DVD: The Whiskey Bandit
Von Michael Schleeh // 28. Mai 2018 // Tagged: Banküberfall, featured, Heist-Film, Ungarn // 1 Kommentar
Um gleich damit anzufangen, was an diesem Film wirklich gut ist: das ist die Musik. Droniger Trip-Hop, leicht noisig und extrem langsam, also atmosphärisch bis zum Anschlag, frisst sich das Ganze in den Kopf und entschleunigt alles das, was sonst im Action-, oder besser: im Heist-Film schnell und rasant ist. Bis in die gefühlte Zeitlupe hinein. Nur: es ist gar keine Zeitlupe. Die Verfolgungsjagd über die Altstadtgassen von Budapest sind hoch rasant, spektakulär inszeniert und mit einer gewissen Härte, die uns das CGI-Kino größer budgetierter Projekte schon längst hat vergessen lassen. Hier knallt’s, und dann knallt’s eben richtig. Und aber dazu: diese Musik, die in ihrer Verlangsamung eine enorme Bildspannung aufbaut, dass man sich der Epik (obwohl es visuell gar nicht episch ist), nicht widersetzen kann. Es ist eben vor allem eins: eindringlich.
Hier geht es um was, nämlich um das Leben eines Anti-Helden, die Biographie eines dreisten Bankräubers, der bereits 29 Banken plus minus ausgeraubt, und – klar: moralisch weiße Weste – niemals jemandem etwas zuleide getan hat. Schwer bewaffnet zwar, aber nie einen Menschen gefährdet. Das sieht vermutlich ein Bankangestellter anders, der traumatisiert den Scherbenregen abbekommen hat, aber in den Augen von Attila Ambrus sind das Kinkerlitzchen. Der ermittelnde Kommissar, der klassisch ziemlich dick ist, schwitzt, viel raucht und einen Vollbart hat, sieht das auch so: Gewalt, die kann auch psychisch sein. Attlia hat da noch nie drüber nachgedacht. Wie auch seine Geliebte wenig drüber nachdenkt (sie studiert, sieht gut aus, stammt aus gutem Hause), woher der ganze Zaster eigentlich kommt.
Man hat es hier schon mit einigen Klischees und Stereotypen zu tun, aber wir befinden uns auch in der Welt des Genrekinos, in dem verschiedene Konstanten den Rahmen bilden für eine mehr oder weniger originell variierte Geschichte. Ein leichter Rassismus ist durchaus auch zu spüren, denn Attila stammt ursprünglich aus Transylvanien, ist also Rumäne, und will unbedingt einen ungarischen Pass. Das passt so einigen Ungarn nicht so recht, dass ein Fremder die ungarischen Banken hochnimmt. Das scheint so ein doppeltes Vergehen zu sein, das besonders verwerflich ist. Aber dann wieder: Besonders erwähnenswert – neben der oben erwähnten Verfolgungsjagd – sind noch die stimmungsvollen Aufnahmen aus dem Flashback zu seinen Jugendjahren auf dem Land. Dort fällt Antal viel Sehenswertes ein, da hat er ein gutes Auge fürs Detail. Ebenso in der bizarren Kino-Szene, wo es einen Konflikt beim Popcorn-Kauf gibt.
Nimród Antal ist mit Kontroll (2003) bekannt geworden, und dann kennt man eventuell noch seinen Hollywood-Film Predators (2010). So richtig vorne war er nie dabei, bei den Top-Filmemachern seiner Zunft, aber mit diesem Film, der insgesamt „grundsolide“ ist, dürfte er wieder einen Fuß in der Türe haben. Auch wenn das jazzig-episch angelegte, sich an der Biographie eines Superschurken entlanghangelnde Blockbusterkino nicht Antals Spezialgebiet zu sein scheint. Es wäre toll, wenn Antal mal einen schmutzigen Spätwestern machen würde, oder einen Revolutionsfilm mit Erdäpfeln und Bauernopfern. Wir sind gespannt.
The Whiskey Bandit – Allein gegen das Gesetz, Ungarn 2017; Regie: Nimród Antal.
Der Film ist am 24.5.2018 bei Koch Media als Blu-ray und DVD in gewohnt souveräner und schlanker Edition erschienen. Es befinden sich die üblichen minimalen Extras auf der Scheibe, das VoD gibt es bereits seit dem 17. Mai.
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