Lowlife

Von  //  3. September 2019  //  Tagged:  //  Keine Kommentare

LOWLIFE zeigt uns die amerikanische Familie als Ort, an dem man ankommt, wenn alles in einem Sumpf aus Gewalt und Drogen versickert. Mutter und Vater leiten ein Motel. Was sonst? Seit Psycho ist es der ideale Ort für familiäre Perversionen.

Mama und Papa haben ihr Kind vor vielen Jahren an einen Gangster verkauft. In der Jetztzeit, der stets unbarmherzigen Jetztzeit (dieser stets verfluchte Jetztzeit) braucht Papa, das versoffene Familienoberhaupt, eine Niere. (Kalauer: Ein Film, der an die Nieren geht.) Und wer ist der ideale Spender? Genau, die ehemals entäußerte Tochter. Auch Organhandel bleibt eben am besten in der Familie.

Und schon nimmt das Chaos Fahrt auf, bis es schließlich ungebremst als Gewaltorgie in unsere kleinen Filmsehschlitze crasht. Film als bewusster Unfall, in diesem Fall wie ein Kuchen serviert, geschnitten in einzelnen Episoden, die uns die Protagonisten mal tragisch, mal komisch vorstellen, so wie etwa den ehemaligen mexikanischen Wrestler El Monstruo, der ganz und gar für seine Maske lebt, der sich als Nachfahre seines Vaters El Munstruo begreift, ein Nachfahre, der nun ein Vorfahre ist, der wiederum dafür lebt und wütet, den Stab seiner DNA weiterzureichen. Da sind die zwei Gangster Keith und Randy, letztgenannter ist frisch aus dem Knast gekommen, im Gesicht ein riesiges Hakenkreuz, und dies, obwohl er kein Nazi ist, nein, er doch nicht, aber der Knast macht einen Nazi aus dir, denn schließlich musst du überleben – hey, Randy ist jemand, der aus einer multikulturellen Ecke von Los Angeles stammt, da kann er es NATÜRLICH nicht verstehen, dass er, ausgerechnet er, Hakenkreuz hin oder her, im Latinoviertel die Fresse poliert bekommen soll.

LOWLIFE ist Leben am Boden, nein, tief darunter, dort, wo man seine Organe entnommen bekommt, wo der Film zur Anklage des amerikanischen Gesundheitssystems wird. Da kann es nicht wundern, dass am Ende diejenigen, die überleben, nach Mexiko fliehen wollen. Eine umgekehrte Fluchtbewegung.

LOWLIFE ist in vielen Besprechungen mit dem Werk Tarantinos verglichen worden, sicherlich nicht zu Unrecht, aber will er überleben, will er sich dort draußen in den unendlichen Weiten des Filmuniversums behaupten, wenn er sein eigener Planet sein will, muss er die Kraft haben, ganz aus sich selbst heraus ein Typ zu sein, ein Original – und meiner Meinung nach kann er das. Als Kerl will man mit LOWLIFE abhängen. Er ist originell, er ist spaßig, er ist ernst, er bringt mir etwas bei. Kurzum, er bereichert mein Leben. Gut gemacht, LOWLIFE, du kannst bleiben.

Regie: Ryan Prows, USA 2017


Über den Autor

Er kam, sah und schrieb. Der Schriftsteller Guido Rohm , geboren 1970, lebt und raucht in Fulda. Romane von ihm tragen sensible Titel wie „Blut ist ein Fluss“ und „Blutschneise“.

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