Dolemite

Von  //  10. Januar 2011  //  Tagged:  //  Keine Kommentare

Ein imdb-User hat DOLEMITE als den Plan 9 des Blaxploitation-Kinos bezeichnet. Kein uninteressanter Gedanke, der auch sinnvoll weitergeführt werden kann. So könnte man Rudy Ray Moore als Blaxploitation-Version von Ed Wood begreifen, denn bei oberflächlicher Betrachtung zeigen sich auffällige Gemeinsamkeiten im filmischen Schaffen der beiden so unterschiedlichen Persönlichkeiten. Beide stecken eigenes Geld, kostbare Zeit und Herzblut in ihre Projekte, beiden mangelt es klar ersichtlich an Finesse und Talent, beide wurden mitsamt ihrer Ideen von den großen Studios abgeschmettert. Der künstlerische Background ist es, der die Filmemacher voneinander abgrenzt, ohne hier einen von beiden als ‚besser‘ bezeichnen zu wollen. Rudy Ray Moore war einer der ersten schwarzen Bühnen-Komiker überhaupt in den Vereinigten Staaten – schon in den 50er-Jahren hatte Moore große Bekanntheit erlangt und veröffentlichte seine Bühnenprogramme auf Schallplatten. Auch seine weniger erfolgreiche Karriere als Musiker verfolgte er hartnäckig, während er zu einem großen Einfluss wurde für Komikerlegende Richard Pryor – allerdings kam er nie zu dessen kommerziellen Erfolg. Auch wenn größere Skandale ausblieben und der Comedian auf der Bühne nach Herzenslust vom Leder ziehen durfte, war er für Film und Fernsehen einfach zu derb und politisch unkorrekt.

DOLEMITE ist eine One-Man-Show, in deren Mittelpunkt Rudy Ray Moore steht – als Hauptdarsteller, Drehbuchautor und Produzent in Personalunion ist der Film ganz auf ihn zugeschnitten. Da kein großes Studio an dem Projekt interessiert war, war dieses Engagement nötig für Rudy Ray Moore, der sich so einen Traum von der eigenen Kino-Hauptrolle selbst erfüllte. Und es soll keineswegs verschwiegen werden, das DOLEMITE ein hundsmiserables Machwerk gewordenist, einen wahren Bastard lässt Moore hier auf sein Publikum los: Stümperhaft geschnitten, bis in die kleinste Nebenrolle grauenerregend gespielt, dramaturgisch ein schlechter Scherz. Eigentlich stimmt so rein überhaupt nichts an DOLEMITE und gerade diese Unbedarftheit, diese fast schon kindliche Ignoranz in Bezug auf Technik (wo man wieder bei Ed Wood wäre) machen den Film so unverschämt sympathisch. Und natürlich Rudy Ray Moore, der hier eine Paraderolle etablierte, die bis heute Kultstatus genießt: Den Zuhälter Dolemite – ein harter Brocken, der nur die nötigsten Sätze spricht, jeden umlegt, der ihm blöd kommt und sich vor willigen Frauen kaum retten kann. Diese Kunstfigur wirkt von der ersten Minute an so überzeugend, weil Rudy Ray Moore sie bereits viele Jahre zuvor entwickelte und zum Gegenstand seiner Stand-Up-Programme gemacht hatte.

Dieser Dolemite ist eine schrille Karikatur, die alle Blaxploitation-Klischees in sich vereint – immerhin war der Pimp ein wichtiger und populärer Charakter-Typ innerhalb des Genres. Während die Martial-Arts-Einlagen in Filmen wie THREE THE HARD WAY an der schwachen Choreographie leiden und nicht an den mangelnden Fähigkeiten eines Jim Kelly, sind die Kampf-Szenen (wie so vieles andere auch) reine Parodie. Hölzern und ohne jede sichtbare Körperlichkeit, dient dienen sie ausschließlich der Belustigung – besonders aufgrund der Tatsache, das Rudy Ray Moore im Gegensatz zu Jim Kelly über keine echten artistischen Fähigkeiten verfügt.

Wo sich Filme wie SUPERFLY noch an einem moralischen Konflikt versuchten, stellt DOLEMITE die Handlungen seiner Hauptfigur nicht in Frage. Der Pimp ist hier ein Freund des Volkes, beliebt bei den armen Ghetto-Bewohnern und in friedlicher Ko-Existenz mit den für ihn arbeitenden Huren lebend. An einer realistischen Darstellung ist Regisseur D’Urville Martin (vor der Kamera als Willie Green zu sehen) ohnehin nicht interessiert – sein Film ist die endgültige Entpolitisierung des Blaxploitation-Genres. Dolemite, dem grundsätzlich keiner ans Bein pissen kann, hat keine Probleme mit seiner Identität, mit rassistischen Vorurteilen oder Benachteiligungen. Dieser Typ nimmt sich was er will, fragt nicht nach Erlaubnis, bittet schon gar nicht um Entschuldigung. Ein typischer Badass-Nigger also, nur mit dem Unterschied, das sich Dolemite nicht mit realen Problemen auseinander setzen muss – die Auflehnung gegen die weiße Tyrannei wird hier nicht zum Thema gemacht. Auch in seinen späten Interviews betonte Rudy Ray Moore immer wieder, das er niemals Schwierigkeiten wegen seiner Hautfarbe hatte. Aussagen wie diese mögen euphemistisch erscheinen, verdeutlichen aber die Distanzierung von politischen Diskursen.

Wie auch immer, Dolemite wird jedenfalls von den Behörden aus dem Gefängnis geholt weil er als Milieu-Kenner und Kampfsport-Supermann kräftig aufräumen soll in der Stadt. Selbst die Justiz (bei der er verständlicherweise keinen guten Ruf hat, angeblich würde kein Anwalt der Stadt seinen Fall aufnehmen) erkennt den populären Pimp also als das kleinere Übel an und tatsächlich haben sich die Umstände verschlechtert in den Slums. Leider spielt die auf dem Plakat angekündigte All-Girl army of Kung Fu Killers eine kaum nennenswerte Rolle – was sich nicht gerade über die Garderobe der Hauptfigur sagen lässt. In beinahe jeder Szene trägt Dolemite ein anderes Outfit, eines schriller und extrovertierter als das andere. Nicht umsonst nennt Rapper Snoop Dogg (ebenfalls für ungewöhnliche Pimp-Kleidung bekannt) Rudy Ray Moore als entscheidende Inspirationsquelle. Mit selbstverständlichem Stolz trägt Moore jedes noch so abgefahrene Outfit und verleiht seinem Charakter bei aller Lächerlichkeit noch eine Würde, welche die Komik um die Figur zusätzlich begünstigt.

Bei allem Vergnügen, das der Film zweifelsfrei bereite kann, ist er doch nicht im klassischen Sinn ‚unterhaltsam‘ – zu sprunghaft und zerfahren wird der Feldzug von Dolemite erzählt, ohne jede Konzentration auf einen übergreifenden Spannungsbogen. Immer mal wieder landet Rudy Ray Moore mit verschiedenen Frauen im Bett, ermittelt nebenbei ganz lässig und schüttelt hin und wieder einen Feind ab. Gegen Ende befindet er sich in seinem Element als er in einem Nachtclub ein Publikum unterhält und seine Entertainer-Muskeln spielen lässt. Doch betrachtet man die einzelnen gelungenen Szenen in ihrer Gesamtheit, fehlt es deutlich an Drive. Unterm Strich ist „Dolemite“ daher eine seltene und sehr obskure Mischung aus gewolltem und unfreiwilligem Humor, aus gelungener Stilisierung und katastrophal missglückter Technik. Echt komödiantisch funktioniert die von Rudy Ray Moore verkörperte Hauptfigur, ihre alberne Kampfkunst, inklusive der ausgeflippten Garderobe und dem gänzlich bescheuerten Umfeld. Die dilettantische Inszenierung erklärt den Film dann aber andererseits zu reinrassigem Trash, für den man unbedingt ein Faible mitbringen muss, um ihn zu goutieren. Die wesentlich bessere Fortsetzung THE HUMAN TORNADO spielt dann aber schon in einer ganz anderen Liga.

USA 1975, Regie: D’Urville Martin

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