The Villain still pursued her

Von  //  4. Juli 2011  //   //  Keine Kommentare

Das erste Beispiel postmoderner Verfremdungstechnik im kommerziellen Hollywood-Film (oder einfach bewusster, also falscher „camp“) ist diese eigenartige Verfilmung des 1843er Reißers „The Drunkard“ (https://en.wikipedia.org/wiki/The_Drunkard), der in melodramatischen Farben den Verfall eines jungen Mannes durch den Dämon Alkohol und seine letztliche Errettung schildert und dessen Aufführung schon ein Highlight von W.C. Fields‘ THE OLD-FASHIONED WAY (1934) geboten hatte. Fields‘ Film, selbst in der Vergangenheit angesiedelt, schildert die Geschehnisse vor und hinter der Bühne mit Humor, aber auch Sympathie; THE VILLAIN hingegen glaubt, es wäre schon komisch, wenn Drehbuch und Darsteller so tun, als schrieben wir noch 1843.

Dieser Ansatz wird freilich nicht konsequent durchgehalten. Während das Script viele Dialogpassagen des Stücks übernimmt, fühlen die Verantwortlichen sich – seltsam genug in einem Film, der Pathos als komische Sache sieht – öfters bemüßigt, abzumildern: So werden etwa aus „heavenly songsters“ profane „birds“, und die kostbare Reaktion des Helden auf den Anblick der Heldin wird komplett gestrichen: „This, then, is the widow’s child, nurtured in the wilderness. She knows not the cold forms of the fashionable miscalled world.“ So etwas wirft man doch nicht weg!

Die darstellerischen Übertreibungen laufen nicht nur der Absicht zuwider – die volle Absurdität des Stückes kann erst durch ernsthafte Darstellung ans Licht kommen – , sondern klappen auch nicht: Der junge Held Richard Cromwell chargiert zwar tapfer, findet aber keinen Halt, Margaret Hamiltons Darstellung der armen, doch edelmütigen Witwe ist ein Modell der Zurückhaltung gegen ihre böse Hexe in WIZARD OF OZ, Hugh Herbert ist Hugh Herbert und Alan Mowbrays schurkischer Rechtsanwalt führt sich auf wie Vincent Price in einem TV-Skit mit Red Skelton – in der Tat könnte der Film ein breit ausgewalzter Sketch aus einer 1950er TV-Show sein.

Aus Angst vor der eigenen Courage unterläuft der Streifen überdies alle paar Minuten seine eigene Prämisse und versucht sich durch „normale“ Comedy Bits zu salvieren (incl. Tortenschlacht), die aber den angestrebten Effekt eher verwässern und den Zuseher überdies dazu verleiten, viele Abstrusitäten der Vorlage (etwa die Nebenhandlung mit der Irrsinnigen) nur als billigen Witz der Filmemacher zu sehen. Und der denkwürdigste Moment wurde mit rein filmischen Mitteln realisiert, die sich ansonsten im Werk von Eddie „This ain’t no fucking art movie!“ Cline durch Abwesenheit auszeichnen und erst recht nicht ins Umfeld passen.

Der Film liegt hier https://www.youtube.com/watch?v=vd5n2NK55P8 und hier https://www.archive.org/details/TheVillainStillPursuedHer1940, aber man sehe sich doch lieber die Wheeler & Woolsey-Ausnahmeerscheinung DIPLOMANIACS (1933) an: Louis Calhern schurkt fieser als Alan Mowbray, Hugh Herbert ist als Chinese glaubhafter denn als Sozialreformer und einige surreale Momente sind ihrer Zeit Jahrzehnte voraus („I want a vamp!“). Text dazu demnächst an dieser Stelle.

USA 1940, Regie: Edward Cline

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Über den Autor

Andreas Poletz (1185 bis 1231), aus Chorazin gebürtig, beschrieb seine Seele als »einen schrecklichen Sturm, umhüllt von ewiger Nacht«, und behauptete, dass er aus Verzweiflung begann, seine Hände und Arme zu zerfleischen und mit den Zähnen bis auf die Knochen zu zernagen (incipit manus et bracchia dilacerare et cum dentibus corrodere useque ad ossa). Ist aber nicht wahr.

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