Computer Chess
Von Eckhard Heck // 18. November 2013 // Tagged: Andrew Bujalski, featured, Mumblecore // Keine Kommentare
Dem eigenen Bekunden nach weiß Andrew Bujalski nicht, wie man einen Mumblecore Film dreht. Nichtsdestoweniger gilt er seit Funny Ha Ha (2002) als Begründer des Genres und mit seinem aktuellen Film auch als dessen Erneuerer, sofern man der Ansicht einiger Filmkritiker folgt. In Computer Chess entladen Männer in schlecht sitzenden Anzügen die Kofferräume von Mittelklassewagen, die auf dem Parkplatz eines schäbigen Hotels in Austin stehen. Undefinierbare Geräte werden auf Rollwagen geladen und in die Lobby geschoben. Jemand hat Probleme mit der Zimmerreservierung, die sich im gesamten Verlauf des Films nicht lösen lassen. Die Geräte entpuppen sich als Computer, die im Jahre 1980 alle noch Unikate waren. Sie erinnern an überdimensionale Schreibmaschinen, Wäschetrockner, oder auch an Katzenklos mit Netzstecker.
What on Earth made me think that it was a good idea to make an existential comedy about the oddball geniuses who thought it important that a machine learns to defeat its masters at, of all things, chess? Perhaps it was already an existential comedy before I got there? (Andrew Bujalski)
Ein Moderator vom Typ „Bibelverkäufer“ versprüht eine ganz besonders abgestandene Form von Begeisterung. Das Wochenende, an dem mehrere rivalisierende Teams ihre selbstentwickelte Schach-Software gegeneinander antreten lassen, kann beginnen. Der Höhepunkt wird der alljährliche Kampf Mensch vs. Maschine sein. Wird es dem Computer in diesem Jahr gelingen, den Menschen im „Spiel der Könige“ zu übertreffen? Bevor diese Frage geklärt wird, gilt es einige sehr praktische Probleme zu lösen. Der Kameramann, der den Wettbewerb dokumentiert, und durch dessen Auge wir das Geschehen zum Teil verfolgen, muss erst noch üben. Die Sony AVC 3260 Röhren-Video-Kamera, die er benutzt (und mit der tatsächlich auch die meisten Szenen des Films gedreht wurden) war damals noch richtig neu.
For a decade now I’ve been making features on beautiful, outdated 16mm film, and people have asked constantly, ‘Why don’t you just shoot on video?‘ Right, I wondered, why don’t I? Why don’t I dig up a beautiful, really outdated old video camera and start dreaming in a language of images that time has passed by entirely? (Andrew Bujalski)
Merkwürdige, an Creationisten erinnernde Prognostiker, haben sich eingefunden, um das Geschehen kritisch zu beobachten und mischen sich fortwährend ein. Außerdem teilt sich die Convention den Veranstaltungsraum mit einer Selbsterweckungsgruppe, was zu nicht unerheblichen Verwicklungen führt. Das alles klingt nach Comedy und ist es auch. Computer Chess ist sehr viel unterhaltsamer angelegt, als viele „Murmelfilme“, bei denen man den Humor erst versteht, wenn man sich durch eine meterdicke Schicht aus schwer verständlichen Dialogen und bis zum Irrwitz ausgewalzten Banalitäten gegraben hat. Die Rahmenhandlung von Computer Chess kommt dagegen als geradezu klassisches und akribisch recherchiertes „Period Piece“ daher. Der Plot wird von den Charakteren getragen, anstatt sich ausschließlich an ihnen abzuarbeiten, wobei Rückgriffe auf die gute alte Zeit enervierender und zugleich ergreifend sinnlos erscheinender Einstellungen nicht ausgeschlossen sind. Im Gegensatz zu etwa den Duplass Brüdern aber, die mit Cyrus (2010) und Jeff Who Lives at Home (2011) ihren Fuß in Mainstreamgewässer setzten und damit plötzlich auch einem breiteren Publikum interessant erschienen, bleibt Bujalski auf eine sehr verschrobene Art sperrig, was Computer Chess zu einem Fest für Freunde der wahren, großen Kinokunst macht, die sich ein Dreck darum schert irgendjemand zu gefallen. So herum betrachtet macht auch seine Weigerung sich einen Genrebegriff überstülpen zu lassen wieder vollkommen Sinn.
Wie umfänglich Bujalski die Zeit der frühen Computerära studiert hat, kann man auf der Webseite zum Film nachlesen, die für sich genommen schon eine Offenbarung ist.
USA 2013, Regie: Andrew Bujalski