Günni und die Wahl
Von Joris Julius-Sabinus // 25. September 2013 // // Keine Kommentare
So unterschiedlich sich die Verwüstungen darstellen, die sowohl das Image als auch das reale Wirken von Angela Merkel hinterlassen hat und so verschieden die Verarbeitungsformen der Alternativlosigkeit auch sein mögen, als Form und Handhaltung hat Angie doch eine verstörende Einheitlichkeit erzeugt. Dabei konstituieren und repräsentieren Merkel und ihre zur Vagina geformten Hände eine gesellschaftliche Vermittlungsform, die einen bewusst gestalteten Zusammenhang einschließt. Der Zusammenhang ist freilich die Alternativlosigkeit.
Es hat mich von daher nicht verwundert, dass die türkische Community in einem Café am Kottbuser Tor lieber Fußball schaute als den Ausgang der Wahl zu verfolgen. Ich beschloss ein Stadtviertel weiter zu ziehen. In einer meiner Stammkneipen, die früher mal Helmut Kohl Bar hieß, wurde der Wahlabend ausgestrahlt. Ein gefühlter Heuballen bummelte durch den Flur. Neben mir hatten es noch 3-4 weitere Gäste in das Lokal geschafft. Was Umfragen und politische Beobachter selten in Frage stellen, hat sich bestätigt: Günther Jauch verletzt seine Tätigkeit als Moderator zwar charmanter als einst Sabine Christiansen dafür umso rigoroser. Wolfgang Schäuble, Bettina Böttinger, Gerhart Baum, Wowi und Giovanni di Lorenzo wehleideten die erste Hälfte der Sendung darüber, dass dem „Einparteiensystem mit vier Flügeln“ (Oskar Lafontaine) ein Stück weggebrochen ist. Die FDP hat den Gesetzmäßigkeiten der Postmoderne tapfer getrotzt und somit nicht überlebt. Ihre Protagonisten sehen aus als wenn sie aus einem Heinz Erhardt Streifen kommen würden. Das hüpfende Komma Rösler und der Weinfürst Brüderle wurden nie Müde eine Form von gesellschaftlicher Beziehung zu konstituieren, in der die Einzelnen einer Dialektik von (alternativloser) Veräußerlichung und Verinnerlichung im esoterisch-geldförmigen Interesse unterliegen und empören sich über die Pappkameraden der AfD. Im Gegensatz zur FDP tun die noch nicht einmal so als wenn sie etwas anderes als die „totale Äußerlichkeit, das absolute Außen, das kein Außerhalb jenseits von ihm duldet“ unter die wählenden Massen bringen will. Insofern hat sich Ehrlichkeit und Ortega y Gasset auf dem Nachtisch doch ausgezahlt.
Ich nippte an meinem zweiten Radler und Bernd Lucke kam zu Wort. In einem Anflug von Ekel schloss ich die Augen und Luckes Sprachduktus erinnerte mich sofort an Goebbels und ich unterstelle ihm dass nur die preußische Kinderstube seine maßlose Arroganz und Verachtung zurückgehalten hat. Für ihn werden sich selbst noch seine Gegner fremdschämen. Aber Luckes Wähler geben mir ebenso Rätsel auf. Will man den Zoni und den desillusionierten Junge Freiheit-Abonnenten und seine ebenso fantastischen wie fanatischen Vorstellungen von Wirtschaft und Politik kritisieren, so steht man vor einem Problem: Über Irrationales lässt sich bekanntlich nur schwer rational sprechen, Bescheuertes nicht ohne Bruch in logische Abfolge bringen. Der Wähler, dessen seelisches Untergeschoss Beachtung finden möchte, stirbt nicht aus und ich danke es der 5%-Hürde, dass dieser Schlag Wähler keine Repräsentation im Bundestag findet.
Günther Jauch ist das egal. Schließlich muss alles so bleiben wie es ist und ich vermute, dass es dafür ein ebenso mehr oder weniger allgemeines, psychisches Fundament gibt. Es ist die Wut des ungelebten Lebens, das insgeheime Wissen darum, dass die quasi verbeamtete Existenz samt Eigenheim eben doch auf Kosten der allzu früh und allzu tief begrabenen Träume und Hoffnungen ging. In den Bilderwelten von Günther Jauch verläuft selbst die politische Diskussion entlang der Familien- und Clanstrukturen, dort gibt ein zünftig vorgestelltes Handwerkerleben noch immer die Norm eines Sozialverhaltens des zwanghaften Werkelns, Bastelns und Putzens ab.
Doch der Abend nahm noch ein gutes Ende. Ich diskutierte mit meinem Lieblingsbarkeeper die Wirkung von Kerzenlicht aus.