Wakefield Poole: Kurzfilme
Von Marco Siedelman // 11. August 2011 // Tagged: Avantgarde, Dokumentation, Porno, Queer, Wakefield Poole // Keine Kommentare
Roger (USA 1977 / 11 Min.)
Ein „erotisches Solo“ des gleichnamigen Pornodarstellers, dessen nebulöse Karriere kurz verlief (seine bekanntesten Rollen spielte er neben Kultstar Jack Wrangler) und über den es kaum Hintergrundinfos zu erhaschen gibt. Vor einem pechschwarzen, alles verschluckenden Hintergrund taucht dieser muskelbepackte Kerl auf, nur um skulpturale Posen einzunehmen und es sich möglichst ästhetisch selbst zu besorgen. Das erinnert an griechische Statuen, ebenso an eine riefenstahlsche Fetischisierung makelloser Körper. Anders als in Andy und Gay Parade nutzt Wakefield Poole in Roger ein stringenteres musikalisches Konzept und untermalt die – keineswegs statisch abgefilmte, sondern im Gegenteil äußerst lebendig arrangierte – One-Man-Show mit einem langsam anschwellenden Percussion-Solo, welches erst sehr spät Gitarrenbegleitung bekommt und zuletzt in psychedelische Rockgefilde abtaucht. Ein vollkommen singulärer Film aus einer Zeit, in der pornografische Kurzfilme prinzipiell nicht mehr marktfähig waren. Wie schon die Boys in the Sand verschwindet auch Roger wortlos im Nichts nachdem er uns elf Minuten lang seinen Adoniskörper vorgeführt hat.
Gay Parade San Francisco 74 (USA 1974 / 12 Min.)
Wie auch in seinen Pornofilmen verzichtet Wakefield Poole in dieser kurzen Dokumentation auf jedes gesprochene Wort – kein Off-Kommentar ordnet das Geschehen ein, erklärt uns Einzelheiten oder stellt Personen vor. Die Parade aus reich geschmückten Autos, herrlich kitschigen Kostümen, liebevoll dekorierten Umzugswagen und massenweise schrägen Vögeln findet bis heute jährlich statt. 1974 nahmen schätzungsweise rund 60.000 Menschen an dieser schon damals gewaltigen Party teil, mittlerweile sind es weit mehr als eine Million pro Jahrgang. Die geschichtsträchtigen Bilder, die Poole hier festgehalten hat, zeigen ein vom aufrührerischen Geist Harvey Milks enthusiasmiertes San Francisco, das zur Pilgerstätte einer schwulen Revolution wird und die Freigeistigkeit dieser Bewegung freudig in sich aufnimmt. Als Zeitdokument somit wirklich unbezahlbar: Man ist sogar geneigt, dem Film seine beliebige Montage zu verzeihen, handelt es sich streng genommen doch ohnehin nur um fragmentarische Impressionen, um ein besseres Urlaubsvideo vor aufregender Kulisse.
Andy (USA 196? / 10 Min.)
Wakefield Poole dokumentiert in diesem eigenwilligen Kurzfilm eine Retrospektive für Andy Warhol im New Yorker Whitney Museum of Modern Art. Sein Blick ist nicht nur der eines Freundes sondern vielmehr der eines interessierten Kunstsammlers, der die einzelnen Stücke auf Details abklopft. Die Kamera sucht die Gemälde ungeduldig nach Feinheiten und Unterschieden ab, streift neugierig forschend umher, kann sich kaum satt sehen aber auch keine Ruhe finden. Auf der Soundspur tummeln sich sphärische indische Traditionsmusik, dunkle Percussions, blumige Klassik, schwermütige Opernarien und verzerrte Popmusik, wie aus einem kaputten Radio von Störgeräuschen unterbrochen. Abgebildet ist so ziemlich das, was man auch heute noch direkt mit Warhol assoziiert: Marilyn Monroe, Elvis Presley, jede Menge Blumen, Tomatensuppendosen – alles doppelt und dreifach und natürlich schön bunt. Ein ganz ähnliches Werk hat Kenneth Anger Jahrzehnte später mit The Man we want to hang inszeniert, der sich auf die gleiche Weise mit den Gemälden von Aleister Crowley beschäftigt. Der gesamte Film ist in der Kamera geschnitten und entstand in den Spätsechzigern als Geburtstagsgeschenk für Warhol, dessen Factory zu dieser Zeit bekanntlich auseinander brach. Die Pop-Art-Sphinx wird sich gefreut haben.
Regie: Wakefield Poole