Brighton Rock – The Wages of Sin is Death

Von  //  17. Mai 2011  //  Tagged: ,  //  2 Kommentare

Pinkie & Rose. Foto: Kinowelt
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Es gehört sich zwar nicht das so zu sagen, aber ich hatte „im Urin“, dass Rowan Joffe mit seinem Regiedebüt einen Treffer landen würde. Obwohl er bereits zwei erfolgreiche Drehbücher (28 Days Later und The American) unter dem Gürtel hat, ist er klug genug, sich für seine erste Regiearbeit nicht auf ein eigenes Buch zu verlassen. Allerdings hätte die Neuverfilmung von Graham Greens Roman aus dem Jahre 1938 auch leicht in die Hose gehen können. Die erste Kino-Adaption durch die Boulting Brüder aus dem Jahr 1947 (Mit Richard Attenborough in der Hauptrolle) legte die Meßlatte ziemlich hoch. Vermutlich hat sich vor Joffe einfach niemand getraut Brighton Rock noch einmal anzufassen. Er beweist jedoch ein begnadetes Händchen für den Stoff und verbeugt sich mit dem Ergebnis nicht nur vor dem Schriftsteller Green, sondern auch vor der Erstverfilmung, die durch die Neuauflage sicher bei dem ein oder der anderen ihre verdiente Wiederendeckung erfährt.

Zuallererst wird der Film meist dafür kritisiert, dass er die Handlung in die frühen 1960er Jahre verlegt, in die Zeit als Brighton das historische Schlachtfeld für die rivalisierenden Mods und Rockers war. Ich halte das für eine gute Idee. Vor allem, weil es funktioniert. Auch wenn das dadurch bedingte Face-Lifting stellenweise ein wenig derbe ausfällt, gibt es dem Film doch einen zusätzlichen Drive, ohne aufgesetzt zu wirken – denn Joffe ordnet den neuen zeitgeschichtlichen Rahmen der eigentlichen Handlung konsequent unter. Der Kunstgriff mag nicht inhaltlich motiviert sein, wie die Zeit feststellt, aber schaden tut er keineswegs. (siehe dazu Post Scriptum)

Die Geschichte, angesiedelt im Schutzgeld-Erpresser-Milieu, spielt sich bei Joffe auf überschaubarem Terrain ab. Alles kreist von Anfang an um das berühmte Palace Pier (das im Film von seinem nicht weniger berühmten Kollegen, dem Eastbourne Pier in Essex, dargestellt wird). Kenner und Liebhaber der 1947er Fassung haben in den ersten Szenen folgerichtig am meisten zu leiden. Die Ansichten des historischen Brighton aus der Boulting Verfilmung sind unerreicht und unwiederbringlich. Auch der Ablauf des eigentlich initialen Mordes ist komplett umgebaut, wird aber durchaus adäquat neu in Szene gesetzt. Insgesamt ist die Hinführung zum Plot etwas geradliniger, was ich als angenehm empfinde. Der Ganster Pinkie (Sam Riley) ist Mitglied einer Bande und noch ziemlich „grün hinter den Ohren“, als er Zeuge der Ermordung seines Mentors und Banden-Bosses wird. Der Versuch, den Mord zu rächen, scheitert zunächst kläglich. Eine Erfahrung, die Pinkie nur um so härter gegenüber dem Leben werden lässt. Als schließlich Blut an seinen Händen klebt, beginnt sein Aufstieg in der Unterwelt und gleichzeitig sein Abstieg in die persönliche Hölle.
Die treffende Besprechung in Schnitt #61 stellt fest, dass die Figur des Ganoven Pinkie keinerlei Katharsis erfährt und fährt wörtlich fort: „Er ist damit nicht Sympathieträger des Films, sondern vielmehr die zentrale Konstante, an der die anderen Charaktere brechen oder wachsen.“ So ist es. Pinkies Höllenfahrt ist von der ersten Einstellung an besiegelt – die Frage ist lediglich ob er die einsame, sensible und ihm schnell vollkommen ergebene Kellnerin Rose mit in den Abgrund ziehen wird oder nicht. Eigentlich sollte Pinkie sie nur als vermeindliche Zeugin seiner Bluttat aus dem Weg schaffen. Pinkie liebt Rose keineswegs, doch er wird das Opfer seiner eigenen Dämonen und kann der Versuchung nicht widerstehen, die „Beziehung“ bis zum äußersten zu treiben. Gerade dieser Aspekt wird in der neuen Fassung deutlich akzentuiert und in den finalen Szenen (der Romanvorlage entsprechend und im Gegensatz zum ersten Film) noch einmal deutlich unterstrichen.

Die dritte große Figur neben Pinkie und Rose wird von Helen Mirren gespielt. Sie verkörpert mit einer bewundernswerten Verve die resolute Ida. Diese führt ein Café an der Promenade und ist in jeder Hinsicht potent. Hale (Sean Harris), der das erste Opfer von Pinkie wird, war mit Ida befreundet, was Ida und Pinkie wiederum nicht gerade zu Freunden macht. Noch dazu ist Rose bei Ida als Kellnerin angestellt. Diese versucht nun Pinkie ans Messer zu liefern und gleichzeitig Rose zu retten. Die beiden tragisch Verketteten aber müssen im Strudel gegenseitiger Abhängigkeit untergehen.
Die „neue“ Ida ist nicht der schrille und gerechtigkeitsliebende Vogel, um nicht zu sagen „Pleitegeier“, den Hermione Baddeley in der früheren Fassung gibt. Mirren darf ihre Ida als Grande Dame mit Hang zum Lasziven anlegen, was ihr sichtlich Freude bereitet.

Zusätzlich zu den bereits erwähnten Unterschieden fallen einige Szenen in der Neuverfilmung etwas drastischer aus, niemals jedoch so explizit, dass sie die eigentlich dramatischen Momente, die ganz aus der Geschichte heraus entstehen, überdecken würden. Joffe beweist hier bei der Adaption sehr viel Feingefühl.
Der Vergleich der Filme macht ungeheuren Spaß. Zitiert wird an vielen Stellen „wortwörtlich“, an anderen vage und auf interessante Weise verdreht – wenn Joffe beispielsweise eine der alten Szenen aufgreift, sie aber vollkommen anders in seine Handlung integriert.
Ich kann die Neuverfilmung von Brighton Rock rückhaltlos empfehlen und allen, die das geniale Meisterwerk der Boulting Brothers nicht mehr präsent haben, die filmische Exegese wärmstens ans Herz legen.

Großbritannien 2010, Regie: Rowan Joffe

Post Scriptum vom 18.05.2011 – Nach nochmaliger Betrachtung erschliesst sich die Vorgehensweise von Joffe doch ganz eindeutig aus dem Inhalt. Eine der Schlüsselszenen der Vorlage spielt auf einer Pferderennbahn. Da aber offenbar für die Neuverfilmung keine solche zur Verfügung stand hat Joffe eine andere Form des tumultartigen Massenauflaufs für diese Szene nachgestellt – und zwar die Brighton Riots. Wegen dieser wichtigen Szene die ganze Handlung einfach in eine andere Zeit zu verlegen – und auch noch derart akurat zu vernähen – muss man einfach als genialen Schachzug bezeichnen. Sorry, liebe Zeit.


Die DVD wird am 15. September 2011 veröffentlicht. Die Verfilmung von 1947 bei amazon kaufen Brighton Rock (Original, 1947)


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Über den Autor

Eckhard Heck besitzt eine der umfangreichsten Baustellen-Sammlungen Nordrhein-Westfalens. Unter anderem ist er Autor, Musiker, Maler, Fotograf und Glaubensberater.

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2 Kommentare zu "Brighton Rock – The Wages of Sin is Death"

  1. Alex Klotz 14. Oktober 2011 um 21:42 Uhr · Antworten

    Mittlerweile auch gesehen und kann dir nur zustimmen. Ich mochte vor allem das Ende, das verdeutlicht, was für schwerwiegende Folgen es haben kann, wenn man mit Vinylplatten nicht sorgfältig umgeht.

    • Eckhard Heck 17. Oktober 2011 um 16:08 Uhr ·

      Ob es sch dabei um eine Vinylplatte handelt, das weiß ich nicht. Aber die unsachgemäße Behandlung von Tonträgern kann wirklich zu unvorhergesehenen Resultaten führen. Das Ende ist so „filmisch“, dass man sich kaum vorstellen kann, dass das bereits so im Roman angelegt ist. Müsste man mal nachlesen.

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