Pure Love (aka Unforgettable)
Von Jamal Tuschick // 4. Juli 2019 // Tagged: Asien // Keine Kommentare
Erinnerungen an das Kassettenzeitalter. „Pure Love“ aka „Unforgettable“ erzählt in einer fast zweistündigen Rückblende von einem Sommer der Freundschaft Anfang der 1990er Jahre auf einer koreanischen Insel.
Den Erzählanlass stiftet ein Leserbrief, der den Radiomoderator Hyeong-joon (Park Yong-woo) an seinem Arbeitsplatz erreicht und einen Erinnerungssturm auslöst. Zu Beginn der Reminiszenz erreicht ein Schwung Heranwachsender seine Herkunftsinsel in Ferienlaune. Beom-sil und seine Freunde gehen in Seoul zur Schule. Das würde sehr gern auch Soo-ok, doch hält sie eine Behinderung davon ab. Soo-ok ist das Goldstück im Sparschwein der Geschichte. Sie atmet in einer überirdischen Aura. Ihre Träume fordern den Himmel heraus. Sie hat das Zeug zur Stilikone (und einen beschränkten Vater). Kein Wunder, dass Beom-sil auf sie abfährt.
Die Clique feiert auf einem Boot, ihre Ausgelassenheit kennt keine Grenzen. Man neckt sich handfest, das ist stets Erziehung.
Ein autoritäres Menschenbild scheint durch die Spielanordnung. Man erkennt die Verordnungen, die sich von Petulanz nicht erschüttern lassen. Überall wirken die Gesetze einer konformistischen Gesellschaft.
Niemand darf aus seiner Gruppe ausscheren.
Einmal bemächtigt sich der Freundeskreis eines Kahns und nimmt die auf dem Fuß folgende Kollektivstrafe vorbildlich hin. Jeder drängt zum Gericht, das ein mit dem Stock strafender Bruder hält. Beom-sil ist in diesem Bund der Jüngere, dabei nicht weniger einsichtig als die Schar im Übrigen.
Auch Soo-ok besteht auf ihr Stück vom Sanktionskuchen. Sie fleht den Stockmeister an, dass er sie nur nicht auslasse in verschonender Absicht. Das wäre Diskriminierung.
Viele Szenen wirken überzeichnet. Die jugendliche Vorzüglichkeit der Schauspieler*innen wird bis zum Exzess hochgefahren und herausgestellt.
Soo-ok verteidigt ein leises Interesse an einem inselfremden Arzt, der als ihr persönlicher Heiler auftritt, die größten Versprechungen aber nicht halten kann.
Der Film spielt mit nostalgisch inszenierten Sujets des Kassettenzeitalters. Die westliche Kulturindustrie walzt Schneisen in provinzielle Verhältnisse. Das Vollbild der Verheerung im Hochglanzformat liefert der desillusionierte Radiomacher auf der Gegenwartsleiste des Geschehens. Man kann das Handlungsjetzt auch als Ausblick in die Zukunft betrachten, je nachdem wie stark man sich von dem Rückblendencharakter der Hauptereignisse festlegen lässt.
Interessant finde ich, wie selbstverständlich „Pure Love“ in einem christlichen Milieu ankert. Das Christentum ist in Korea eine diasporische Angelegenheit. Der Vatikan ignoriert die Teilung.
Unforgettable /Pure Love, Spielfilm, Korea 2016. Regie: Lee Eun-Hee. Mit Do Kyung-soo, Kim So-hyun, Park Yong-woo, Hyeong-joon.