Utopia Ltd. – So viel schon mal zum Inhalt
Von Eckhard Heck // 26. Mai 2011 // Tagged: Dokumentation // Keine Kommentare
Seit dem Kinostart vor ziemlich genau 10 Tagen wurde in etlichen Besprechungen zu Utopia Ltd. erschöpfend über die ein oder andere Schwäche dieser deutschen Band- und Musikbusiness-Dokumentation geschrieben. Das gibt mir Gelegenheit einmal nur gutes über einen Film zu sagen.
Zunächst einmal orientiert er sich ganz an seinem Thema, was nicht so simpel ist, wie es vielleicht klingt. Die Band 1000 Robota ist „unterwegs“, und das in mehrerer Hinsicht. Sandra Trostel (Regie, Buch, Kamera) bzw. Lilli Thalgott (Kamera) halten also erst mal drauf und bleiben im Laufschritt dran. Das resultiert in Aufnahmen von großer, unverstellter Rauheit, die teilweise wirken, als wären sie „in der Kamera“ geschnitten, was in gewissem Sinne auch dem Selbstverständnis der Band entspricht. Diese befindet sich – vor allem personifiziert durch Frontmann Anton Spielmann – auf Identitätssuche oder Feindfahrt, oder beides. Man kann es meist nicht unterscheiden. Aufgerieben zwischen ihrem Anspruch auf künstlerische Autonomie und Wahrhaftigkeit einerseits und den – auch im Independent Bereich – schnell greifenden Mechanismen des Marktes auf der anderen Seite.
Trostel gelingt eine sehr uninszenierte aber nicht beliebige Darstellung. Eine feine Gratwanderung. Es mag Glück im Spiel gewesen sein. Eine glücklicherweise ungewöhnlich große Aufrichtigkeit aller Beteiligten auf jeden Fall. Der Film begleitet die drei Musiker von 1000 Robota bei Live-Auftritten, bei den Studio-Aufnahmen für das erste Album und auf einer Mini-Tour nach England. Bei letzterer Gelegenheit bis in die Hotelbetten (kein Sex, keine Drogen, kein Rock’n’Roll – dies ist keine Keith Richards Biografie!). Dauerbelagerung durch die Kamera scheint ein probates Mittel zu sein, um schließlich zu den Momenten größter Authentizität zu gelangen. Vor allem der Konflikt mit dem Hamburger Label Tapete Records wird ungeschönt und von allen Seiten mit offenem Visier vor laufender Kamera ausgetragen. Alleine diese Szenen dürften Utopia Ltd. zu einem wichtigen Zeitdokument über die Befindlichkeiten deutscher Independent-Musik-Produktion abseits jedes Hype-Gehabes machen.
Es ist das Privileg der Jugend (und das von Lars von Trier) nicht immer genau wissen zu müssen, warum man dies oder jenes tut oder sagt. Insofern sollte man auch über gestelzte Erklärungsversuche in einigen Interview-Situationen in Utopia Ltd. hinwegsehen und aus der Formulierungsnot der Protagonisten geborene Patzer verzeihen. Zwei Drittel des Trios sind sehr höfliche und um einen gepflegten Ausdruck ringende Gymnasiasten, die in sich selbst ruhen, wie man das wohl nur tut, wenn man von norddeutschem Schlage ist. Lediglich Anton Spielmann – aufgekratzter, ruheloser, aggressiver – führt sich schon mal als der große Spalter auf. Aber Sänger sind eben so. Am besten ist er dann, wenn er sich in den eigenen Wahn hineinmonologisiert, bis ihm der Schaum buchstäblich vor dem Mund steht. Das ist von großer Energie und Leidenschaft und es ist der Verdienst des Filmes diese Momente tatsächlich zu finden und auszuhalten. Utopia Ltd. ist nicht nur ein Film über die Relativität von Erfolg, sondern vor allem auch ein sehr vielsagender Film über Ideale.
Es kann sein, dass andere Kritiker es als selbstverständlich erachten, dass sich jemand Gedanken über den Titel seines Films macht und dies deshalb nicht weiter erwähnen. Ich finde, man kann auch mal darauf hinweisen, dass Utopia Ltd. als Titel eigentlich schon so etwas wie die kürzest mögliche Inhaltsangabe des Films ist.
Nach dem Kinobesuch lohnt sich ein Blick auf die Webseite https://www.utopialimited-film.de/. Dort kann man sich momentan eine Menge Material aus zwei Jahren Dreharbeit ansehen, welches es nicht in den fertigen Film geschafft hat.
Deutschland 2011, Regie: Sandra Trostel