Hotel Nooteboom
Von Jamal Tuschick // 28. Februar 2014 // Tagged: Dokumentation, Literatur // Keine Kommentare
Foto: Wikipedia/www.reserv-art.de
Der Zeit überlegen – Es gibt einen Kinofilm über Cees Nooteboom
Cees Nooteboom beschäftigt das Verhältnis von Sprache und Zeit. Er kontert die Drohungen der Zeit mit einer Idee. Für ihn ist die Welt das Forum einer Gleichzeitigkeit von allem, was denkbar ist. Nooteboom verlässt so eine Provinz der Übereinkünfte. Man kann das „elegant“ finden, so wie Marie Depussé, eine Freundin des Autors, die in einem Film zu Wort kommt, den Heinz Peter Schwerfel über den Schriftsteller vor zehn Jahren drehte.
Ich bin Nooteboom begegnet, er kam in Cowboystiefeln zu Empfängen. Verkrümelte sich das Amuse Gueule auf Lang- oder Hochflor, kickte er es generös in eine Ecke, ohne das Gespräch mit Giorgio Agamben oder Hilmar Hoffmann in der Muttersprache des anderen zu unterbrechen. So fix zwischen Raubein und Weltmann. 2004 war ich bei der Premiere von „Hotel Nooteboom“. Schwerfel nannte es „halsbrecherisch“, einen Film über Literatur zu machen. Der Dokumentarist fand Bilder, für die man sich das Volumen einer Hollywoodproduktion wünscht. Warum nicht einmal die Kraft der Verführungsindustrie auf ein Genie richten? In der Arbeit eines guten Schriftstellers lagert so viel Hoffnung. Im Film tauchen immer wieder Wolken auf, weil der ständig reisende Nooteboom im Flugzeug sitzt. Im Weiteren sieht man ihn in Wirtshäusern und Cafés in Amsterdam, Budapest und auf Menorca, lesend und schreibend. Er schreibt mit Füller. Man kann sich kaum vorstellen, dass sich seine Bücher aus solchen Kleinigkeiten wie Notizen zusammensetzen. Auch die Buchstaben, die Nooteboom aufs Papier bringt, sind klein. Sein Radius schließt aber alle Kontinente ein. Er äußert sich in vier Sprachen, die auf den Betrachter wie eine polyphone Notwendigkeit und zugleich wie eine mit Beiläufigkeit verschwiegene Welteroberung wirken. In den zentralen Ansichten von „Hotel Nooteboom“ geht es nicht um Repräsentanz, Biografie und Werkschau. Stattdessen kriegt man eine Ahnung von der Arbeitsweise des Schriftstellers. Wahrnehmung und Libido paaren sich. Nooteboom besitzt die Welt mit den Augen. Das bestätigen Aussagen der Freunde, die sich der Zentralfigur auch mit Passagen aus seinem Werk nähern. So fällt ein populärer Nooteboom-Satz, er steht am Anfang von „Rituale“: „Die Erinnerung ist ein Hund, der sich hinlegt, wo er will“.
László Földényi, Nootebooms Übersetzer ins Ungarische, der neben Rüdiger Safranski und Connie Palmen befragt wurde, verriet ein Geheimnis, indem er seinen Freund einen „richtigen Spürhund“ nannte. So einem spielt die Erinnerung keinen Streich. Sie gehört ihm als Beute. Vielleicht ließ sich Nooteboom deshalb auf dem Pere Lachaise vor Prousts Grab aufnehmen.
D 2004, Regie: Heinz-Peter Schwerfel