Drive
Von Leena May Peters // 24. August 2013 // Tagged: Drive, featured, Nicolas Winding Refn, Ryan Gosling // 5 Kommentare
As all the stars must fade away to give a bright new day
Schon ewig schiebe ich diese Rezension vor mir her. Was soll ich über einen Film schreiben, der so betont auf jedes Wort zu viel verzichtet? Das wortkarge Drehbuch und Refns lange, in ihrer Stille beredten Einstellungen sprechen für das Prinzip des show don’t tell: Das gesprochene Wort ist schal, eindimensional; in den Blicken, den Fahrten, der slow motion erblüht so viel mehr, als Worte erfassen können.
Erste Sichtung: Nach dem Kino zurückkommen in die Wohnung, in der meine Eltern das Kind gehütet haben.
Dennoch gibt es natürlich Dinge, über die ich sprechen kann: Über den wieder einmal makellosen Stil, der sich durch alle Elemente zieht. Form und Farbe der Titel im Einstieg, die Musik, die Kleidung, die Autos, Licht und Settings – alles ist perfekt, wie ein Sommertag, an dem einem die große Liebe begegnet. Die Darsteller sagen alles mit den wenigen Zeilen, die sie haben, nutzen den Raum und die Zeit, die Refn ihnen gibt.
Zweite Sichtung von DVD mit meinen Eltern, denen ich das Interesse an Film, meinen Geschmack verdanke.
Der Film fließt wie Autofahrten durch nächtliche, von orangenem Licht beleuchtete Straßen. Der Rhythmus wie der Wechsel von Licht und Schatten zwischen zwei Laternen. Die Erinnerungen an Sommernächte mit dem Auto unterwegs, das Gefühl glücklicher Nostalgie. Ja, so fühlt es sich an. Meditativ, rauschhaft, verliebt.
Dritte Sichtung: In der neuen Wohnung. Ich schiebe diese Rezension vor mir her, der Neustart in einer anderen Stadt nimmt mich in Beschlag. Generelle Aussichten: Es geht aufwärts.
Es gibt Wärme und Liebe in DRIVE. Darauf nimmt aber das Leben keine Rücksicht. Und der Tod noch viel weniger. Kaum ist die Liebe erblüht, kommt das Leben ihr in die Quere, der Schmerz wird geschluckt und weitergefahren. Der Tod ist in DRIVE ein plötzlicher, aus einer Tür, durch ein Fenster, von einer Hand springt er mitten ins Leben, danach geht es kommentarlos weiter, wie es eben geht. Am Ende möglicherweise eine Versöhnung: Vielleicht ist der Tod nur ein Anhalten, eine Rast. Vielleicht geht auf der anderen Seite die Fahrt durch die Sommernacht unendlich weiter. Tröstlich wäre das.
Ein letztes Mal. Diese Rezension ist nun ein Meilenstein. Ein Text – der erste, den ich in diesem Wissen schreibe –, den mein Vater, mein erster Leser, Lektor und Kritiker, nicht mehr lesen wird. Der Film hat eigentlich nichts, aber für mich jetzt alles mit dem Leben und dem Sterben meines Vaters zu tun. Somit wird alles, was ich über den Film schreiben will, zu etwas, das ich über seinen Tod schreibe.
Die Rezension muss geschrieben werden, damit ich danach wieder schreiben kann. Wenn ich es kann, denn für wen?
USA 2011, Regie: Nicolas Winding Refn
5 Kommentare zu "Drive"
Herzliches Beileid: ich kenne deinen Vater zwar nicht, und ich weiß nicht wie er den Film fand, aber ich bin mir sicher, dass ihm dieser Text „gefallen“ würde, in Anlehnung an deine Selbstbeschreibung hier, glaube ich dass dein Eingang ins Himmelreich sicher ist. Ich würde gerne schreiben, was ich deinem Gatten immer mal wieder (als Lob gemeint) schreibe: zu kurz, aber das wäre vermessen von dir mehr zu verlangen, und wäre beim Lesen wohl noch herzzerreißender…“Wenn ich es kann, denn für wen?“ Egal was du glaubst (selbst aus atheistischer Sicht): Weiterhin für deinen Vater, und vor allem für dich, dann sicherlich auch deine Mutter, natürlich deine Tochter…bevor ich weiter mit Platitüden nerve, belasse ich es lieber dabei…scheiss Welt!
ja, manchmal tritt einem das leben ganz schön in die magengrube. über Drive zu schreiben fand ich an sich schon schwer, da eben der film so sehr von seiner stille lebt. und dann musste ich feststellen, dass mein bedürfnis, über den tod meines vaters zu schreiben, ständig in den text über den film einfloss. so habe ich es auf das minimale reduziert. mehr seelenstriptease als nötig wollte ich nicht betreiben… :)
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