„Jedem Furz ein Fackelzug“ – Teil 2
Von Joris Julius-Sabinus // 15. Juli 2015 // // Keine Kommentare
„I’m a human fly. It’s spelt F-L-Y. I say buzz, buzz, buzz, and it’s just because…“ – The Cramps
Man könnte meinen der Ton sei nervös, unzufrieden, gar illoyal und wolle sich über die Störungen eines ohnedies verpatzten Sommer beschweren. Die letzten Wochen durfte man staunen. Ein Thema wie Wirtschaft, dass ansonsten niemanden hinter dem Ofen hervorlockt, bringt auf einmal mehrere Millionen Experten hervor. Zwei Lager zeichnen sich ab: Die Pro-Deutschland und die Pro-Griechenland-Fraktion. So wenig sich die Lager mit dem eigentlichen Problem, der Wirtschaft, beschäftigen, so sehr eint sie doch der Ton.
Der Ton ist das einzige Verständigungsmittel der Fliegen. Ich glaube, sie sind Geschmeiß. Sie aber wissen es nicht. Man darf es Ihnen nicht sagen. Der Ton ist besorgt und wird erst in der Administration gesprächig. Verfassungen und Berufungsinstanzen sind Regierungsverfassungen und -instanzen. Es ist vorherzusehen, dass die Definition von Schutz und Eigentum ständig verändert und die Reichweite der Gerichtsbarkeit zugunsten der Regierung ausgedehnt wird. Dazu muss auf Seiten der Regierung kein Wolfgang Schäuble sitzen und auf Seiten des zu Schützenden kein Varoufakis. Die Rollen könnten auch umgedreht sein oder ganz nach Belieben. Freilich müssten beide Parteien dann auch berichten, dass es Ihnen nur gelungen ist, des Täters, aber nicht des Tatbestands habhaft zu werden. Der Journalismus, das Twittern und Facebooken sind zur Stunden gesund, denn sie können in Ausübung ihrer Berufung verblöden, aber nicht erkranken. Nicht nur wäre alles andere kontraproduktiv, nein nur extreme, höchst einfache Ideen vermögen die Emotionen der stumpfen und trägen Massen aufzurühren. Es sollte schon wenigstens der Boykott aller Produkte aus Deutschland oder Griechenland sein oder die Besetzung des Ruhrgebietes, wie es Jean-Luc Mélenchon fordert. Unter dem scheint nichts mehr zu gehen.
Es ist ja leider eine der ärgsten Tatsachen des Lebens, dass ein erfreulicher Anblick auch den Menschenfreund nie so entzücken kann wie ein unerfreulicher ihn quält. Der Nasenbohrer, der den ganzen Betrieb in eigene Regie zu übernehmen scheint, nimmt auch eine Aufmerksamkeit für sich in Anspruch, die jeden Ausblick auf schönere Dinge verstellt. Varoufakis „Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eurokrise“ stellt die Alternativlosigkeit einer Sparpolitik in Frage und mag darüber hinaus nichts Neues anzubieten. Verschweigen tut er den aufgedunsenen öffentlichen Dienst. Die Eurokrise scheint über ihn und sein Land wie ein böses Bratwurst-Ufo gekommen zu sein. Doch dann kam der Rolli. Das anderswie Abgelenkte kennt er schon. Davon soll er ja gerade ablenken, das soll ja gerade verhindert werden. Er weiß, mit weggeworfenen Fahrscheinen lässt sich noch immer besser durchs Leben kommen als mit den Gedanken, die keiner aufheben wird. Varoufakis will das nicht begreifen und verwechselt ihn mit einem seiner Hörer. Schäubles Miene bleibt starr.
Er weiß dass Griechenland vom Euro profitierte, weil der Zugang zu den Geld- und Kapitalmärkten deutlich leichter wurde. Er weiß aber auch, dass die Notwendigkeit einer periodischen Abwertung in Griechenland nicht verschwand. Andererseits aber konnten sich die Griechen den Einsatz dieses Instruments immer weniger leisten. Dazu kam die Überlegung der Anleger hinzu, dass im Fall eines Auseinanderbrechens des Euro die deutsche Währung nicht nur einen sicheren Hafen darstellen, sondern einer heftigen Aufwertung ausgesetzt sein dürfte. So sollte es Schäuble aber auch nicht überraschen, dass er jeden geforderten Kredit einfach nur abnicken kann. Und er sollte es ebenfalls nicht verschweigen, dass seine Tochter Christine Strobl und ihre Firma „Degeto“ wohl jahrelang falsche Rechnungsangaben tätigten, damit also, im BILD-Zeitungsdeutsch, nicht einen Deut besser sind als die „faulen“ Griechen.
Unter der Kontrolle des Fortschritts machen beide Seiten Schweinereien, und zwei im Grunde akzeptable Lager werden dort rabiat, wo sie noch konkurrenzfähig sind. Die Tragik des Gedankens, Meinung zu werden, erlebt sich am schmerzlichsten in den Medien. So wurde wieder einmal ein Furz zu einem Fackelzug.