Der Perser und die Schwedin
Von Silvia Szymanski // 29. Dezember 2015 // Tagged: Angst im Kapitalismus, Beat, jazz, Nachtclubs, Sex, Skandinavien, Studenten // Keine Kommentare
Anlässlich der noch bis zum 31. Januar 2016 laufenden Crowdfundingkampagne zur Digitalisierung dieses charmanten Sonderfilms veröffentliche ich hier noch einmal meine, etwas überarbeitete, Besprechung von 2013. Ich schrieb sie in meinem Filmtagebuch einer Dreizehnjährigen, als die Entdeckung dieses vergessenen kleinen Juwels das Highlight des 10. Hofbauerkongresses war.
Informationen und Video zur Crowdfundingkampagne unter: https://www.rettet-die-schwedin.de/
DER PERSER UND DIE SCHWEDIN / JEUNESSE PERDUE (Akramzadeh, Schweden 1961)
„Für Mustafa sind der Tag und die Vorlesungen ein leider notwendiges Übel. Die Nacht und ihre Verlockungen dagegen, sind sein wirkliches Leben. Mädchen bedeuten für ihn alles! Sie sind für ihn die Erfüllungen seines verworrenen Lebensbildes. Wahllos und mit grenzenloser Unbekümmertheit jagt er ihnen nach und stürzt sich in zweifelhafte Abenteuer“: So kommentiert ein Off-Sprecher im sachlich-vorwurfsvollen Reporterton das bohemienhaft stylische und betrunken schöne Treiben der der Hauptfigur und der anderen jungen Männer und Mädchen in dem Film. Man weiß über Akramzadeh, den Regisseur, und seinen Film praktisch nichts, aber ich glaube, dass der Humor, der in dieser Kontrastierung steckt, nicht unfreiwillig ist. Ich stelle mir Akramzadeh als eine Art Marran Gosov vor, der selbstironisch wusste, was er tat, stehe damit aber ziemlich alleine da und kann natürlich völlig falsch liegen!
Auf mich wirkt der Film wie ein Spiel mit den ägyptischen Melodramen der 50er Jahre, ihrer charakteristischen dramatischen Musik und ihrem speziellen Overacting, versetzt in ein existentialistisch und nouvelle-vagueig angehauchtes, schon mächtig swingendes London. Dort lebt der unverantwortliche Langzeitstudent Mustafa von dem Geld, das ihm seine Eltern aus dem Iran schicken, bis das Schicksal ihm den Geldhahn zudreht. Großes Pech für seine schwedische Freundin, die er in sein Lotterleben hinein gezogen hat…
Unter dem Vorwand, die Lasterhaftigkeit des eigenen, fragilen Lebensstils anzuprangern, ist der Film, so glaube ich, in Wirklichkeit eine Feier dessen leuchtender Schönheit und der unschuldigen Lässigkeit des Freundeskreises, aus dem anscheinend sämtliche Mittäter und Opfer besetzt wurden. Die Story und der spielerische, freudig überzeichnende Dilettantismus aller erinnern mich an eine Stummfilmbohème. Wenn sie so wild trinken, rauchen und die Verkommenheit des Nachtlebens darstellen, sind sie so unfassbar süß wie Kinder in Erwachsenenklamotten. In den Bildern und Ausschnitten unten sehen wir: ein Mädchen in einer Bar, im niedlich übergroßen Pelz, mit Fluppe – eine Art Kaiserin Soraya im Exil; die schlanke Schönheit trinkt sich Mut an für ihren ironisch sophisticated, grazil stilisierten Striptease. Wir sehen die jean-seberg-hübsche Hauptdarstellerin, die lieb und brav versucht, ihr Studium durchzuziehen, während ihre Freunde sie zum Nachtleben, Sex und dessen unglückseligen Folgen verleiten. Ihre Freundin, eine rockig-abgerissene, blonde Sirene. Die jazztrommelnde Band im Keller. Die Geburt des Babys im Hinterzimmer, durch einen sträflich nonchalanten, befreundeten Arzt, der, noch ganz bedöselt vom Suff und Sex mit seiner Freundin, aus dem Bett geklingelt werden muss. Es ist ein wundervoller Film – bestechend liebevoll, sehr lebhaft, schattig glitzernd und burlesk, und überall sind kleine Teufel drin versteckt und kichern.