Fremde, die sich kennen – zwei anonyme pornographische Kurzfilme
Von Jamal Tuschick // 6. März 2014 // Tagged: featured, Porno // Keine Kommentare
„Schlampe bittet genagelt zu werden“
Eine Maske verbirgt die Augen der Frau. Samt drapiert die Maske, eine Borte schmückt sie. Die Requisite weist auf ein Trümmerfeld der Gleichgültigkeit. Durchgeknallte und Süchtige könnten sie nützlich finden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Maske in einem mit Bedacht gefassten Pornoplan Platz hat.
Das Technische und Räumliche beschränkt sich auf eine Kamera und ein Hotelzimmer.
Ich vermute das Paar in seinen mittleren Jahren. Es suggeriert Normalität und Distanz. Der Mann ist behaart, sein Rumpf solide. Korpulenz im Ansatz. Ein Mittelstandskörper.
In der ersten Szene findet Oralverkehr statt. Man hört weiter nichts als unerwartet quietschende Verkehrsgeräusche. Die Frau liegt schief, aber dem Anschein nach bequem auf einem Bett und masturbiert mit ruppigen Fingern. Von Dramaturgie und Inszenierung kann keine Rede sein. Stattdessen spielt eine Genügsamkeit mit, die zu der Distinktion des Paares nicht passt. Die Frau trägt ein Unterhemd (keinesfalls als erotisches Accessoire. Vielmehr als eine Bankrotterklärung der Unterwäsche). Der Mann legt ihren Busen frei und mangelt ihn als ginge es um Hackfleisch mit Ei und nassem Brötchen. Die Frau behält ihr Einverständnis, sie beweist eine deutliche, dennoch verhaltene Zustimmung. Offenbar geschieht das Richtige in einer bewährten Konstellation. Liebevoll oder auch nur von Zuneigung überzogen, scheint das Verhältnis nicht zu sein.
Verkehr von Angesicht zu Angesicht. Ein Kondom schmatzt unappetitlich. Zur Zufallspoesie gehört ein Moment nach dem Abgang des Samens. Die Kamera wirkt wie ein Mann, der sich abrupt abwendet. Sie erfasst einen cremigen Raum und kehrt wie von einem Ausflug ohne Eile und Auftrag zurück. Die Liegende prüft den Sitz der Maske und hat absolut kein Lächeln für ihre Lage.
In der letzten Szene rückt sich die Frau auf einem Polsterhaufen zurecht. Die Kamera überfährt ihren Rücken. Der Mann bringt sich in Stellung. Seine Art, sich zu bewegen, zeigt, dass man auch Porno lernen muss. Er gelangt erst kurz vor Schluss über das Stadium einer Gummierektion hinaus. Sein Penis sieht nicht gut aus in der Pelle.
Das einzige Wort im ganzen Film fällt zweimal. Es lautet „Move“. Jedes Mal, wenn der Mann „Move“ sagt, unternimmt die Angespornte Anstrengungen. Für ihr ruhiges Blut wirkt sie fast aufgeregt.
„Hausfrau hinter Hecke gerammt“
Ein sonniger Nachmittag mit langen Schatten und schwachen Straßengeräuschen liefert den Rahmen. Man sieht einen Garten so, als wolle jemand seinen Grund für Zufriedenheit zeigen. Spielsachen liegen bereit, Plastikmöbel bieten sich der Bequemlichkeit an.
Die nächste Einstellung präsentiert eine Frau auf einer kniehohen Abstellfläche. Der Rücken ist bis zur Taille bekleidet, das Gesicht bleibt verborgen als Privatangelegenheit – die große Sause und das volle Programm laufen auf einem Kanal, den ich nicht sehen kann. Mir ist, als sei ein Roman mir in die Hände gefallen, so zufällig wie ein Flohmarktfund. Der Roman erzählt von anspruchslosem Wohlstand außerhalb der gesicherten Zonen. Von einer Libertinage ohne bürgerlichen Überbau. Sex beweist, dass die Schecks gedeckt sind.
Das Gesäß und die Geduld – das Unvermeidliche vollzieht sich wie in einem Funkloch der Zeit. Als sei vorher der Rasen gesprengt und der Schlauch dann erst noch eingerollt worden. Ein kaum behaarter Wanst spielt seine Rolle mit Kondom vier Minuten und dreizehn Sekunden lang. Von ihm hört man nichts außer der Atmung. Die Frau scheint in der Zwischenzeit noch nicht einmal geatmet zu haben. Der Vollzug erscheint so abseitig wie ein Sonntagsspaziergang im Industriegebiet. Wie ein mit Gewinn geführtes Gespräch über zeitgenössische Lagerhallenarchitektur. Doch lässt die Selbstverständlichkeit des Arrangements staunen. „Frau hinter Hecke gerammt“ verspricht eine sonderbare Alltagserzählung. Dem widerspricht das Kondom, die Darsteller bilden eher kein Paar und haben folglich keinen gemeinsamen häuslichen Alltag. Trotzdem können sie sich so ungezwungen aufeinander einstellen.