The Antwerp Killer
Von Alex Klotz // 29. August 2013 // Tagged: Belgien, featured, Independent, Thriller // 1 Kommentar
In Antwerpen geht ein Frauenmörder um, die Polizei ist aber damit beschäftigt, Kette zu rauchen, Berichte in die Schreibmaschine zu tippen und kleine Mädchen ihren Müttern zuzuführen. Derweil trinken und tanzen junge Menschen in Kneipen und Discotheken und an der Schelde schießen Gangster aufeinander. Ja, ich weiß, aber mehr passiert hier eigentlich nicht.
Obwohl die Stadt Antwerpen nicht besonders weit von Aachen entfernt ist, wurde ich zunächst durch Filme auf sie aufmerksam. Den Ausschlag gab Harry Kümels wundervoller De Komst van Joachim Stiller, einige Jahre später sah ich mit Linkeroever auch einen großartigen aktuelleren Film, der dort gedreht wurde, aber leider kaum Aufmerksamkeit bekam. Etwas mehr Beachtung fand der gelungene Thriller De zaak Alzheimer, der bald wohl noch eine zweite Fortsetzung und ein Hollywood-Remake erhält und nebenbei den sympathischen Zaman zitiert, der im selben Jahr wie The Antwerp Killer entstand und die Stadt wie dieser in ihrem noch reichlich abgefucktem Zustand vor den großen Sanierungen der letzten Jahrzehnte zeigt.
Ansonsten läßt sich The Antwerp Killer aber nur schwer mit anderen Filmen vergleichen, sondern eher mit einem schlechtem Drogentrip. Man könnte das Werk „inkohärent“ nennen, aber das wäre fast schon eine Beleidigung der anderen Filme, auf die dieses Attribut auch zutrifft. Hier wird ein ganz großes Faß aufgemacht, das den Zuschauer überrollt, mit Ketchup besudelt, mehrfach auf den Kopf haut und einfach auf der dreckigen Treppe zur Unterführung liegenlässt.
Der Plan war wohl, eine Art Giallo in Antwerpen zu drehen – daß sowas in Benelux durchaus funktionieren kann, bewies Dick Maas fünf Jahre später mit Amsterdamned – doch schon nach wenigen Minuten setzt die Erkenntnis ein, daß keiner der Beteiligten wohl je irgendeinen Plan hatte. Der erste Mord ist bereits reichlich unbeholfen inszeniert – die Tat selbst sieht man gar nicht, stattdessen hält die Kamera viel zu lange auf den Blutfleck auf der Bluse des Opfers, welches dann gerade noch rechtzeitig bemerkt, daß es sich ins Scheinwerferlicht drehen muss – da helfen dann auch schwarze Handschuhe und ein goblinesker Synthesizer-Score nicht viel. Das ist übrigens ein „E.E.F.-Synthesizer“, verrät uns der Vorspann (Aha), und das Drehbuch stammt von einem oder einer „Ferzul Corporation“ – wurden die Filmemacher gar von einer diabolischen Briefkastenfirma gelenkt? Bei der folgenden, unglaublich drögen Szene einer Zeugenaussage auf dem Polizeirevier hat man genügend Gelegenheit, weiter darüber nachzudenken.
Wiegt man sich bis dahin noch in Sicherheit, einen No Budget-Film von Leuten zu sehen, die noch einiges lernen müssen, was Montage, Dramaturgie, Ausleuchtung, Schauspielführung und dergleichen betrifft, läuft der Film bald vollkommen aus dem Ruder: Wechseln sich zunächst Szenen vom uncharismatischen Mörder und uncharismatischem Polizisten ab, folgen dann plötzlich auch mal drei Minuten Panorama-Shots von den Dächern von Antwerpen, sowie eine Geldübergabe von Gangsterbanden, die in einer Schießerei gipfelt. Während des Shootouts springt ein junger Gangster sichtbar freiwillig in die Schelde, droht zu ertrinken, wird aber gnädigerweise vorher erschossen.
Und dann, nach 30 Minuten, so etwas wie eine Traumsequenz, die aber größtenteils aus einer neuen und vollkommen sinnfreien Montage bereits gezeigter Szenen besteht, die immerhin recht passend zur gar nicht mal schlechten Musik geschnitten wurde – die aber wohl nicht ganz original für den Film komponiert worden zu sein scheint, hört man doch die Knackser auf der LP, mit der sie abgespielt wurde. Auch findet sich hier gut sichtbar eine Einstellung, in der die Filmklappe deutlich zu sehen ist. (Take 1, selbstverständlich.) Ist das hier etwa gar kein billiger Versuch, einen Genrefilm zu drehen, sondern Experimental-Kunst? Der Kameramann macht plötzlich auch komische Sachen? Da sind plötzlich gelungene Bilder?
Ein Film, der viele Fragen offen lässt. Von den Beteiligten war nur noch der Darsteller des Psychiaters später als Fernsehmoderator tätig, alle anderen Spuren verlaufen im Sand. Leider gibt es auch im Abspann (der identisch mit dem Vorspann ist) keinen Hinweis auf das recht coole, an Siouxsie and the Banshees erinnernde New Wave-Stück, das während einer Clubszene zu hören ist. Der Film ist wohl nur in Belgien auf VHS erschienen und die einzigen anderen Reviews, die man im Netz findet, schämen sich für seine Existenz. Ich plane derweil meinen nächsten Besuch in Antwerpen.
Just als ich meinen Text fertig hatte, fand ich folgendes Dokument vom Filmfestival in Knokke 1983 auf youtube. Es ist nederlands gesproken, aber ich habe den Eindruck, der Regisseur hatte tatsächlich künstlerischen Anspruch, wurde aber von den Kritikern verlacht. So was ist nicht nett, ich schäme mich gerade auch ein bißchen.
Belgien 1983, Regie: Luc Veldeman
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