Die Försterchristel
Von Silvia Szymanski // 1. August 2013 // Tagged: Deutsches Kino, featured, Musikfilm, Omafilm, Operette // 1 Kommentar
Ich hatte mir viel von diesem Film versprochen, nachdem ich diesem Ausschnitt, den meine Kollegen Alex Klotz und Whoknows mir gaben, gesehen hatte. Whoknows, der du dies hier sicher liest ;-): Ich wünschte, wir hätten uns noch über deine Interpretation der Kutschenszene unterhalten können!
Elisabeth (Doris Kirchner) kommt mir irgendwie so vor, als sehe sie mir ähnlich. Ich finde ich sie furchtbar und goldig zugleich, mit ihrer huldvollen Manie, jede Kleinigkeit mimisch zu kommentieren und dem demonstrativen Einverständnis zwischen ihr und ihrem knarrenden Zylindermann. Wenn dieses hohe Paar christkindlgleich durchs Tor kommt, ist es, als brächte es das lang ersehnte Glück. Der Empfang durch die Bediensteten ist denn auch eine Orgie der Begeisterung. Die vor Unterwürfigkeit aufgelöste Julischka mit ihrem Tränentaschentuch! Das Kind, das wissend in die Kamera linst, während alle tirilieren! Und die Elisabethserenade, die mich als Kind beim Frühstück vor der Schule aus dem Radio beschlichen und begrabbelt hat. Ich bin immer noch verzückt und durcheinandergequirlt wie eine Tasse Nesquick, wenn ich das höre.
Doch, ach, die „Försterchristel“, das bedeutet auch: Schüttere Pointen. Plunderige, angestaubte, langweilige Standarddekorationen. Lustlos geschneiderte, wie mit Nadeln auf dem Rücken zusammengesteckte Kleider (Ausnahme: Försterchristels weißes Ballkleid). Der kakaduähnliche Georg Thomalla, der, wie so oft, einen komischen, glücklosen Aufschneider spielt. Der monotone Peter Weck (Ausnahme: sein aufrichtig trauriger Abschied von Christel).
Und Sabine Sinjen, ungelenk, knochig, schuljungendünn wie ein frisch geschlüpftes Kitz, mit ihrem Schnütchen, das alle damals so süß fanden.
Wie ein federweißes, gelehriges Pudelchen tanzt sie mit ihrem Kaiser (Peter Weck), den sie anfangs für einen Jäger gehalten hat, himmelt ihn an und singt naiv: „Herr Kaiser, Herr Kaiser, Ihnen zu dienen, mit Herz und Hand, als ewig treuer Untertan, wär’ schön wie ein Roman!“ Ihr Kleid hätte ich als Kind sehr gern zur Schule angezogen.
Der Film hat überhaupt vieles, was ich gern als Kind aus dem Fernseher ausgeschnitten hätte: Einen Kronleuchter, ein zahmes, gepunktetes Rehlein, Herden von Pferden, über die des Kaisers Blick mit Besitzerstolz gleitet, pepperonirote, weiche Lederstiefel, in denen Ilona (Gerlinde Locker), von wilden Männern angefeuert, auf dem Tisch tanzt…
Oft war der Film sehr fad, aber immer mehr gewannen mich die Leute, und ich wollte dann doch wissen, wie es mit ihnen weiter ging. Es war so wie mit der Aachener Limo, die wir als Kinder kriegten. Sie war zwar keine Fanta, aber wenn du sie lange demütig getrunken hast, begann sie, dir zu schmecken.
Ja, wie es mit der Försterchristel und dem Kaiser/Jäger weiter ging: Auf einmal wurde es ganz ernst. Es sah nach echter Liebe aus. Aber das ging nicht. „Wir müssen gescheit sein. Es ist nur ein Traum und muss es bleiben“, sagte Christel traurig, „da oben auf dem großen Stern, da sind mein Jäger und ich zuhause. Und das geht niemand etwas an. Nicht einmal den Kaiser.“ Da spricht der Film auf einmal auch von sich. Er ist ja selbst ein Stern, auf dem die großen Gefühle und das eigentliche Leben zuhause sind. Eine Konstruktion für Menschenseelen, um sich mit ihrer tiefen Spaltung abzufinden. Wenn es im Kino dunkel wird, wenn man allein zu Hause Filme guckt, kommuniziert man mit der ins All verbannten Liebe, dem Traum, dem Abenteuer. Soll man dankbar sein, weil man es wenigstens dort hat? Oder fluchen, weil man es nicht hier hat?
„Gscheit sein“, murrte der Kaiser bitter und sah ihr nach, wie sie davonfuhr; beide waren sehr, sehr traurig. „Ich verstehe Sie“, sagte Elisabeth, der Christel von ihrem Leid erzählte, „wir Frauen sind halt am glücklichsten, wenn wir träumen, nicht?“ Ach, nichts versteht sie, nichts.
Deutschland 1962, Regie: Franz-Josef Gottlieb
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