Das finstere Tal
Von Jamal Tuschick // 17. Februar 2014 // Tagged: Österreichisches Kino, Western // 1 Kommentar
Alpen-Greenhorn auf der Berlinale
Andreas Prochaskas Tirol-Western ist ein Volltreffer. Er lehrt auch: „Die Freiheit bleibt ein Geschenk, das sich nicht jeder gern machen lässt.“
Ein Mann wird ans Kreuz geschlagen. Er hat weiter nichts verbrochen, als seine Braut vor einem brachialen Ober-Brenner zu bewahren. Dem Brenner-Clan gehört das Tal seines Todes. Jesus hat die Autorität eines Gebietstyrannen in Frage gestellt, der sich selbst nicht legitimieren muss. Die Welt weiß nichts mehr von dem Brenner und seiner Herrschaft. Der Staat bleibt außen vor.
Jahrzehnte später reitet ein Fremder über den Pass zum Tal. Im Winter ist der Pass unpassierbar und jetzt ist der Herbst so weit fortgeschritten. Der Fremde nimmt Quartier im Haus einer Witwe. Deren Tochter Luzi (Paula Beer) soll bald heiraten.
Jede Hochzeit im Brenner-Tal ist eine Stunde der Wahrheit. Der Priester stimmt das Paar auf die Unterwerfung ein, die von ihm erwartet wird. Die Braut gehört immer zuerst dem Brenner, bis sie „guter Hoffnung ist“.
„Droit du Seigneur“ – „Das Recht der ersten Nacht“ versteht man inzwischen als Fiktion. Die literarische Ausgeburt liefert dem Film das Drama, so wie sie den Roman von Thomas Willmann steuert, der dem Film eine Vorlage bietet.
Die Bergbauern im Tal sind in ihrer Leibeigenschaft verstummt. Entmündigung buchstäblich. Der Film zeigt eine versteinerte Bevölkerung in grandioser Armseligkeit. Obwohl man mit viel Erfahrung wirtschaftet, springt wenig heraus. Selbst die Kirche ist grottig. Der Brenner-Hof wirkt kaum prunkvoller als die Hütten der Armen.
Büchners „Krieg den Palästen“ kann man sich trotzdem zu diesem Rand der Welt denken. Ein Rächer der Enterbten stellt sich in Gestalt des amerikanischen Fotografen Greider ein. Sam Riley spielt den Fremden als kaltblütiges Alpen-Greenhorn. Die schroffe Gegend baut einen Gegensatz zu seiner bübischen Art auf. Greider kommt daher und geht dahin als bewaffneter Schlafwandler. Er legt einen Brenner nach dem anderen um – ein Mann und seine Mission.
Greider ist der Sohn des Gekreuzigten. Die biblische Konstellation passt der markanten Landschaft wie die Faust dem Auge. Greiders Mutter konnte Brenner nach Amerika entkommen. Greider startet seinen Rachefeldzug in ihrem Namen, doch am Ende geht es um die Zukunft der Töchter und Söhne im Tal. Luzi tritt stellvertretend auf. Sie leiht den Verhältnissen ihr Gesicht, schwankend zwischen Fatalismus und Hoffnung. Man ahnt in ihr die Stammmutter eines neuen und freien Geschlechts.
Der Film entstand in Tirol, er hätte Weite evozieren können. Stattdessen schildert er in monumentalen Raumdarstellungen Klaustrophobie mit inzestuösen Einschüssen. Der Brenner, nun ein böser Greis, hat in jedem Haushalt gewütet. Er hat alle markiert. Hans-Michael Rehberg spielt einen alten Rocker und zugleich eine geisterhafte Erscheinung, gelangweilt von der eigenen Gottgleichheit. Vor ihm hat noch keiner im Tal einen solchen Machtanspruch formuliert. Brenner Senior scheint nicht übertrieben eifrig darin zu sein, diesen Anspruch zu tradieren. Vermutlich geht er davon aus, dass es nur einen Highlander geben kann. Der muss dann eben immer wieder über die Seinen kommen und zeugen, was das Zeug hält.
Manchmal erscheint das „finstere Tal“ schwarzweiß. Doch dann blutet wieder jemand aus den Augen. Das Blut tropft effektvoll auf die Kameralinse. Auch der getrimmte Dialekt stört nicht. Das sind gemeisterte Gratwanderungen, schließlich will man verstanden werden.
Sporen klirren, Sattel knarren, Hufe klappern. Mitunter verlangsamt sich die Bildfolge. Andreas Prochaska schöpft aus dem Vollen des Westerngenre. Das muss man auch mit Humor sehen.
Österreich 2014, Regie: Andreas Prochaska
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Das Finstere Tal
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