El Club / The Club
Von Michael Schleeh // 8. Oktober 2015 // Tagged: Berlinale, Chile, featured, Gesellschaftskritik, Kirche, Windhundrennen // 1 Kommentar
Die Cinemascope-Bilder in diesem Film sind bleich und trüb durch die Lage des Ortes am Meer, oft geradezu undurchsichtig. Die geringe Tiefenschärfe und die reduzierte Farbpalette lässt alles, was nicht im unmittelbaren Zentrum steht, verschwimmen (und macht aus dem Film einen optisch absichtlich ziemlich hässlichen Film). Mit Arvo Pärt auf der Tonspur ist dann auch auf akustischer Ebene für ausreichend sakrale Überhöhung gesorgt (oder hört da jemand etwa Sarkasmus heraus?). Aber die Bilder des Films zwingen den Zuschauer ins Hier und Jetzt zu blicken. Das ist eine gewisse gegenläufige Bewegung und baut Spannung auf. Zumindest eine Zeit lang. Der Ort: ein hässlicher, abgeranzter Outpost an der chilenischen Küste, zwischen Bretterhütte und Behausung kaum ein Unterschied. Die Stromkabel führen zu den besseren Vierteln des scheinbar gottverlassenen Ortes. Wenn Betrunkene auf der Straße grölen, dann stört das hier niemanden. Besucher kommen nur an diese raue Küste um den Hund auszuführen, oder um den Wind und die Wellen zu besurfen. Archaisch geht es zu, die Familien bekriegen sich so offensichtlich wie symbolisch beim sonntäglichen Hunderennen. Windhunde sind ein einträgliches Geschäft.
Die Männer, allesamt ehemalige Priester, leben in einem Haus hoch über dem Meer und verbringen ihre Tage mit Gesprächen, Gebeten, Essen und Trinken. Alkohol ist jedem ein guter Begleiter durch die leeren Tage. Eine langmütige Ordensschwester kümmert sich. Die Ruhe wird schließlich gestört durch einen obdachlosen Betrunkenen, der einen der Männer des sexuellen Missbrauchs bezichtigt. In äußerst drastischen Worten werden die Vergehen des Mannes in die nasskalte Dämmerung gebrüllt, dann, plötzlich, taucht ein Pistole auf und das Unheil nimmt seinen Lauf.
Und das war nur der Auftakt zur langsam heraufschleichenden Katastrophe, in der diese Männer schon lange stecken, und was sie lange Zeit allzu gut verdrängen konnten. Da kommt dann plötzlich ein schöner Mann ins Haus, mit einem tollen Bart und ruhigen Augen und schnittigen Wollpullovern, geschickt von der „neuen Kirche“ um aufzuräumen mit den alten Peinigern, die reihenweise sich an jungen Schutzbefohlenen vergingen. Er ist ein Ermittler, Psychologe und studiert in dubiosen Sozialwissenschaften. Vorbei die ruhigen Tage der klösterlichen Einsiedelei, in der es sich die Täter doch recht gemütlich eingerichtet hatten. Die Verhöre beginnen, die Vergangenheit kehrt endgültig zurück.
Den Bildern wohnt eine große Spannung inne (die manchmal allerdings auch etwas penetrant wirken können), und obwohl nicht viel mehr als triste Umgebung, schlechtes Wetter und Männerdialoge den Ablauf von EL CLUB bestimen, so ist der Film doch durchzogen von einer tiefen inneren Beunruhigung, einer Spannung, wie wenn ein Lunte angezündet worden ist, die jeden Moment eine Explosion auslösen kann. Denn die ganzen Lagen an Kleidung, die die Männer hier tragen, Unterhemden und hoch zugeknöpfte Karohemden, darüber Pullunder und nochmal einen Wollpullover, können nicht die Vergehen ihrer zerstörerischen Fleischeslust verdecken, die so tief verborgen liegen. EL CLB ist ein Paradebeispiel für „relevantes Arthousekino“ – und wie man das bewertet, dazu sei heute einmal jeder selbst aufgefordert.
El Club / The Club, Chile 2015; Regie: Pablo Larraín.
EL CLUB hat bei der Berlinale 2015 den Silbernen Bären gewonnen und startet am 5. November in den deutschen Kinos.
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