The Frost Programme – Frost vs. Mosley
Von Joris Julius-Sabinus // 26. November 2013 // // Keine Kommentare
Talkshows sind hierzulande ein Format, in der sich die Erfahrung einer widersprüchlichen Wirklichkeit nicht kristallisieren soll. Es wird so lange herumlaboriert und -palavert, bis alle der vermeintlich korrekten Gesinnung entsprechen. Diese Medienarbeiter erkennt man schnell. Dabei können Gesprächsrunden mehr. Sie sollten kristallisieren. Sie sollten polarisieren. Manchmal werden Sie zum Kammerspiel. Selten zum Lehrstück.
David Frost stellte im November 1967 seinen Gast Oswald Mosley mit den Worten vor: „Tonight, our subject is Sir Oswald Mosley, who many of you will… remember.“ Oswald Mosley, der Whing-Nut erster Güte und begabte Rhetoriker gründete 1932 die British Union of Fascists. Ende der 1930er machte er sich für ein Friedensabkommen mit dem Dritten Reich stark. 1940 wurde er nach Erlass des Defence Regulation 18B interniert, die BUF verboten. Wo sich statt einer Biographie Kitsch auftut, muss ein Abriss der Handlungen langweilig werden. Eine bilderlose politische Welt gibt es nicht und ihre Untiefen könnten wir ohne sie überhaupt nicht oder nur schwer begreifen. Mosley war keine Person, sondern eine ein für alle Mal festgelegte ikonographische Größe, an der sich jede individuelle Psychologie nur mittelfristig als Hilfsmittel anbietet, da der Mensch hinter dieser Größe sowohl für Anhänger als auch Gegner keine große Rolle spielt. Nun saß aber im November 1967 der Mensch Mosley im Studio des ITV. Keine Fackelzüge. Keine grölenden Massen. Die Technik erlaubte es mittlerweile in ein Mikrophon zu sprechen und nicht mehr nur zu brüllen.
David Frost kommt Mosley erst einmal entgegen: „First i want to begin at the economic front. What was your diagnosis ?“ Mosley lächelt. Da kann er sich profilieren. Seine Diagnose des Monopolverlustes Großbritanniens und die damit einhergehende Massenarbeitslosigkeit Anfang der 1930er stimmte: „The particular problem was the inability of Britain to sell nearly a third of the total production on the markets of the world in open competition. Originally we had a monopoly position in the markets of the world. That was passing away and we were subject to itensive competition and failing to do it.“ Frost wechselt zur Politik:“Do you think democracy is right for Britain?“ Mosley beginnt seine Fähigkeiten als Redeschwein zu entfalten:“That is the much larger question. I´m absoluteley convinced that parliamentary control must be maintained. Otherwise you may have people going mad and doing incredible things.“ Mit „People going mad“ meinte er übrigens nicht sich selbst, sondern Churchill. Doch Frost trocknet das Ganze aus: „Have you vote in the general elections since 1930?“ Je weniger Mythologie gedeiht, desto heftiger werden die Anstrengungen. Mosley entgegnet mit einem einfachen „No!“ Aber Frost legt sofort nach:“ You have a position that in 1931 where you had a list of people and an impressive list of people you felt would support you. Between then and probably 1934 and 1935 those people deserted your movement and the main reason for that was that they were all convinced that you were anti-semitic. Why was that ?“ Mosley, grell und unwahrscheinlich, bemüht sich um eine trockene Antwort: „´32, when we started, anti-semitism was never mentioned. It was unknown to us. For two years the subject was never mention. First time to mention Albert Hall ´34 and mention for one clear reason: I, rightly or wrongly, believe they wanted a war with Germany. Another world war.“ Anschließend passiert im Studio das, worauf man in Deutschland wohl wirklich warten muss, bis man schwarz wird.
Das Publikum rumort. Ein Mann brüllt Mosley entgegen: „200,000 East Londoners stopped you marching through jewish areas. The dockers, the clothing workers, the shop assistants and even the biggest police force, they could master, couldn´t push you through. We beat you. We´ll beat you again. And we beat your friend Adolf Hitler.“ Frost weist den Kameramann an, die Publikumskamera auf diesen Mann zu richten:“I was making the point Mosley at the moment tries to present himself that he is not anti-semitic. Here is a picture of him in 1962 with the leader of the neo-nazi-party in Germany, the leader of the belgian fascists, the leader of the italian fascists and this was published in your fascist paper.“ Die Kamera nähert sich der Photographie. Eine Altherrenrunde mit steifen Mienen ist im Halbkreis um die Rückenlehne eines Sessels aufgebaut:“Who is this mystery man you don´t want to show ? A war criminal ?“ Das Klatschen des Publikums legt sich wie eisiger Wind um Mosleys Oberkörper. Er atmet durch und beginnt:“First of all you say i´m in alliance with anti-semitic elements in Europe and secondly you say i put bullies through East London. I´ll answer the first point first. None of the men in that photograph are anti-semitic. None of them. None of those parties. They all specifically disclaimed it. Every single one in that picture have declared against anti-semitism. What you say is completely untrue. And now you see how we fight for free speech. Then you show pictures of me in uniform, it was because man like you came by the score to our meetings. Enormous meetings. In perfect order. Because we´d stopped people like you from breaking the order. And I´m proud to bring free speech with the black shirts to Britain. Because you will not allow other people to speak.“ Seine alpdruckartige Ausführung veranlasst nun Niemanden mit synchronisiertem Gesicht Wohlwollen für seine Meinung zu empfinden:“I´ve never marched through areas like Whitechapel. I never held meetings in Whitechapel since in 1931 a well known jew was my canidate, so i had no need to march through. I thought and i still think some jews wanted war with Germany. I declared in a speech in 1934 that we could never have any racial policy in Great Britain because we were running a multi-racial empire.“ Frost botet Mosleys nebensächliche Ausführung einer totalen Situation aus: „I know what you´re saying is not true or you´re the most ineffectual put-upon unable to impose his leadership on a party.“ Der eisige Applaus ist zurückgekehrt. Mosley verliert seine Beherrschung: „We fight jews for one reason. To stop a war with Germany.“ Frost fasst zusammen: „You backed and imitated a man who turned out to be a monster.“ Ein Filmausschnitt von Mosley in den 1930ern folgt: „That is one of two people speaking there. It´s reminiscent either Hitler or Charlie Chaplin´s great dictator. Which is it?“ Mosley kontert: „That is a very smart question. Personally i think it´s a very good speech of Englands greatness.“ Nun folgt eine Statler and Waldorf-Einlage beider um die Bedeutung und Wirkung eines ausgestreckten rechten Arms. Mosley relativiert das Ganze zum römischen Gruß herunter. Frost wendet ein, dass wohl niemand mehr zu allererst an einen Römer denkt, wenn er diese Geste sieht und gesteht: „Now why a man as promising as intelligent as you, couldn´t you see that the decisions of you in the Thirties were in the short term evil and in the long term totally desastrous. So today you´re either a hated or a joked figure. You could never regain that lost ground.“ Mosley bleibt seinem ideologischem Kontinuum treu:“It was unemployment. You never heard of unemployment. It was terrific unemployment. That was the origin of our movement.“ Der Bar-Jazz-Abspann setzt ein.
Bereits fünf Jahre früher bereitete Malcolm Muggeridge ein Interview mit Mosley für die BBC auf. Doch der Intendant der BBC, Hugh Carleton Greene, befürchtete das Schlimmste: „Mosley will only appear on the BBC over my dead body.“
Im selben Jahr verabschiedete Mosley mit Politikern der deutschen, belgischen und italienischen Rechten die „declaration of venice“. Sie sah ein gemeinsames Europa vor mit einer zusammenhängenden Außen- und Finanzpolitik. Besonders interessant waren die Anmerkungen zu Afrika. Die afrikanischen Staaten südlich der Sahara sollten komplett unter „schwarzer“ Kontrolle stehen. Die europäischen Staaten würden Ihnen bevorzugte Handelsoptionen anbieten, dass es beiden Kontinenten ermöglicht eine wirtschaftliche Autarkie zu schaffen, somit die Chance bot, sich aus dem Spannungsfeld des damaligen kalten Krieges zu befreien.
David Frosts TV Karriere war zum Zeitpunkt der Ausstrahlung erst vier Jahre alt. Zum Goldjungen des britischen Fernsehens der 1960er wurde er durch die Satire Show „That was the week that was“. Am Anfang wurde sein Erfolg mit großer Skepsis betrachtet, da er die Anschuldigung nicht los wurde Gags und Vorlagen des Entertainers Peter Cook zu adaptieren. Er war ein Lebemann, der zwanzig Jahre seines Lebens Zwanzig mal pro Jahr von London nach New York flog. Sein staubtrockener Humor verlieh seiner Verschwendungssucht Stil:“I´m not driven, but flown.“ Zehn Jahre nach dem Interview mit Oswald Mosley schrieb er Geschichte, als er Richard Nixon zur Watergate-Affaire befragte.
Frost vs. Mosley zeigt einen hochbegabten Journalisten, der das Interview seines Lebens noch vor sich hatte und einen Politiker, der die Reden seines Lebens bereits vor Jahren hielt – der Musterknabe und der ausrangierte Buhmann. Dem vierzig minütigem Interview wohnt eine Komik inne, die im deutschen Fernsehen bei vergleichbarem Sujet so nicht denkbar wäre. Ja es fühlt sich auf der Oberfläche ein wenig so an als wenn Ed Wood Bela Lugosi befragen würde. Darunter liegen natürlich die konkurrierenden Rhetorik-Stile zweier Populisten. Das Soft-Skill-Ungetüm Frost gewinnt dabei gegen den Theatraliker Mosley. In diesem Interview wurde zu mindestens eines überdeutlich: Die politische Moderne war endgültig vorbei.
Großbritannien 1967, Regie: David Frost