Rape! 13th Hour
Von Silvia Szymanski & Maria Wildeisen // 20. Juni 2013 // Tagged: featured, Japan, Rape 'n' Revenge, Vergewaltigung // 2 Kommentare
Die 9. Filmbesprechung in unserer Reihe “Forced Entry – Vergewaltigung im Film”. Unser Einleitungstext zur Reihe findet sich hier.
Maria: RAPE! 13TH HOUR von Yasuharu Hasebe ist seit Ewigkeiten auf unserer Liste. Jedes Mal, wenn wir uns den vorgenommen hatten, sackte ich zusammen und jammerte („och, Japaaaaner“), worauf Du in Deiner unendlich verständnisvollen Weise fragtest, ob wir vielleicht mal schauen wollen, was sonst noch da ist. Ich konnte ja nicht ahnen, wie gut der uns gefallen würde.
Zwei Männer, ein Serienvergewaltiger namens Crimson und sein unbenannter Komplize (aufgrund frappierender Ähnlichkeiten nennen wir ihn den Monchichi-Mann) sind auf der Dauersuche nach potentiellen Opfern, oder sagen wir es lieber so: Crimson animiert und dirigiert, der Komplize fährt das Auto und muss, nunja, etwas zum Jagen getragen werden. Die Vergewaltigungen bereiten ihm keine Freude, lustlos ackert er sich auf den Frauen ab, ohne kommen zu können, und das alles unter den Augen Crimsons, der mit einer Mischung aus Mitleid und Belustigung auf ihn herabsieht. „I am a sensitive man“, verteidigt sich der Monchichimann gegen die Sticheleien Crimsons, der ihm vorwirft, kein wirklicher Mann zu sein, „I want to feel something for the woman.“ Doch das ist es nicht: Die Angst und der Unwillen der Frauen bremsen ihn aus, ihre Lähmung, ihre Tränen. Da dies jedoch die emotionalen und körperlichen Grundkonstanten einer Vergewaltigung sind, sollte man nun meinen, dass er hier niemals seine Erfüllung finden kann. Doch ha! Es ist ja ein japanischer Film. Und was ist da nicht alles möglich.
Silvia: Ich kenne zwar noch nicht viele japanische Filme, hatte aber oft Glück mit ihnen und war überrascht über ihre oft manische, impulsive Heftigkeit. RAPE! 13TH HOUR fand ich sogar ein bisschen blasser als meine Lieblinge, aber auch bei ihm fiel uns auf, wie unruhig lebendig und beängstigend direkt diese Akteure sind.
Crimson hat diese „coole“, hemmungslos energische, narzisstisch rebellische Arschlochattitüde, wenn er in die gepflegten, fremden Welten der Mädchen- und Frauenzimmer einbricht. Er haut die Mädchen, zerreißt ihre Kleider… doch bald beginnt der Sex den Opfern zu gefallen und wird immer einvernehmlicher incl. Zärtlichkeiten und – schön gespielten/gefilmten – weiblichen Orgasmen. Keine Beschimpfungen, kein Dirty Talk. Crimson ist voller satt lächelnder Selbstzufriedenheit.
Maria: Bereits in der ersten Vergewaltigungsszene, in der das Opfer, eine zarte Ballerina, noch ganz paralysiert wirkt, weicht die Art, wie Crimson sie in seinen Armen hält, wie er sie berührt und küsst, stark von den Darstellungen von Vergewaltigungen ab, die wir bisher gesehen haben. Das sieht innig aus, leidenschaftlich, zärtlich, das sieht so aus, wie man es selber haben will. War ich davon nur milde irrtiert, haben mich die folgenden Vergewaltigungsszenen sprachlos zurückgelassen. Wie Du es sagst: Nach kürzester Zeit beginnt hier den Frauen die Vergewaltigung Spaß zu machen. Damit ändert sich auch der Sex und wird fließender, es wird viel geknutscht und umschlungen, die Schreie der Frauen gehen in Stöhnen über, das alles sieht toll, echt aus und hört sich noch viel besser an – und transportiert zugleich höchst fragwürdige Konzeptionen von weiblicher Sexualität. Du hast das ganz schön gesagt: Die Vergewaltigung scheint hier eine Standardeinleitung zu normalem Sex zu sein.
Der Monchichi-Mann möchte auch so ein Hengst sein, der Angst und Unwillen in Begierde und Lust verwandelt, doch das Entsetzen auf den Gesichtern seiner Opfer weicht nur der Langeweile. Sehnsuchtsvoll schauen sie zu Crimson, treffen ihn zum Kaffee, während sie den unglücklichen Tropf auf der Straße nicht einmal wiedererkennen. Das ändert sich beim letzten gemeinsamen Überfall, als sich das Opfer unter dem dilettantisch fickenden Häufchen Elend hervorwindet, um ihn zu besteigen und ekstatisch ihrem Höhepunkt entgegenzureiten, ohne sich einen Moment lang von seinem ungläubigen, panischen Gesicht aus dem Konzept bringen zu lassen. Freudestrahlend und stolz hält er hinterher das Geld, das sie ihm dafür gegeben hat (!), in Händen und weiß, der Zirkel ist gebrochen, „the tables have turned“. Doch als Team werden die beiden nichts mehr davon haben, denn Crimsons sexuelle Künste haben sich bis zu einer Bande schwuler Gangster herumgesprochen, deren Anführer auch von ihm vergewaltigt werden möchte – das klingt widersprüchlich, entspricht aber der Logik dieses Films.
Silvia: Schon wenn Monchichi unter den Opfern liegt, um sie für den ihm vorbildlichen Freund festzuhalten, sieht es so aus, als werde hier nicht nur die Frau gefickt. – Der Leader der schwulen Gang, ein schlanker Junge in Schmuck und Leder, schlägt Crimson einen Deal vor: Crimson soll mit ihm das machen, was er sonst mit Frauen macht, und er lässt ihn dafür laufen. Sein Gesicht ist bei dem Vorschlag ein weiches, berührendes, erotisches Flehen. Im Hintergrund der Werkstatt, wo sie sich befinden, hört man Maschinen keuchen. Sehr leichtsinnig sperrt er sich mit ihm in eine enge Kammer. Wo denkt er hin? Natürlich schlägt ihn Crimson zusammen und flieht. Der abgewiesene junge Mann schwört Rache.
Sie findet statt bei einem leeren Schwimmbadbecken. Crimson wird zusammengeschlagen und anal vergewaltigt, sein verschmähter Verehrer guckt zu und genießt die Genugtuung. Und dann brechen sie ihm alle Zähne raus, so dass man ihm den Schwanz auch noch in den blutigen Mund stecken kann. Dafür jagt Monchichi ihren Anführer mit seinem Auto gegen eine Wand und bumst ihn mit dem Auto tot. (Autos sind Körper. Auch in diesem Film fällt mir das wieder auf.)
Maria: Ja. es ist eine seltsame Mannwerdung, deren Zeuge wir hier werden – seltsam ist das Ideal und noch verrückter der Weg dorthin. Monchichi muss nun das unausgesprochene Testament seines Idols antreten. Er fährt zu der Ballerina, die sich in Erwartung Crimsons als das Schwanenmädchen aus „Schwanensee“ herausgeputzt hat, im Hintergrund läuft Brahms, das ist irgendwie schön, ich bin ja ein großer Freund von jeglichem Eklektizismus. „He is dead“, diese Worte reichen, um die neue Herrschaft des Monchichis über das Königreich der willigen Opfer einzuläuten. Der Vergewaltiger ist tot, lang lebe der Vergewaltiger. Es folgt eine wüste Kissenschlacht, das Paar sinkt in einer Flut von Daunen darnieder, Ende des großen Kinos.
Silvia: Ich stelle mir vor, sie hatten nicht viel Geld, aber sie machten was draus, wie bei dieser Idee mit dem Daunenregen. Ich mag auch die vielen ungeleckten Drehorte – angeknabberte Bürgersteige, verwitterte Neubauruinen, ein Hinterzimmerheater, ein Schuppen mit alten Spielautomaten…
Solch triste Gegenden, die aber noch absonderlicher als hier belebt werden, gibt es auch in den beiden anderen japanischen Vergewaltigungsfilmen, die ich gesehen habe und von denen ich zumindest einen gern mit dir besprechen würde: RAPE AND DEATH OF A HOUSEWIFE von Noboru Tanaka (der untröstliche Ehemann einer bei einer Vergewaltigung verstorbenen Frau verzeiht den wimmernden jugendlichen Tätern, zum Entsetzen der Polizei). Den zweiten hab ich schon auf Hard Sensations besprochen, aber ich wüsste gern, wie du ihn findest: SERIAL RAPIST von Koji Wakamatsu. Wakamatsu legt da in den bösen Jungen etwas hinein, das macht, dass ich mich selber manchmal in ihm sehe.
Japan 1977, Regie: Yasuharu Hasebe (OT:Reipu 25-ji: Bôkan)
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