Die Piratenbraut
Von Jamal Tuschick // 16. Dezember 2014 // Tagged: featured, Hollywood, Piraten // Keine Kommentare
Eine Tortuga-Romanze mit viel hoher See und herzigen Räubern beendete Joe Mays Laufbahn als Filmschaffender
Zweiundzwanzig Uhr. Der letzte Film eines Joe May-Abends in der Brotfabrik Weißensee ist zugleich der letzte Film, an dem May (1880 – 1954) mitwirkte. Der Abspann weist drei Drehbuchautoren aus, May war davon einer. Ein großer Name taucht unter ferner liefen auf. Regisseure, die May gefördert hatte, Fritz Lang, Billy Wilder, waren in Hollywood bigger than life geworden, während die Geschichte den Mentor in den Schatten stellte. Sie degradierte ihn zum Eckensteher auf Oscarpartys und sie machte May zur tristen Vorlage für den abgehalfterten Autor Joe Gillis in Wilders „Boulevard der Dämmerung” (1950). Gillis berichtet aus dem Jenseits, so tot war May zu Lebzeiten in Hollywood.
Mays Aufstieg war ein Paarlauf. Mia May stand schon auf der Bühne als der Wiener Industriellensohn Julius Mandl seiner Verwandlung in Joe May noch entgegensah. Die eheliche Geschäftsverbindung begann da, wo die Brotfabrik steht, im Berliner Nordosten. Hier entstand 1913 „In der Tiefe des Schachts”. Es folgten 113 Produktionen.
Die Mays popularisieren das Genre des Detektiv- und des Kolossalfilms. 1918 erschufen sie in Woltersdorf bei Berlin ihre eigene Cinecittá. Hier entstand „Die Herrin der Welt” mit zwanzigtausend Statisten. Das Dekor für den Schinken in acht Teilen lieferte das Greenbaum-Atelier in Weißensee. Weißensee kam gleich nach Hollywood. Dann kamen die Nazis, 1934 übernahm Joe May seine erste Regie in Amerika – „Music In The Air” mit Gloria Swanson in einer Hauptrolle. Billy Wilder arbeitete ihm zu, May half ihm in den Vereinigten Staaten Fuß zu fassen. Das Rad dreht sich, Wilder konnte allerdings für den ausgemusterten Mentor nicht mehr tun, als ihn genial auf die Schippe zu nehmen. Die Mays eröffneten ein Restaurant, sie scheiterten zum letzten Mal. Der Tod traf arme Leute.
In der „Piratenbraut“ – „Buccaneer’s Girl” aus dem Jahr 1950 spielt Yvonne De Carlo einen weiblichen Glücksritter und die Lady als singenden Tramp. In ihrer Rolle heißt sie Deborah McCoy. Als blinder Passagier reist Deborah mit einem Schiff, das vor New Orleans aufgebracht wird. Bei der Schlacht an Deck mischt sie so begeistert wie ungeschickt mit. Sie lernt dann eine lebende Legende kennen – Frederic Baptiste, Pirat und Ehrenmann in einer Person. Durch die Filmfigur scheint die Biografie des franco-amerikanischen Freibeuters Jean Lafitte (1780 -1826), der in der Illegalität satisfaktionsfähig blieb. Er war schon das Vorbild für den „Freibeuter von Louisiana” – „The Buccaneer” (1938, Regie Cecil B. DeMille).
Philip Friend holzt seinen Baptiste herunter, bis die Augen bluten. Er übertreibt sein Unvermögen. Doch weiß schließlich jeder, wie man als buccaneer’s girl seinen Piraten zu finden hat, nämlich schneidig. Sonst könnte sich Deborah nicht verlieben und wie sollte dann der Film weitergehen. In seinem Nebenberuf als wohlttätiger Salonlöwe fühlt sich Baptiste von Arlene Villon angezogen. Andrea King spielt als Arlene offensichtlich die Rolle ihres Lebens. Jedenfalls widmet sich die offzielle Andrea King-Seite ausschließlich diesem Ereignis: „The role of haughty Arlene Villon offered Andrea King the chance to get physical in a deliciously campy catfight with „Buccaneer’s Girl” leading lady Yvonne De Carlo. Andrea loved working with this screen beauty, and the two ladies rehearsed diligently for their on-screen brawl. Still, a few bumps and scrapes were sustained, but as Andrea was quick to point out, “It was worth it!””
Arlene verwirklicht die tückische Edelziege, die Baptiste düpiert und verrät, während er immer höflich und halbfranzösisch bleibt. Deborah ist das Mädchen mit dem Herz am rechten Fleck, wenn auch in einer ordinären Ausgabe. Sie fühlt sich in Gesellschaft von Piraten und anderen Säufern wohler als in der Gouverneurssphäre von New Orleans. Interessant ist das reaktionäre Frauenbild, das der Film von Frederick De Cordova verbreitet. Fünf Jahre nach Kriegsende wurden die im Krieg selbstständig gewordenen Frauen zurück an den Herd gepfiffen. Deborahs Bereitschaft, Baptiste zu gehorchen, wenn er sie denn nur liebt, wird herausgearbeitet. Deb zeigt den Trotz eines Kindes, auf den Fred überlegen reagiert. Trotzdem bleibt der Job des Überlebens komplett an ihr hängen. Deborah muss Baptiste aus dem Knast holen, in den Arlene ihn gebracht hat.
USA 1950. Regie: Frederick de Cordova. Buch: Joe May