Diese bietet drei Kurzfilme, einen mittellangen, und drei Kinofilme von Klick in guter Bildqualität und zu einem moderaten Preis. Hinzu kommen zahlreiche Extras, von denen Sandra Prechtels Klick-Dokumentation The Heart is a Hungry Hunter von 2013 sowie ein Interviewfilm von Frieder Schlaich von 1997 die wichtigsten sind. Den eloquenten und begeisterten Regisseur über seine Filme reden zu sehen ist fast noch schöner, als sich die Filme selbst anzugucken! Aus rechtlichen Gründen fehlen in der Box die Filme Bübchen, Lieb Vaterland magst ruhig sein und Derby Fever USA. Bübchen war einst ebenfalls bei der Filmgalerie 451 auf DVD erschienen und ist nach wie vor auffindbar. Lieb Vaterland magst ruhig sein ist in einer Simmelreihe bei Filmjuwelen (Alive) erschienen und Derby Fever USA geistert immerhin noch als alte VHS von der Filmgalerie 451 in manchen Filmarchiven herum.

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