Die Verachtung / Le Mepris
Von Jamal Tuschick // 10. März 2014 // // Keine Kommentare
„Schon blickt die Nacht zu den Sternen“. Homer und Alberto Moravia lieferten die Vorlagen, Jean Luc Godard inszenierte, Brigitte Bardot und Michel Piccoli spielten – „Die Verachtung“ aus dem Jahr 1963.
Ein französisches Ehepaar in einem römischen Rohbau. Im Bruch feiern sich die Aschenbecher sogar als Einprägungen in Klopapierhalterungen. Man geht buchstäblich durch Türen. Die Einsätze liegen im Treppenhaus.
Camille war bis zur Hochzeit Stenotypistin, Paul hat das Drehbuch zu „Toto gegen Herkules“ und ein paar dubios publizierte Krimis geschrieben. Er verachtet Kino und liebt das Theater. Am Ende des Films sind alle Gründe ausgezählt, die Paul vom Vergnügen an seiner Arbeit trennen.
Der amerikanische Produzent Jeremy „Jerry“ Prokosh bietet Paul an, eine Odyssee-Operette flott zu schreiben, der Autor soll Gegenwart und Geschwindigkeit in eine Adaption dieser Urgeschichte bringen.
Cinecittà verwurstet die Antike, Historienschinken hängen an den Fleischerhaken des Kommerzes. Sandalenfilme soweit die Füße tragen, Produzent Prokosh erhebt er sich über den eigenen Schund. In einer besonders theatralischen Einlassung vor einer besonders lausigen Kulisse sagt er dem Sinn nach: Wo Könige einst in Palästen lebten, regiert nun der Ramsch in Buden.
Jack Palance spielt den Amerikaner in Europa. Jerry verhält sich wie ein Kolonialherr. Er hält sich für einen Halbgott. Das verkündet er, ohne ein Ohr für die Gegenrede: „Nicht die Götter haben den Menschen geschaffen, der Mensch hat die Götter geschaffen.“
Sein Vorleben bleibt unklar. An einer Stelle wird das deutlich gesagt. Jerry kommt in die Arena als Mann ohne Vergangenheit. Am Ende hat er auch keine Zukunft mehr.
Jerry kleidet sich gediegen, verhält sich aber nicht so. Vielmehr tritt er auf wie in der Badehose. Er unterstellt Paul, keine Wahl zu haben. Die Unterstellung begründet er mit Camilles Schönheit. Schöne Frauen sind teuer. Intelligenter stellt sich der Zusammenhang nicht her in einem Jahrhundertfilm mit Spitzenschauspielern und einer Legende. Fritz Lang spielt Fritz Lang. Als Regisseur des Films im Film wehrt er sich mit Geistesblitzen und Zitaten gegen den Produzenten: „Schon blickt die Nacht zu den Sternen.“
Brigitte Bardot spielt die Kindfrau Camille auch mit Perücke. Sie scheint ihren Stimmungen ausgeliefert. Im Gegenzug tyrannisiert sie Paul mit Launen. Sie wirft ihm vor, sie aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt zu haben. Wenn sie ihn nicht mehr einfach so lieben kann, dann ist das seine Schuld. Sie erwartet von sich kein verantwortungsvolles Verhalten. Aus der ersten Begegnung mit Jerry ergibt sich ein knisterndes Verhältnis, so leicht entflammbar ist Camille. Auch ihre Erregung ist Pauls Fehler. Subtext: Wie kannst du mich nur mit einem so potenten Alpha-Mann (im Alfa Romeo) allein lassen? Sie flirtet und wirft Paul die Zeit vor, die er ihr zum Flirten gelassen hat. Schließlich muss sie ihm sagen, dass er kein richtiger Mann sei. Deshalb heißt der Film „Die Verachtung“. Er handelt von der Angst eines Mannes vor der Verachtung seiner Frau. Indem er ihr zu gefallen versucht, verliert er sie. Pauls finale Deklassierung findet auf Capri statt, in der aztekischen Villa, die sich Moravias Kollege Curzio Malaparte auf einen Felsendorn setzen ließ.
Paul sagt tatsächlich zu, mit dem Honorar kann er sich auf einen Schlag schuldenfrei stellen. Offensichtlich ist die Geldsache für Camille wichtiger als für ihn, jedenfalls deklariert Paul sie als Liebesdienst.
Michel Piccoli spielt den Autor. Seine Erscheinung widerspricht der Rolle. Piccoli verkörpert einen zurückweichenden Charakter. Man sieht auf Anhieb, dass Paul dem zügellosen Jerry wenig entgegen setzen kann. Er verweigert den Wettbewerb. Paul changiert unentwegt. Er imitiert Dean Martin.
Pauls Englisch ist mau. Vermutlich spricht Jerry mit Absicht nur amerikanisch. Seine Assistentin übersetzt und vermittelt. Francesca Vanini (Giorgia Moll) kann auch deutsch und italienisch. Ihr gelingen literaturfähige Formulierungen bei jeder Gelegenheit.
Francesca ist auf eine kaum erzählte Weise Jerrys Vertraute und Geliebte. Sie dient ihm, er bedient sich ihrer. In diesem Verhältnis herrschen Heiterkeit und Harmonie. Plausibel wird das nicht.
Jerry brüllt und fuchtelt in einem Vorführraum, er fühlt sich von Lang geleimt. Lang weist ihm Unrecht nach, das könnte Jerry egal sein. Doch scheint er seinen Horizont mitunter erweitern zu wollen. Zugleich überfällt ihn ein Unbehagen vor kultureller Überlegenheit. Er variiert einen berüchtigten Satz: „Wenn ich das Wort Kultur höre, ziehe ich mein Scheckbuch.“
In der „Verachtung“ gehört Malapartes Villa Jerry. Der Produzent macht keine Anstalten, an einem der weltschönsten Plätze seine Absichten zu verschleiern. Camille soll als untreue Penelope verstanden werden, mir geht das zu weit. Sie kommt aus einem Keller erotischer Einfälle. Jerry packt die Trophäe auf den Beifahrersitz seines Cabrios. Camille verspricht zu zeigen, was sie von ihm hält, wenn sie erst in Rom sind.
Frankreich/Italien 1963, Regie: Jean-Luc Godard