Tom Clancy´s Ghost Recon Alpha

Von  //  3. Dezember 2013  //  Tagged:  //  1 Kommentar

„Wenn man den Zynismus nur in Worten praktiziert, ist man voller Bewunderung für den, der ihn meisterhaft in die Tat umsetzt“E.M.Cioran

Gamer lieben den Film, wie die meisten Filmliebhaber den Film lieben. Aber der Filmliebhaber liebt das (Computer)-Spiel eher beschämend. Charaktere, die über ihre physische Erscheinung hinaus noch etwas anzubieten haben, nennen wir es Innenleben, existieren dort selten.

Computerspiele mit Tom Clancy im Titel warten mit einsilbigen Kampfmaschinen, dürftiger Handlung, pornöser Satelliten-Technik und neokonservativen Ideologemen auf. Tom Clancy, der im Alter von 66 dieses Jahr verstarb, war sein Leben lang bekennender Republikaner. Seinen Roman „Executive Orders“ widmete er Ronald Reagan, der wohl „actually a big reader“ war. Clancy nutzte den medialen Rückenwind und gründete im selben Jahr, 1996, zusammen mit seinem technischen Berater Doug Littlejohns „Red Storm Entertainment“. Ein Jahr später folgte das Spiel „Politika“, dem ein Roman gleichen Namens beigelegt ist. Zur Computerspielindustrie suchte er bereits 10 Jahre früher den Kontakt. 1987 erschien, drei Jahre nach der Buchvorlage und drei Jahre vor der Verfilmung, die U-Boot-Simulation „Jagd auf Roter Oktober“. Dezent war Clancy noch nie. In „Politika“ stirbt der ehemalige russische Präsident Boris Jelzin und hinterlässt ein politisches Vakuum. Acht Fraktionen versuchen anschliessend, die Macht an sich zu reissen. Clancys Agenten und Soldaten vereinen sture Sachlichkeit mit der brutalen Herzenswärme ruraler Kegelclubs. In seinen Spielen begegnet der durchtrainierte Bum-Bum, obwohl er immer über genügend Auslauf verfügt, überall genau denjenigen, denen er eigentlich aus dem Weg gehen wollte, aber ein wirklicher Taktik-Shooter wäre wohl ansonsten nichts anderes als Rasenschach mit Stolperdrähten und fiesen Snipern. Clancys Verdienst besteht jedoch darin eine Zielgruppe für seine Bücher (und damit das Lesen an sich) gewonnen zu haben, die wenigstens hierzulande im Ruf steht analphabetisch zu sein. Penguin Putnam Inc. berichtete, dass er alleine für die Schreibarbeit bei Red Storm Entertainment mit 25 Millionen Dollar gratifiziert wurde. War er zu diesem Zeitpunkt schon nicht arm, so kam der Reibach schlechthin im Jahr 2001 mit der Veröffentlichung von „Ghost Recon“. Der Taktik-Shooter zählt mittlerweile 13 Teile und für einen Kurzfilm war im Jahr 2012 mehr als genug Geld vorhanden. Hervé de Crécy und François Alaux inszenieren das Ganze, als wenn man als Onkel seinem Neffen bei seiner liebsten Freizeitbeschäftigung über die Schulter schauen würde.

Die Ghost-Einheit wird ins wilde russische Hinterland entsandt um den Waffenhändler Boris Chevtchenko auszuschalten. Klingt nach einem Routine-Einsatz, artet aber in einem größeren Geplänkel aus.

Vom Schnitt der Kamera und der mechanischen Präzision der Schauspieler her erinnert der Streifen stark an die Eingangssequenz von „Drive“. Als Zuschauer bekommen sie nicht die Chance durchzuatmen und die Protagonisten dürfen außer Kommando-Neusprech nichts von sich preisgeben. Dabei gelingt der Kunstgriff, dass die Soldaten in gewisser Weise da sind und in anderer Wiese wieder nicht da sind. Ihre gespenstische rechtliche Existenz-Nichtexistenz spaltet sie auf in verschiedene Funktionen der Vergegenständlichung. Sonst ist da garnichts mehr. Mit zynischer Offenheit exekutiert der Plot des Films, was die innerste Logik zwischenstaatlicher Intermezzos und Terrorabwehr überhaupt ist: die Tendenz nämlich, den Menschen auf seine Nützlichkeit als Verausgabungseinheit von rentabler Arbeitskraft und Leistung zu reduzieren oder wie Tom Clancy selbst einmal sagte: „Es gibt nur zwei Dinge, in denen die Regierung gut ist, Geld kassieren und Menschen töten.“ Bedauerlicherweise ist das recht cool anzuschauen.

Eine halsbrecherische Volte – der Militärpsychologe Dave Grossman, mit Sicherheit kein „Leftie“ oder „Liberal“ hat ernsthafte Bedenken bezüglich der von Clancy mit aufgebauten Computer-Spiel-Industrie: „Today the media are providing our children with role models, not just in the lawless sociopaths in movies, but in the transformation of these killers into media celebrities…This effect is magnified when the role model is a teenager, and the effect on other teens can be profound…The murder rate does not accurately represent our situation. Murder has been held down by the development of ever more sophisticated life saving skills and techniques. A better indicator of the problem is the aggravated assault rate — the rate at which human beings are attempting to kill one another…This virus of violence is occurring worldwide, but there is only one new variable that is present in each of these nations, bearing the same fruit in every case, and that is media violence being presented as ´entertainment´ for children.“

Jeder Jugendliche braucht Rückzugsorte, auch imaginäre. Wenn er in der Schule schon zur pantomimisch inszenierten Selbstbefriedigung mit anschließender Gruppendiskussion aufgefordert wird und die Schikane beim Stuhlkreisspiel „Alle Lesben stehen auf“ noch lange nicht endet, denn „durch die Zuordnung von Jungen zum Begriff lesbisch entsteht ein Verfremdungseffekt, der auch viel Spaß macht“, wird irgendwann auch das Gewichse zu den Youporn-Bumsbomber-Flittchen langweilig. So bewegt (der junge) man(n) sich vom transhumanen Genderzirkus in das ebenfalls transhumane Headshot-Schlachthaus seiner Wahl. Und da warten schon Tom Clancy und Seinesgleichen um ihn mit einem hervorragend gemachten Petting- für- Unmenschen-Streifen abzuholen.

Dadurch wird ein eindimensionaler Zynismus etabliert, der das Ableugnen, die Schönfärberei und Hoffnungmacherei der Nachrichten und Talkshows überflüssig macht. Jetzt geht es nicht mehr gegen eine klar definierte Gegenmacht, sondern auf Biegen und Brechen um den Erhalt eines Systems, das global den größten Teil der Menschheit nicht mehr reproduzieren kann. Der mal mehr, mal weniger idealistische Pazifismus der Computerspiel-losen Eltern-Generation ist bei der Generation der Computerspiel-praktizierenden Kinder in einen Interventions-Bellizismus umgeschlagen, der die ins Chaos gefallene Welt als maskulines Feuchtgebiet betrachtet. Die Gegner in den Computerspielen sind stets kulturell verortbar, ideologisch veräußerlicht und personifiziert. Dadurch entfällt dann auch die letzte Möglichkeit einer Ursachenbestimmung oder anders formuliert: Keiner weiß mehr genau warum er eigentlich auf wen ballert, aber es macht ja so viel Spaß.

USA 2012, Regie: Hervé de Crécy, François Alaux

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Ein Kommentar zu "Tom Clancy´s Ghost Recon Alpha"

  1. Jan Soldat 3. Dezember 2013 um 13:56 Uhr · Antworten

    Hier ein vorangegangener Kurzfilm der beiden Regiesseure:
    https://vimeo.com/12026956

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