Teufel in Seide
Von Silvia Szymanski // 24. Juni 2013 // Tagged: Dämoninnen, Deutsches Kino, Ehedrama, featured, Rettende Frauen, Wilde Männer // 2 Kommentare
Auf dem Titelbild können sie kurz durchatmen. In Wirklichkeit aber befinden sich Curd Jürgens und Winnie Markus in diesem Film selten im Freien; über weite Strecken ersticken sie im Dekorationsstoff. Überall ist etwas drapiert, doch nie ganz ordentlich, alles hängt leicht schief. Curd Jürgens` Stirn glänzt, und selbst die Kleider seiner titelgebend bösen Frau Lilli Palmer wirken, obwohl von Balmain, schwer und schwunglos. Ein ästhetischer Fetischist war hier nicht am Werk. Die Schlampigkeit der Ausstattung lässt den Film interessant aus dem Rahmen fallen.
Man glaubt, zu spüren, dass die Dreharbeiten keinen Spaß gemacht haben; es zieht sich ein beträchtliches Unbehagen durch den Film. Besonders der immer giftiger, falscher und gezwungener werdenden Ehe Jürgens‘ und Palmers beizuwohnen, ist sehr unangenehm. Sie – fragil, verwöhnt, hysterisch – nimmt dem Mann jede Freiheit. Der Film hat kein Verständnis für diese von sich selbst Besessene, die sich und andere zugrunde richtet, war er mit vielen Beispielen belegt; nicht einmal auf die krebskranke Haushälterin nimmt Palmer Rücksicht. Es geht mit gravitätischer Strenge um die moralische Urteilsfindung; der Film, mit Waagschale und Schwert, kommt zu dem Schluss, dass man den Sachverhalt nicht anders sehen kann als er.
Künstlich geformt und fleischlos wirken die Leute, aufrecht wie Figürchen in einer Eisenbahnlandschaft oder dunkle, strenge, kleine Zinnsoldaten. Einzig Curd Jürgens findet sich erstaunlich gut zurecht in diesem starren Film. Schön hält er die Spannung zwischen chaotisch und entspannt, daneben stehend und bei sich, geistesabwesend und innerlich warm. Wie ein Fremdkörper nimmt er sich aus, im so genannten eigenen Leben, das er nicht gestalten kann; denn alles, wo er wohnt und arbeitet, gehört den Frauen: der Salon der Gattin…
… das Wohnungchen der Freundin…
… und auch das schnieke Büro, das ihm seine Frau eingerichtet hat.
Vielleicht spiegelt seine Heimatlosigkeit die anderer Männer seiner Zeit wider, die nach dem Krieg heimkehrten und selbständig gewordene Frauen in den Wohnungen und Berufen vorfanden. Er passt nicht mehr in die Welt. Nur am Meer fühlt er sich wohl, wollig, frei; hier trägt er auch wieder eine dieser Freizeit-Strickjacken, die ich an ihm mag.
Wie auch schon in DAS BEKENNTNIS DER INA KAHR ist Curd Jürgens der, um den sich Frauen kümmern müssen/wollen – ein unglücklicher, gefährdeter Mann im Zwiespalt, ein Kreativer in der Schaffenskrise. „Was vor dem Krieg Berufung war, ist jetzt Beruf“, klagt er: Die Dialoge heben das, was abläuft, in den Adelsstand. Eigentlich ist alles schlimm und dreckig.
Winnie Markus/Sabine Uhl, zuerst seine Sekretärin, dann seine Geliebte, versucht besorgt, diesen Zerrissenen zu stützen. Der Film tut alles, um ihr, obwohl illegitim, nicht einen Hauch von Unmoral zu geben; die legitime Ehefrau ist ein klarer Teufel; Markus wirkt dagegen völlig rettend und null arglistig. Die grauhaarige Ausstrahlung, ihr unbeholfener Gang, obwohl sie noch jung ist, ihre brötchenhafte, hilfsbereite Bravheit lässt sie wie eine altmodische Handtasche wirken. Auch ihre Wohnung ist so. Doch wer bin ich, über sie zu meckern! In minimaler Form hat und ist sie alles, was man braucht, um sich zu helfen.
Das fleißige, allein stehende Fräulein lebt in einem hellen, bescheidenen Raum mit großen Eckfenstern, die auf zwei moderne Straße gehen und, der Welt so ausgesetzt, eine große Ungemütlichkeit verbreiten. Auf dem Tisch: Schreibmaschine, Telefon. In der Küche: der gute Herd von Küppersbusch (eine jener enigmatischen 50er-Jahre-Marken). Links im Schlafzimmer erwacht Curd Jürgens aus einem bösen Traum.
„Ich fühle mich schmutzig“, sagt er und meint das bis in die Unendlichkeit. Ein Teufel in Seide hat ihn kontaminiert. Jürgens hat ihn/sie, Lilli Palmer, auf der Zugfahrt zurück vom Urlaub am Meer kennen gelernt.
Er hatte es sich gerade mit seinen Arbeitsblättern und seiner Pfeife bequem gemacht.
Sie kam herein und öffnete wegen des Qualms, ohne zu fragen, das Fenster.
Der Luftzug wirbelte die Blätter durcheinander, sein Alptraum steigert das ins Surreale.
Er ist zuerst verärgert, aber sie gefällt ihm, und die Ideen auf den Blättern, sagt er, seien sowieso nichts wert. Palmer gehören die Druckereien ihres verstorbenen Vaters: Wie schon in INA KAHR, kommt der verwilderte Curd Jürgens durch die Protektion der Ehefrau und die eigene Desorientiertheit, Illusionsbereitschaft und opportunistische Unachtsamkeit in einem wohlsituierten, bürgerlichen Leben an, das er nicht wirklich wollte und das ihm auch nicht gut tut.
Er wollte nicht mal sie so richtig, aber „irgendwie schmeichelte mir die Ausschließlichkeit ihrer Liebe, die mich ganz nur für sich wollte“, sinnt er der Katastrophe nach. Bis über ihren Tod hinaus verwickelt sie ihn mit ihrer Eifersucht, emotionalen Erpresserei und Herrschsucht in ein intrigantes Knäuel.
Er versucht, aus der Umschlingung zu entfließen, ein in die Enge getriebenes, angstbeißendes Tier, das der gute Geist Winnie aufnimmt, umflüstert und umhegt, besorgt, bescheiden warnend, wartend, „weil Liebe nichts verlangt“. Sie stehen das gemeinsam durch.
Es endet gut, klein und bescheidenen; sie gewinnen vor Gericht, dann stiefeln sie gemeinsam froh am Meer entlang, so einig wie ein Rentnerpaar. Bis dahin hat man sie begleitet. Es liegt noch eine lange Zeit vor ihnen bis zum Tod.
BRD 1956, Regie: Rolf Hansen
Einen sehr treffenden, dichten Kurzext schrieb Sebastian Schubert zu dem Film, und zwar hier.
2 Kommentare zu "Teufel in Seide"
„Es war sehr sättigend!“ :D Den Satz merke ich mir jetzt auch.
Vielen Dank für die freundliche Erwähnung! :-) Mit dieser wundervoll bebilderten Aufbereitung des Films und so traumhaft treffsicheren Wortschöpfungen wie »brötchenhaft« kann ich natürlich nicht mithalten … Ich muß ja leider gestehen, daß ich »Teufel in Seide« mag. Vielleicht liegt es daran, daß ich den Film als Zwölf- oder Dreizehnjähriger mit meinen Eltern im Fernsehen gesehen habe und Lilli Palmers grandioser Satz »Es war sehr sättigend.« dauerhaften Einzug in den Familiensprachschatz hielt.