Wie rettet man eine Ehe / Schwarzer Orgasmus
Von Silvia Szymanski // 20. September 2012 // Tagged: Deutsches Kino, featured, Porno, Verbalerotikschocker // 4 Kommentare
Wie rettet man eine Ehe
Ja, ja, mein „Lieblingsthema“; es gibt kaum etwas, womit man mich mehr abtörnen kann als mit Porno- oder Sexfilmhandlungen, die sich um die Belebung einer tristen Beziehung bemühen. Es ist mir dann, als hängten sich die Pärchen neues Spielzeug in den Vogelkäfig, in dem sie sitzen, und ich will sterben. Hier dient das Thema aber zum Glück nur als Gerüst, damit Er und Sie ihre satirischen, gepfefferten Nummern turnen können, ohne die Illusion wirklichen Gefangenseins zu erwecken. Es ist bei solchen Filmen gut, wenn sie einen nicht fesseln, sondern bloß unglaubwürdig amüsieren wollen.
Hier spielen zwei neben ihren Rollen stehende Leute das in einem schon ziemlich bitter gewordenen Konflikt befindliche Paar Manuela und Horst. Am Anfang haben sie Gäste. Die sexuell aufgeklärte Runde in der Hoch-Zeit der deutschen Sexwelle sitzt mit TV-Spirituosen und Knabbereien in phantasievoller Kleidung bei einander und plaudert plakativ und ohne jegliche Tabus. Besonders der weibliche Gast haut auf die Pauke: „Bevor ich meinen strammen Max hier (augenzwinkerndes Tätscheln der Oberschenkel des Mannes an ihrer Seite) kennen lernte, war ich mit einem Jungen liiert, der immer auf dieselbe Weise bumste, so dass er mich im Bett einfach nicht zum Abschießen brachte!“ – „Abschießen“, das sagt man bei Hans Billian, dem Regisseur, oft, auch als Frau. Das Wort passt nicht zu dem, was man empfindet, aber womöglich zu Hans Billian, der es einfach knallig wollte.
Die schöne Gastgeberin ist ganz Ohr. Später guckt sie durchs Schlüsselloch ins Nebenzimmer; ihre Besucherin hat gefragt, ob sie und ihr Freund dort vielleicht kurz eine Nummer schieben können („Ich bin geil, frei heraus gesagt.“) In der Nacht will Manuela das Beobachtete mit ihrem Mann nachspielen und andere Stellungen probieren. Doch Horst will beim Gewohnten bleiben: „Als wenn’s nicht wurscht wär, von welcher Seite man den Schwanz reinsteckt! Ich will jetzt schleunigst ins Loch!“ – „Bedien dich“, sagt Manuela schnippisch und verdreht die Augen. – Doch Manuela gibt nicht auf. Zeitgeistgemäß und sehr deutsch diskutieren die beiden alles – vorher, nachher, mittendrin. Sachlich, technisch und manöverkritisch wird das Problem behandelt; martialisch nüchterne Wörter wie Lanze, Stab, Stellung, Ladung, Abschuss klirren wie Schwerter in der Luft.
Das ist so offensiv, so unverblümt. Besonders Manuela, gespielt von Patricia Rhomberg (der Wiener Freundin des Regisseurs, Star aus seinem Film „Josefine Mutzenbacher“), wirkt in ihrer fordernden, direkten, aufgedrehten Art wie eine der erstaunlichen Frauen aus den mir bekannten japanischen 70er Jahre Sexfilmen. Allerdings hab ich in einem Schulmädchen-Report so was kürzlich auch gesehen; es waren wohl einfach die Seventies, die manchmal solche Filmmädchen hervorbrachten: so hübsch und so obszön, so reizvoll uncharmant und so befremdlich aufgeweckt, so wild und enthusiastisch. Da war viel Nescafé im Spiel. Das muss ja interessant gewesen sein, wunderlicher Hans Billian, so eine Freundin zu haben. Eine eigenwillige, geheimnisvolle Schönheit, deren sensiblem Mund dunkel timbriert, guttural und sorgfältig artikuliert unfassbare krötengleich Nachsynchronisationen entspringen wie: „Stoß zu, du herrliche Sau! Fick mich bis in die Gebärmutter!“
Der sittenstrenge Kinnbartträger Horst verweigert sich zunächst. Vorwurfsvoll, verletzt presst er hervor: „Ich weiß jetzt, warum du die letzten Tage so gut gekommen bist. Du stellst dir vor, dass du mit Werner und Jürgen vögelst!“ Manuela lenkt gutmütig ein: „Hab ich in meiner Geilheit den Schnabel nicht gehalten! Ich mach dir einen Vorschlag: Wir ficken weiter, und du stellst dir vor, dass du es mit der Gudrun treibst. Komm, lass es uns auf den diversen Möbeln treiben!“ „Na gut, du hast gewonnen“, kapituliert Horst, „ich ernenne dich hiermit zu meinem Fickminister. War das eine Nummer! Reif fürs Bundesverdienstkreuz.“
Oh Mann. Trotz „Vögeln“ und „Schnabel“ ist es wirklich nicht bei ihnen wie in einem Wellensittichkäfig. Eher wie unter Geiern, als hätte einen der Klapperstorch in ein Nest mit zwei erbost zeternden Aasvögeln fallen lassen. 21 Minuten schaukelt man wild oben mit ihnen herum, duckt sich vor ihren scharfen Schnäbeln. Dann schnell raus zum nächsten Film, bevor die beiden uns entdecken.
BRD 1976 (?), Regie: Hans Billian
Schwarzer Orgasmus
Oh, wieder diese wüste Frau! Ihr Mann muss gleich zur Arbeit, vorher will er noch mal Sex. Sie, mehr als bereit, feuert ihn an: „Gleich schieß ich ab! Stoß zu!“
„Scheiße, zu spät!“, ächzt er beschämt. – Sie: „Schade, für mich hat`s nicht gereicht. Leckst du mich fertig? Was, du musst gehen!? Willst du mich im eigenen Saft schmoren lassen? Na warte! Der nächste, der an der Tür klingelt, darf mich weiter ficken!“ Trotzig setzt sie sich, ihr Mann ist weg, im Flur nackt vor den Spiegel und quirlt sich resolut mit dem wild gewordenen Handfeger wie eine Besessene. Da klopft es an der Tür: „Scheiße! Nicht gerade jetzt!“
Herein kommt Bob, afroamerikanischer Freund des Hauses. „Du hast eine schöne, schwarze Lanze“, stößt sie hervor mit ihrer tiefen, abgründigen, gebärmütterlichen Muschistimme, „ich will sehen, wie dein Saft rausspritzt. Komm her und wix dich.“ Ricarda heißt sie, ausgerechnet. Der Name, der meiner Mutter inzwischen besser für mich gefallen würde als „Silvia“. Wieder beginnen Verhandlungen. „Darf ich Schwanz dir in Loch stecken?“, bettelt Bob, „ich schon so lang nicht mehr ficken.“ Ricarda zögert. „Höchstens mal zur Probe, wie er in mein Fötzchen passt. Oh. Das kann gut werden!“ Und das wird es. Fünfzehn Minuten.
BRD 1976 (?), Regie: Hans Billian
4 Kommentare zu "Wie rettet man eine Ehe / Schwarzer Orgasmus"
Hallo
können Sie mir den Namen eines Schauspielers in dem Film erzählen.
Es ist patricia Rhomberg Partner in „Wie eine Ehe rettet Mann.“ Er hat einen Bart.
Ich habe nicht auf der Internet-Datenbank gefunden.
Viel danke fur die Antwort
Der deutsche Sexfilm war zu einem Gutteil einfach ein Vehikel, welches die Aufklärungswelle, die seinerzeit durch halb Europe und die Medien schwappte, kommerziell ausschlachtete. Wie wenig nachhaltig das ganze im Bezug auf bürgerliche Normen war, zeigt sich zum Beispiel daran, dass damals tatsächlich so mach biederer und hochkonservative Haushalt mit entsprechendem „Info Material“ ausgestattet war (auf dem Land, wo es nicht viele Kinos gab, blühte der Versandhandel), was aber keineswegs bedeutet, dass sich dadurch etwas an den Moralvorstellungen änderte. Die „neuen“ Erkenntnisse wurden meines Wissens nach, wie auch Silvia beobachtet, nicht an die Generation der Heranwachsenden weitergegeben, sondern geflissentlich vor ihnen verheimlicht (Weshalb ich mir oft die Finger auf irgendwelchen Dachböden dreckig machen musste). Deshalb hat der Erotik-Konsum in der BRD immer etwas sehr Bigottes an sich. Es verwundert so gesehen auch überhaupt nicht, dass Produzenten und Regisseure aus der Hochzeit der Sexwelle sich nach deren Abebben im TV Geschäft betätigten und dort Vorabendserien mit mehr oder weniger der gleichen Besetzung produzierten. Meines Erachtens nach, ging es dem deutschen Sexfilm nie um so etwas wie eine sexuelle Revolution. Allerdings liegt darin auch sein Charme. Wie geht eine stocksteife Gesellschaft mit dem Thema sexuelle Freizügigkeit um? Das Ergebnis kann man in jedem dieser Streifen heute noch bewundern.
Ist das die Moral des bundesdeutschen Sexfilms – bei Problemen im Bett einfach an des Nachbars Weib denken? Das ist ja in seinem bornierten Moralismus beinahe ein Skandal. So spießig also geht’s in Wirklichkeit im deutschen Sexfilm zu.
Irgendwo hatte ich nämlich gelesen, und daher die Verwirrung, Hans Billian sei ein „Freigeist“ und Triebfeder der „sexuellen Revolution“. Das will mir nicht zusammenpassen, obwohl’s in seiner Ironie (und allenfalls in dieser) bestens zu unserem Lande passt.
Bezüglich „Kasimir der Kuckuckskleber“ habe ich immerhin den Hinweis gefunden, Billian habe „den Deutschen und dessen Sexualität“ bloßstellen wollen. Da frage ich mich halt, wollte er das wirklich? Gibt es in seinen Filmen diese Ironiesignale, eine Befreiung aus den Schranken des Bürgerlichen?
Ich muss, was den deutschen Sexfilm betrifft, ja noch viel sehen und lernen. Diese beiden Filmchen sind bisher das einzige, was ich von Hans Billian so richtig kenne. Sie kommen mir tatsächlich auch nicht so vor, als wäre ein spezieller revolutionärer Freigeist in ihnen am Werk – aber doch der aufgeregte Geist ihrer Zeit und ein großer Übermut. Sie nehmen das bürgerliche Deutschland nicht von außen und als Revolutionäre auf die Schippe, sondern von innen; sie ironisieren ihresgleichen, wie es auch Loriot getan hat (auf seine aber wirklich völlig andere Weise :-). Für die Entwicklung ihrer eigenen gesellschaftlichen Szene waren Billian und Rhomberg also vielleicht doch freigeistige Triebfedern – nicht für eine große Umwälzung, aber für sexuelle Innovationen und Stilwenden. Ich hatte immer den Eindruck, die bürgerlichen Pärchen waren von der Hippiebewegung geschockt und fasziniert; sie wollten sich schon aus Neid auch so lockern, mehr erleben; sie gingen in Sexfilme, machten Partnertauschexperimente, gestanden einander Sexfantasien, probierten Neues aus. Als Mädchen fühlte ich mich damals außerhalb davon. Dieser Teil der Sexwelle war Sache der Erwachsenen, und er machte mir Angst, ich wollte nicht so werden. Ich war damals halb so jemand Trist-Verhuschtes wie in AUS DEM TAGEBUCH EINER SIEBZEHNJÄHRIGEN von Jürgen Enz und halb ein romantisches Hippiemädchen, das sich nach großen Abenteuern sehnte. Was die Rettung einer Ehe betrifft, finde ich das Unternehmen hier bei Billian schön lächerlich runtergenudelt. Schlimmer bedrückte mich der niederländische Porno N SCHOT IN DE ROOS, an dessen Handlung ich bei Billians Filmtitel hier dachte, und der die eheliche Rettungsaktion viel ernster nahm.