Blu-Ray: Kiss of the Damned

Von  //  13. Juli 2014  //  Tagged: , , , ,  //  Keine Kommentare

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Djunas Nase ist Renaissance, Djunas Lächeln ist Mona Lisa, Djunas Frisur ist Helena und Djunas Körper ist die makellose Geburt der Venus. Sie ist erfahren, gebildet, genügsam, charmant, aufregend und liebevoll. Sie ist das Idealbild der erwachsenen und erfolgreichen Frau. Paolos Gesichtszüge sind Herkules, Paolos Körper ist Adonis. Er ist viril, kreativ stark und furchtlos. Er ist das Idealbild des modernen und begabten Mannes. Sie begegnen sich und fühlen sich sofort unwiderruflich aneinander gefesselt durch die Bande des brennendsten menschlichen Verlangens zwischen glühender Weiblichkeit und potenter Männlichkeit. Bald muss der begehrenswerte Drehbuchautor aber feststellen, dass seine Liaison zu der geheimnisvollen Frau lebensgefährlich ist. Im Rausch der Lust überkommt sie die Lust nach dem Blutrausch: Djuna ist eine Vampirdame, die zurückgezogen und vernunftbeseelt in einer Villa auf dem Land wohnt und sich von dem Blut mittelgroßer Waldtiere ernährt. Paolo hingegen hält weniger von Rückzug und Vernunft und stürzt sich bedenkenlos-willig, verliebt und unaufgefordert-lüstern in das Gebiss der Grande Dame du Sang. Jetzt würde es um die Ewigkeit in Zweisamkeit gehen, und die Grenzenlose Liebe und das Für-Immer der ewig-lebenden Verdammten. Soweit lässt Regisseurin Xan Cassavetes es aber nicht kommen. Denn nur einen gefühlten Augenblick später steht Djunas triebhafte, intrigante und unberechenbare Schwester Mimi vor der Tür und es durstet ihr nach Menschenblut und Zwietracht.

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KISS OF THE DAMNED ist eine Bebilderung von Ambivalenz in jeder Hinsischt: Kalt-vernünftiges Blau und irgendwie beruhigend-warmes Schwarz treffen auf erschreckend viel beißend-zerstörerisches Rot. Prunkvolle goldglänzende, rotsamtige Ballhallen kontrastieren weite, kühle Naturaufnahmen. Kulturell-klassische und französisch-höfische Opern-Töne romantisieren und schaudern sich durch die Gehörgänge. Pochende, vibrierend-körperliche und elektronisch-harte Schläge unterbrechen das schöne sinnliche Spiel und ficken die Ohren. Auch die Darstellung der beiden Vampir-Schwestern ist zwiespältig. Djuna hält sich gern an alle Regeln der Vampirgesellschaft und sich selbst unter Kontrolle. Sie will die Ordnung in der Welt aufrechterhalten und nimmt sich selbst, ihre Bestie, ihre Macht und ihr Schicksal dafür gern zurück. Sie ist der moderne räsonierte und vermenschlichte Vampir, der auf exklusiven Parties gerne einen blutigen Aperitif zu sich nimmt, teure Ohrringe und Ballkleider trägt, sich gern über Kunst und Literatur unterhält und gelernt hat Liebe zu empfinden. Ihre Schwester hingegen will die Welt einfach nur brennen sehen. Sie trägt gern Tank Tops von Rock Bands, Unterhosen und schwarz. Sie hat gern wilden Gruppensex mit ihren Opfern und reißt wie ein wildes Tier. Wie ein junger, missgeleiteter Teenager rennt sie durch die Stadt und befriedigt ihre Lust an der Lust, an der Zerstörung, dem Blut, dem Mord, der Intrige und dem Tabula Rasa. Sie ist die geballte gefährliche Geschlechtlichkeit und Schlechtigkeit der Vampir-Ungetüme des ursprünglichen europäischen Kinos! Eine wilde rauschhafte Darstellung bedrohlicher Menschlichkeit, grausamer Weiblichkeit und schmerzerfüllter Begierde.

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Teenager-Tabula Rasa: Mit modern-amerikanischem Touch. (weite T-Shirts mit Emblem, kombiniert zu ausgewaschenen aber trotzdem eng sitzenden Unterhosen und langen Sportsocken halte ich aus irgendeinem Grund für eine von stereotypischen Amerikanern sehr modern gemeinte und für sehr modern gehaltene Kleidung)

Durch die gezielte Darstellung all dieser Gegensätze restauriert Xan Cassavetes in KISS OF THE DAMNED jedoch das natürliche und originale Bild des europäisch-ursprünglichen Vampirs. Die Idee von einer wunderschönen, begehrenswerten Frau, die unter und mit den Menschen lebt, ihre Opfer auswählt und bewusst verführt und hinter geschlossenen Türen zur unberechenbar-mordenden Bestie wird, ist die Vorstellung die eine der archaischsten Ängste der Menschen bedient. Eine Bestie, eine Femme Fatale, die intelligent ist, intrigant, bösartig, gefährlich,  menschlich erscheint, und nach der es einen vor allem sehnsüchtigst verlangt, scheint eine der größten männlichen Lust-Ängste zu sein. Die Frau, die den Tod bringt. Den Tod in Kauf nehmen um der Lust willen. Für die Lust mit dem Tod gestraft werden.  Unangenehme Gedanken, irgendwie. Das ist es dann auch was den Horror des Vampirwesens ausmacht: seine Ambivalenz. Seine Zweigestalt zwischen Mensch und Bestie. Sein Drang nach Zerstörung und Dekonstruktion, sein Drang nach Errichtung und Erhaltung von Kultur. Sein kühles Auftreten und seine innere Zerrissenheit. Sein Zwang zu morden und sein Wille zu lieben. So gelingt es der Regisseurin den gesamten Vampirkult sowohl in seinen modernen als auch in seinen wesenhaften Grundzügen in diesem Film in ganz gut passenden-aber leider irgendwie auch schon oft gebrauchten-metaphorischen Bildern darzustellen. Die flache und wenig ausgearbeitete Story verzeiht man dann aber trotzdem, weil es eben um das Rot geht oder das Blau, um die Töne, das tropfende Blut, die rauschhafte Vereinigung und die einfache und treu-bleibende Darstellung von Blutsaugern. Man fühlt sich gut aufgehoben wenn man sowieso Genre-Fan ist, ein paar wirklich schöne und weiche weibliche Körper sehen möchte, oder man sich in Zeiten zurückversetzt fühlen will in denen Vampire einfach noch genau so aussahen, authentisch-blutdürstig waren und ernsthaft eigene innerliche Zerrissenheit mit dem Zerreißen ihrer Opfer kompensiert haben. Und damals waren Vampire einfach nicht weich, und übermäßig menschlich, und angepasst, und schwach. Und sie haben schon gar nicht in der Sonne geglitzert.

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