Sophies Schwester
Von Jamal Tuschick // 10. Juli 2015 // Tagged: Deutsches Kino, Dokumentation, featured // Keine Kommentare
Mildes Schwäbisch
Sophies Schwester – Hanna Laura Klars Dokumentarfilm über Sophie Scholls Schwester Elisabeth Hartnagel
Pazifist war Robert Scholl schon, als die Welt im 20. Jahrhundert zum ersten Mal in Brand gesetzt wurde. Scholl wusste, „dass Hitler Krieg bedeutet“. Seine Kinder glaubten zuerst, der Vater wolle mit rückständigen Ansichten den Lauf der neuen Zeit aufhalten. Elisabeth Hartnagel erinnert sich daran in einem Film von Hanna Laura Klar. Man sagt Klar eine Begabung für vorsichtige Annäherungen nach. So lobt man Jäger.
Elisabeth Hartnagel heiratete gleich nach dem Krieg den Freund der ermordeten Schwester. In mildem Schwäbisch und ohne gestischen Aufwand trägt sie Familiengeschichte vor.
Man sieht die Greisin mit vom Star getrübtem Blick vor Kindern. Die Unzuständigkeit der Kinder für den „Alptraum Geschichte“ (Joyce) übergeht Hartnagel nicht.
„Wir Mädchen waren alle schüchtern“, sagt sie. „Die Mutter war fromm.“
„Bei uns zuhause wurde unaufhörlich gebacken.“
„Die Mutter hat ja auch noch den Werner im Krieg verloren und wollte das lange nicht wahrhaben.“
Nach der Ermordung von Sophia und Hans Scholl in München-Stadelheim: „wollte mein Vater, dass die ganze Familie aus dem Leben scheidet“.
Das Lillian Groag-Stück Die weiße Rose liefert dem Film Erklärungen in Einspielungen – und Hartnagels semi-privatem Text eine historische Folie.
Ortsbegehungen, Schauplatzabbildungen, alte Fotos zieht der Film als Zeugnisse heran. Zwei, drei Mal kommt Naturlyrik ins Spiel. Beschworen wird der Himmel über Ulm, wo die Geschwister aufwuchsen und kritisch wurden, und die Donau. Solche Stellen zeigen, wie leicht man so etwas schlecht machen könnte.
Klar musste sich keine Ästhetik des erinnerten Schreckens ausdenken. Sie fand eine ideale Lösung in der Klarheit ihrer Protagonistin. Die Regisseurin behauptet: „Elisabeth Hartnagel hat sich genommen, was sie wollte.“
Das gab ihr die Kraft, die an Sophie Scholl gerichtete Feldpost ihres Mannes, Fritz Hartnagel, der Veröffentlichung zuzuführen.
„Nur ich konnte seine Handschrift lesen.“
Eine Schülerlesung der Briefe zählt zu den unabweisbaren Szenen. Da sagt dann so ein Junge im Jetzt, den Offizier Hartnagel im Krieg zitierend:
„Sophie, ich möchte in dir versinken dürfen.“
Dokumentarfilm von Hanna Laura Klar, Deutschland 2006, 52 Min.