In einem Atem
Von Jamal Tuschick // 6. Dezember 2014 // Tagged: Deutsches Kino, featured // Keine Kommentare
Randalierende Springmaus
„In einem Atem“ zeigen Steffen Mensching und Simone Thomalla als Andreas und Sabine, wie Liebe nicht geht
„In einem Atem“ könnte auch „Außer Atem“ oder „Andreas rennt“ heißen. Die ersten Bilder fassen eine wüste Gegend in Bulgarien auf. Ein Ostberliner arbeitet da auf einer Großbaustelle. Andreas ist der Studierte mit Brille unter lauter Manne Krug-Verschnitten. Sein Leben scheint festgefügt. In der Hauptstadt wartet Sabine auf ihn. Andreas denkt an sie wie an eine Ehefrau, auch wenn das Paar den Trauschein noch entbehrt. Der Film beginnt kurz vor Weihnachten im Augenblick einer vernichtenden Nachricht. Sabine hat einen Neuen. Andreas rastet ohne Verzögerung aus. Sein nervöses Temperament macht aus ihm eine randalierende Springmaus. Er will auf der Stelle Urlaub. Er kriegt, was er will, von einem vorbildlichen Vorgesetzten. Der Vorgesetzte ist so handfest wie verständnisvoll. Er ist der Weihnachtsmann in der Geschichte, die den real existierenden Sozialismus hochfährt bis zur internationalen, perwollgespülten Wettbewerbsfähigkeit. Ohne Ahnung, dass dieser Staat gleich vorbei sein wird. Am Ende sieht man Andreas in einer fabelhaften DDR-Zukunft. Dann sieht alles so aus als wäre alles Westen. Am Anfang rast Andreas durch eine Winnetoulandschaft nach Sofia und schlägt dann sofort in der Berliner Dimitroffstraße (heute Danziger Straße) auf. (Der Film schenkt sich den Flug.) Gleich fängt er sich eine, Andreas wird ständig gehauen. Steffen Mensching spielt den unwahrscheinlich einfallsreichen, durchsetzungs- und widerstandsfähigen Andreas ohne Angst vor Übertreibung. Ständig läuft Andreas irgendwo gegen. Mensch, pass doch auf, möchte man ihm raten. Aber klar, der junge Mann ist beratungsresistent. Er scheint nur noch einen Freund zu haben, einen phlegmatischen Doktoranden, der mit Frau und Kind so beengt wie studentisch-gemütlich wohnt. Der Freund lässt sich vom aufgeregten Andreas einiges einschenken, nicht nur Schnaps. Er hilft gern, solange es nicht zu anstrengend wird. Er weiß Bescheid, Sabine wohnt jetzt Oranienburger Straße 37. Der Neue ist Wasserballer, beim ersten Kontakt fliegt Andreas durch das Treppenhaus. Mit Schläue dreht er die Machtverhältnisse, verbale Schlagfertigkeit ist sein Markenzeichen. Andreas verkündet: „Ich entführe seinen Trabant und presse Sabine frei.“ Doch der Sportler fährt Bus, Sabine bringt ihn zur Haltestelle. Simone Thomalla spielt Sabine mit einem Hauch von Damenbart in signalfarbigen Strickkleidern. Sie verkörpert den Hauptstadtschick in der Disko-Version. Darüberhinaus erinnert sie an Sylvester Stallone, bei dem auch nur die Muskeln spielen. Bei Sabine sind die Muskeln ein Schmollmund. Andreas könnte froh sein, dass er sie los ist, stattdessen verfolgt er Sabine. Kurz entkommt sie in Zeitlupe. Simone Thomalla schwebt hochmodern über Berliner Bürgersteigen. Ich will das gar nicht so spöttisch erzählen, Andreas gelingt es, sich in Sabines Nähe zu akkreditieren. Er ist findig bis zur Spitzfindigkeit, der Schlaumeier in jedem Team. Durchaus nicht ohne Fortune. Sabine imponiert die Hartnäckigkeit des Verflossenen, sowieso nimmt sie ihm seinen Touren nicht krumm. Diese Liebe glüht bei ihr nach, Andreas rührt sie. Wie er an allen Türen rüttelt und ihr nachsteigt. Er trickst und täuscht, er macht und tut und wirbelt dabei den Staub im DDR-Alltag auf. Ein „Innenklo“ findet besondere Erwähnung. Schließlich gerät Sabine in Quarantäne (in Friedrichshain). Andreas hat sie mit Unfug ins Krankenhaus gebracht, das hätte er besser nicht getan. Er verschafft sich Zutritt und verlädt den Wasserballer, der wie ein faules Fotomodell wirkt. Vielleicht möchte jemand den Film sehen, deshalb erzähle ich ihn nicht weiter.
DDR 1988 – 93 Minuten – 35mm – R: Dietmar Hochmuth – K: Jürgen Lenz, Erich Gusko – mit Steffen Mensching, Simone Thomalla, Cornelia Kaupert, Michael Walke, Götz Schubert, Hans-Eckart Wenzel