The Snake Woman
Von Andreas Poletz // 2. April 2014 // Tagged: featured, Horror // 1 Kommentar
That snake poison flowing through my blood – what will it do to my unborn child?
Bellingham, Northumberland 1890. In einer Pre-Credits-Sequenz, die seltsamerweise den Credits nachfolgt, erfahren wir, dass der Schlangenforscher Dr. Adderson (adder=Natter) die Geisteskrankheit seiner Frau durch Schlangengift geheilt hat, aber auch das Neugeborene der beiden reptilische Charakteristika aufweist: Es kann seine Augen nicht schließen, und weil der Film einen gewissen Ehrgeiz darin setzt, sich so weit wie möglich von der Realität zu distanzieren, ist es auch so „kaltblütig“, dass man es zunächst für tot hält. Muss ich erwähnen, dass Reptilien nicht buchstäblich kaltes Blut haben? Nein, muss ich nicht. Die örtliche Hebamme und weise Frau (wunderbar enthusiastisch: Elsie Wagstaff) holt folgerichtig den Dorfmob aus dem Wirtshaus, worauf dieser mit dem Constable an der Spitze bei Dr. Adderson eindringt, Schlangen als eklig befindet und alles kurz und klein schlägt, was der Requisiteur erlaubt.
It is evil!
It has THE EYE!
It is THE DEVIL’S OFFSPRING!
Und das Baby? Das hat der gute Doktor dem entbindenden Arzt (Arnold Marle) zu treuen Händen übergeben, und dieser übergibt es wiederum prompt dem nächsten Schäfer, weil er – ich erfinde das nicht – am nächsten Morgen nach Afrika muss, wo er die nächsten zwei Jahrzehnte mit irgendwelchen nicht näher beschriebenen Forschungen zubringt. Dann sehen wir ihn wieder durch die uns bekannte Heide stapfen und den Schäfer fragen, was es so Neues gibt. Und ja, es gibt Neuigkeiten: Das Baby ist zu Susan Travers herangewachsen, die sich bei Gelegenheit häutet, alle Jahre Männer meuchelt und sich vielleicht in eine Kobra verwandelt, was der Film durch unvermittelte Schnitte zwischen der Travers irgendwo und einer Schlange irgendwo anders eher verschleiert als illustriert.
Scotland Yard, vom Fluch der Schlangenfrau in Kenntnis gesetzt, schickt seinen fadesten Beamten aus, der das alles zwar für Blödsinn hält, aber durch dilettantisches Flötenspiel (Bizet?) Miss Travers anlockt, in die er sich verliebt, weil sie eben da ist und ihn weniger beunruhigt als Elsie Wagstaff, bis er sie am Ende erschießt, weil dem Autor nichts Besseres eingefallen ist und 68 Minuten auch wirklich lang genug für einen Film sind, der sämtliche Chancen in den Wind schlägt.
Orville Hamptons Drehbücher sind in der Regel nicht völlig wertlos: Durch Atomic Submarine, Alligator People, Four Skulls of Jonathan Drake und Jack the Giant Killer geistern neben viel Unfug und Routine auch ein paar gute Einfälle, und wenn fähige Handwerker wie Roy Del Ruth oder Nathan Juran das Steuer in die Hand nehmen, kann das Ergebnis schon Freude machen. Der junge Sidney J. Furie – weit weg von Entity und Superman IV – ist freilich nicht der rechte Mann dafür; ihm fehlt die Nonchalance, eine Achterbahnfahrt aus einem Plot zu formen, der alle potentiellen Highlights entweder verschläft oder ihnen großräumig ausweicht. (Der Grund für all dies hat vielleicht mit dem Grund dafür zu tun, dass der Amerikaner Hampton und der Kanadier Furie treibende Kräfte eines britischen B-Filmes wurden, aber wie es dazu kam, wissen wir leider auch nicht. Nimmt man noch das Fakt dazu, dass ein halbes Jahrhundert später ein Draft des Drehbuches – als The Lady Is A Snake – bei Abebooks angeboten wird, das ganze 111 Seiten umfassen soll, wird die Sache noch mysteriöser, wenngleich zu vermuten ist, dass man gleich den Draft verfilmt hat, weil niemand Zeit, Geld und Lust hatte, in eine Revision zu investieren.)
Tragische Liebesgeschichte? Ist nicht; einerseits, weil die Schlangenfrau nicht unter ihrer Doppelnatur leidet und Schlangen sowieso nicht romantisch sind, und andererseits schon deshalb, weil die Liebenden einander gerade zweimal fünf Minuten gesehen und Small Talk getrieben haben. Zum Fürchten gibt es, wenn man keine Phobie vor Schlangen in wirr geschnittenen Inserts hat, wenig, und falls es Hamptons Absicht war, ein ambivalentes Spiel zwischen „Wissenschaft“ und Mystik zu treiben, lässt sich nur sagen, dass der Film von Serpentologie ebenso wenig versteht wie von Flüchen und geschwänzten Voodoopuppen in Nordengland. Selbst der Topos „skeptischer Held erfährt, dass es mehr Dinge gibt als usw.“ geht in die Hose, weil der Held sich lediglich von wohlfeilem Skeptizismus zu hilfloser Konfusion entwickelt.
Handwerklich ist der Film immerhin besser, als er sein dürfte: Buxton Orrs Musik gibt sich alle Mühe, und Stephen Dades Kamera wirft zwar wohl nur aus Zeitmangel harte Schatten wie in einem Monogram film noir, aber das passt genau. Auch die Darsteller schlagen sich im Rahmen des kleinen, schiefen Universums, in das man sie gestellt hat, tapfer: Susan Travers – im Jahr zuvor in einer kleinen Rolle als Model in Peeping Tom – sieht schnieke aus, ist aber selten im Bild, und das Script gibt ihr keine Tiefe, John McCarthy, unser Held, kann nichts dafür, dass er einen arroganten Deppen zu spielen hat, und der gebürtige Berliner Arnold Marle, der nicht nur mit einer Nichte Sigmund Freuds verheiratet, sondern auch der Lama in Hammers The Abominable Snowman war, besticht in seiner Edward van Sloan-Rolle; nur sein deutscher Akzent klingt unglaubwürdig.
Vor allem aber ist da Elsie Wagstaff, die in Nebenrollen durch viele englische Produktionen dieser Jahre geistert und die niemand, der sie hier gesehen hat, vergessen kann: Sie malt ihre Figur in so starken Strichen, als hätte sie genau gewusst, dass ohnehin alles egal ist und man nur sich selbst retten kann. Wie ihre Figur in der noch nicht wiederendeckten deutschen Fassung („Vom Teufel gezeichnet“) klingen mag, kann man sich nur in feuchten Träumen ausmalen, und dass The Snake Woman unterhaltlicher ist als der parallel von Furie gedrehte Dr. Blood’s Coffin, ist nicht zuletzt ihr Verdienst.
You’re lost –
you’re cursed –
you’re doomed –
unless you come with me now!
The Snake Woman (Sidney J. Furie, GB 1961)
Ein Kommentar zu "The Snake Woman"
Trackbacks für diesen Artikel