Fifty Shades of Grey
Von Jamal Tuschick // 23. Februar 2015 // Tagged: BDSM, featured, Sexualität // Keine Kommentare
Du darfst nicht lachen, wenn ich dich haue
„Fifty Shades of Grey“ hätte auch ein guter Film werden können
Nicht Jane Austen oder eine Brontë brachte Anastasia Steele (Dakota Johnson) auf den Geschmack einer blaustrümpfigen Existenz. Thomas Hardy, ein englischer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, der schließlich nur noch Gedichte schrieb, gibt ihren Sehnsüchten die richtigen Betonungen.
Anastasia studiert Literaturwissenschaften und jobbt altmodisch in einem Heimwerkerparadies. Sie fährt einen Käfer, sie hat eine exzentrische, zum vierten Mal verheiratete Mom. Eine Mom, die verliebt sein muss, weil das ihr Kick ist. Eine unzuverlässige, aber garantiert enttäuschende Mom. Diese Mom lebt als MILF-Monster in Savannah, Georgia. Taucht sie auf der Leinwand auf, sieht man vor allem einen Mund. Der Mund passt einem weißen Hai als Maul. Anastasia bewahrt sich in Erwartung des Richtigen. Ständig beißt sie sich in die Unterlippe. Sie trägt Kleider, die zum Käfer passen. Bestimmt guckt sie gern Filme aus den Siebzigern, Filme im Stil der „Love Story“.
Anastasia wohnt mit einer Matrone zusammen, die ihre Gutmütigkeit auf die Probe stellt.
Christian Grey (Jamie Dornan) hatte „einen schweren Start ins Leben“. Seine Mutter war eine süchtige Prostituierte. Sie gab ihn ab, Christian kam zu vermögenden Leuten. Die setzten ihn an ein Klavier. Da sitzt er noch nach dem Sex, freibrüstig und nicht ganz so dekorativ wie die Umgebung. Die soeben deflorierte Anastasia hat beim Vorspiel das Klavier berührt und die Frage aufgeworfen: „Spielst du?“
Um sich selbst zu antworten: „Natürlich spielst du.“
Jetzt weiß sie auch, was hinter dem Spiel steckt. „Du hast es gelernt, um den Leuten zu gefallen, die dich aufziehen sollten.“
Ganz schön clever. Anastasias analytische Schlagfertigkeit schält Christian aus seinem Panzer. Als Jugendlicher wurde er von einer Älteren missbraucht und deutete das als Initiation um. Vermutlich drückte die Frau auch Kippen auf seiner Brust aus. Das würde Narben erklären. Die Domina gab Christians Dominanz die Richtung. Seine Gespielinnen müssen eine Verschwiegenheitserklärung abgeben und einen Vertrag unterschreiben, der den Geschlechtsverkehr regelt. Anastasia ist die 16. Vertragspartnerin und in dieser Eigenschaft sperriger als ihre Vorgängerinnen.
Leute, die es wissen könnten, halten Christian für herzlos. Sein Wohlstand sprengt die Grenzen gewöhnlichen Reichtums. In Seattle ragt das „Grey House“ auf. In einer frühen Einstellung steht Anastasia vor dem Komplex und … beißt sich in die Unterlippe. Ihrer Kragenweite entspricht ein Fotograf kurz vor seiner ersten Ausstellung. Aber nein, dieser Christian mit seinen Verträgen setzt gleich den Hubschrauber und sich als Piloten ein, um Anastasia zu beeindrucken. Mit Protz will er sie gefügig machen. Der Protz zieht auch. Vermutlich glaubt Anastasia aber, dass sie sich trotz und nicht wegen des Protzes in Christian verliebt hat. Er ist für Anastasia der richtige Mann so wie der Käfer für sie das richtige Auto ist. Anastasia deklariert den Käfer als classic car, Der Schalk sitzt ihr im Nacken. Einmal passiert das Paar einen Aufmarsch der Boliden.
Anastasia: „Welcher ist deiner?“ Christian: „Alle.“ Darunter macht er es nicht.
Anastasia findet das niedlich. Sie beißt sich in die Unterlippe und erzieht Christian zu Sprachspielen. Es ergibt sich die Gelegenheit, ein geflügeltes Wort aus dem Schweigen der Lämmer anzubringen – Hannibal Lecters „Bereit, wenn Sie es sind.“ Anastasia erkundet Christians Liebeslücken. Sie akzeptiert Unterwerfung ohne (bedeutenden) Schmerz. In der Zwischenzeit öffnet sich Christian in einem schmerzhaften Prozess. Darum geht es in „Shades “, wenn man sich den Film so anguckt, als wäre er nie über kleine Kinos hinausgekommen. Als habe man mit kleinem Geld eine ordentlich schmierende Versuchsanordnung hingekriegt und zwar nicht nach einer millionenfach verbreiteten Vorlage, sondern mit einem Drehbuchdebüt und ohne einen Roman im Rücken. Dann bietet sich die Aussicht auf einen Mann, den noch keiner mit einer Frau in der Öffentlichkeit gesehen hat. Seine Menschenfängerfähigkeiten lassen sich nicht bestreiten. Wer mit ihm intim wird, erkennt dass er unnahbar bleibt. Nun kommt Anastasia und sorgt dafür, dass Christian sich fremd wird. Sie dreht an der Schraube seiner Liebesfähigkeit. Das erlebt Christian als Risiko. Um sich vor Kontrollverlust zu schützen, presst er Anastasia in sein Programm. Anastasia versteht nicht, dass er über sich ein Liebesverbot verhängt hat. Das in eine Dornrose verwandelte Hurenkind macht Zugeständnisse. Christian stellt einen „normalen“ Abend jede Woche einmal in die Zone seiner Bereitschaft. Im Gegenzug soll Anastasia als Erfüllungsgehilfin seiner Wiederholungszwänge bitte nicht lachen. Christian fleht sie an, devot zu sein. Das geht natürlich nicht. Anastasia beißt sich bloß wieder in die Unterlippe.
USA 2015, Regie: Sam Taylor-Johnson, mit Dakota Johnson, Jamie Dornan, Luke Grimes