Die Frau des Nobelpreisträgers
Von Jamal Tuschick // 27. Januar 2019 // // Keine Kommentare
Die Königsmacherin. Ein Missverhältnis stiftet die Geschichte, die Regisseur Björn Runge nach einem Roman von Meg Wolitzer erzählt.
Als Romain Rolland ein Jahr vor Carl Gustaf Verner von Heidenstam und drei Jahre nach Gerhart Hauptmann 1915 den Nobelpreis bekam, war er der vierzehnte Empfänger einer Ehre, die auch über hundert Jahre später noch mit dem größten jährlich wiederkehrenden Gesellschaftsereignis Schwedens verbunden ist. In diesem Zeitraum fand das Komitee nur vierzehn Schriftstellerinnen preiswürdig – Selma Lagerlöf, Nelly Sachs, Nadine Gordimer, Grazia Deledda, Sigrid Undset, Pearl S. Buck, Gabriela Mistral, Toni Morrison, Wislawa Szymborska, Elfriede Jelinek, Doris Lessing, Herta Müller, Alice Munro und Swetlana Alexijewitsch.
Dieses eklatante Missverhältnis stiftet die Geschichte, die Regisseur Björn Runge nach einem Roman von Meg Wolitzer erzählt. Runge schlägt manchmal den scharfen Hashtaghagelton eines Feminismus an, der radikale Aushandlungsmodelle feiert und den Haupthandlungsgegenstand des Films unmöglich machen will. Zugleich gehorcht er Wolitzers Forderung, der Feminismus müsse in einem flaubertin-proustianischen Sittenbild des Westens verankert werden.
Mit Joe Castleman ist nicht viel los. Er macht seine künftige Frau mit der gleichen Masche an, die er Jahrzehnte später bei einer jungen Fotografin einsetzt. Es tut ihm nicht weh, sich selbst beschränkt zu finden. Nach außen regiert er pompös, doch in seiner Familie steckt er wie das gekochte Ei im Zipfelhut. Da ist alles gut.
Zwei, drei Vorblenden offenbaren die Gravitationen. Die junge Joan Castleman bringt die literarische Produktion ihres künftigen Mannes zur Publikationsreife. Er hat Ideen und eine lebhafte Familiengeschichte. Sie ist eine von sich selbst gelangweilte, puritanisch geprägte Verweigerin ihrer WASP-Herkunftsstandards. Den Juden Joe zu heiraten, ist Rebellion und seine Texte besser zu machen, besser als Sex. Das ist lange lustig.
Als Ehefrau übernimmt Joan die ganze Geniearbeit. Sie schreibt die Romane, mit denen Joe berühmt wird. Täglich sitzt sie acht Stunden am Schreibtisch, während Joe ihr die Kinder vom Hals hält und all das mehr recht als schlecht erledigt, was mit dem Haushalt zusammenhängt.
Das ist der Deal. Sie trägt das Weltniveau zur Vertragserfüllung bei und er liefert die Attitüde und eine Biografie, die für Homestorys taugt. Beide wähnen sich auf der sicheren Seite des eigenen Vorteils. Joan fürchtet, sich nicht als Schriftstellerin präsentieren zu können, ohne das Risiko, auf eine erstklassige Weise in der Bedeutungslosigkeit versenkt zu werden. Sie glaubt, Joe als Niveautransporter unbedingt zu brauchen.
Joe weiß, dass er eine (nicht völlig) taube Nuss ist. Er spielt seine Rolle gut und patzt nur selten. Schließlich wird dem ersten Leser seiner Frau die höchste literarische Auszeichnung zuteil. Das Paar donnert nach Stockholm, wo seine Fassade bricht.
Jonathan Pryce spielt Joe Castleman als bourgeoisen Schlingel und schlauen Dummy. Er hat Affären, solange er im Saft steht. Die Generalübereinkunft zwischen ihm und seiner Frau verhakt sich erst, als er seinen Teil nicht mehr leistet. Ihm vergeht die Lust und mit ihr der letzte Antrieb zur Selbständigkeit. Joe hat sein erwachsenes Leben in Abhängigkeit von Joan geführt, nun muss sie ihm auch noch die Tabletten hinterhertragen. Einmal klingelt ein Armbanduhrwecker, der ihn zur Medikamenteneinnahme ermahnt, just in dem Augenblick, da eine Verehrerin in seine Arme sinken möchte. Der Wecker killt das amouröse Interesse der Frau. Plötzlich erkennt sie den Greis, das Wrack … den alten Armleuchter.
Glenn Close spielt das heimliche Genie als tüchtige Person. Joan schlittert erst in die Krise, als sie sich dazu gezwungen sieht, für möglich zu halten, sich um ihre Lebensleistung gebracht zu haben.
Doch hätte sie nach ihren Begriffen diese Leistung eigenmächtig gar nicht erbringen können.
Der Film behauptet an dieser Stelle nichts. Beide Varianten erscheinen möglich. Also, das falsche Leben geführt zu haben und dies am Triumphabend des Gatten feststellen zu müssen. Oder eben das Richtige getan zu haben und im Team (unerkannte) Nobelpreisträgerin geworden zu sein.
Es geht um Intelligenz, Talent, Integrität, Glück. Der schwedische König fragt Joan beim Bankett nach ihrer Berufstätigkeit. Sie antwortet:
„Ich bin eine Königsmacherin.“
Reicht ihr das?
Der Film beantwortet die Frage.
Joan stellt ein Journalist nach, ein fieser Schleicher; kein Relotius, sondern ein Investigativer. Ihm ist klar, wer bei den Castlemans die Rekorde aufstellt. Joan droht mit einer Klage, falls er die Wahrheit ans Licht bringen sollte.
Die Frau des Nobelpreisträgers, Spielfilm/GB /Schweden /USA. Regie: Björn Runge. Mit Glenn Close, Jonathan Pryce