Have Fun in Pjöngjang
Von Jamal Tuschick // 31. März 2019 // Tagged: Dokumentation, featured // Keine Kommentare
Realsozialistische Fotomodelle. Besonders schwierig war es Drehgenehmigungen für die Parks in Pjöngjang zu kriegen. Obwohl die Filmemacher Pierre-Olivier François und Patrick Maurus in den malerischen Anlagen nie etwas anderes als staatstragende Szenen zu sehen bekamen.
„Have Fun in Pjöngjang” zeigt ein singendes und tanzendes Volk. In burlesk-bukolischen Inszenierungen des Freizeitglücks verherrlicht es die Errungenschaften des koreanischen Klan-Kommunismus als einem volksgenossenschaftlichen und kollektivrauschhaften Sondermodell. Die Sowjetunion, ein Gigant mit eigener Hemisphäre, bestand vierundsiebzig Jahre. Das isolierte und stigmatisierte, zudem winzige Nordkorea ist drauf und dran, mit einer längeren Geschichte des Fortbestehens zu glänzen. Der Staat wurde 1948 als koreanische Ostzone im Kalten Krieg proklamiert. Zwei Jahre später begannen die Supermächte auf koreanischem Boden eine Stellvertreterauseinandersetzung, die zur martialischen Spaltung des Landes führte. Ein weltweit einmaliges Biotop entwickelte sich entlang der Demarkationslinie. Das Kameraauge erfasst ein Naturschauspiel, dessen Erhabenheit den Aktivismus grimmiger Grenzschützer kontrastiert. Soldaten posieren. Sie erscheinen wie realsozialistische Fotomodelle – förmlich designt. Ihre straffen Gesichter und Körper verkünden Zuversicht. Mehrmals fällt der Satz:
„Wir sind die Besten der Welt.“
Mit einer Landwirtschaft auf dem Technikstand des 19. Jahrhunderts; in einem Autarkie anstrebenden Agrarstaat, der lediglich zwanzig Prozent seiner Fläche bewirtschaften kann. Sechzehn Prozent der fast komplett homogenen Bevölkerung (abgesehen von einer verschwindenden chinesischen Minderheit) lebt im Großraum Pjöngjang. Die Privilegierten stehen unter der Kuratel der Angst vor kunstvoll gestuften Degradierungen. Die Höchststrafe ist ein Leben fern der Metropole, auch wenn François und Maurus nur ungemein gesund und fröhlich wirkende Provinzler*innen porträtieren. Man glaubt ein unter Drogen gesetztes Volk vor sich zu haben. Zwischen den Schichten genießt es Chorproben und nach der Arbeit jubelt eine Nation von Nichtschwimmern in monumentalen Spaßbädern. Chinesen kommen mit touristischem Impetus und nostalgischen Empfindungen nach Nordkorea. Da wurde die gute alte Zeit mit Personenkult und Trallala noch nicht von der Gegenwart angefallen.
Der wichtigste Satz des Abends lautete: „Wir wussten, dass es diese Bilder gibt. Nur wussten wir lange nicht, ob wir sie auch aufnehmen durften.“
„Have Fun in Pjöngjang” ist das Resultat einer gründlichen Annäherung, vermutlich mit vielen abgebrochenen Anläufen und vertrauensbildenden Maßnahmen. Jeder Dreh wurde betreut, jeder Schritt bewacht. Die Filmer waren in einem permanenten Spagat zwischen Konzessionen an den stalinistischen Überwachungsstil der Gastgeber*innen und ihrem journalistischen Freiheitsdrang.
Der Film zeigt ein schönes, angenehm dünn besiedeltes Land zu allen Jahreszeiten. Wer nicht anzuerkennen bereit ist, dass es ein Nordkorea jenseits unserer Klischees gibt, muss die Produktion für Propaganda halten.
„Have Fun in Pjöngjang”, Dokumentarfilm /2019/58 Min. Regie: Pierre-Olivier François, Patrick Maurus