El hombre bestia
Von Andreas Poletz // 13. Mai 2013 // Tagged: argentinien, featured, Horror // 1 Kommentar
Was haben wir hier? Den ersten argentinischen Horrorfilm, 1934 fotografiert, geschrieben und inszeniert von C.Z. Soprani, einem Pionier des argentinischen Filmjournalismus. Ob die erhaltene 50 Minuten-Fassung Lücken aufweist, lässt sich nicht erkennen; überhaupt lässt sich sehr wenig in diesem Film erkennen. Zumal ist er zu Anfang eigentlich ein Stummfilm, untermalt mit klassischen Instrumentalstandards, und erzählt seine Geschichte primär durch Untertitel: Trotz Dialogsequenzen wirkt er 20 Jahre älter, als er ist. Ich hatte das Privileg, EL HOMBRE BESTIA mit einem in Südamerika aufgewachsenem Freund in Simultanübersetzung zu sehen; ich kann somit versichern, dass niemand, der die spärlichen Dialoge nicht versteht, viel versäumt, außer etwas Pathos und der kostbaren, ganz unironischen Dialogstelle
„Man hat mir hart auf den Kopf geschlagen.“
„Wie schade.“
Der tapfere Pilot Richard stürzt anno 1918 im Dschungel ab und schlägt sich dort irgendwie durch. Als zwölf Jahre später ein anderes Flugzeug landet, bringt er – inzwischen haarig und degeneriert, eben El Hombre Bestia – den Piloten um und will nach Hause zurückfliegen. Dummerweise geht ihm aber dabei das Benzin aus, und so taumelt er zu den Klängen von Wagners Walkürenritt auf das Gelände des Dr. Marchesi, der eben – ein Grund dafür wird nie genannt – una formula misteriosa entwickelt. In der nächsten Einblendung ist es sogar una formula diabólica! Dr M. hat vielleicht den zeitgleichen MANIAC gesehen, in dem eine Spritze ausreicht, einen biederen Ehemann zum kaum menschlichen, frauenraubenden Irrsinnigen zu machen. Das erscheint in diesem Falle zwar redundant, aber so ist es halt, und der arme Richard, dem das Teufelszeug in die Brüste injiziert wird, rennt fortan herum und raubt Frauen, wie’s nur geht. Turnende Damen, trauernde Eltern, Detektive und Fischer vertreiben uns die Zeit, und zwischendurch gibt’s auch noch eine Gesangsnummer, die mit nichts etwas zu tun hat, und nein, die Liebesschnulze ist kein Kommentar auf die Filmhandlung.
Es ist, als hätten den Film 12jährige gedreht, die begeistert alle Klischees in den Topf werfen, die ihnen einfallen, auch wenn sie ihr Verständnis eigentlich übersteigen (was eigentlich macht El Hombre Bestia mit den Frauen in der Höhle? Am Ende kommen sie alle fit und heiter wieder zum Vorschein), stolz auf kleine Absurditäten sind (wär’s nicht toll, wenn die Jungs auf Stühlen an ihren Tischen sitzen – direkt am Meeresstrand?) und sogar gelernt haben, dass es so etwas wie Running Gags gibt (hier: ein italienischer Detektiv, der nur italienisch spricht, weshalb ihn niemand versteht – zeitweilig waren italienische Immigranten so etwas wie die Türken Argentiniens), aber in allem Trubel komplett aus den Augen verlieren, dass es nicht langt, eine Geschichte einfach zu erzählen, um emotionale Wirkung hervorzurufen – vor allem, wenn nichts in der Geschichte Sinn ergibt, angefangen von der Verwandlung eines Monsters in ein Monster.
Komplett wird das Desaster freilich erst durch die Musik, die zu Anfang noch irgendwie ungefähr passt, im Verlaufe des Films aber immer weniger Rücksicht auf das nimmt, was der Film zu erzählen versucht, und schließlich im Finale nebst anderem auch „Grüss‘ Euch Gott, alle miteinander!“ aus der Operette Der Vogelhändler auffährt. Das frühe fantastische Kino Lateinamerikas aber – das gewiss seinen Anteil an närrischen Filmen hervorgebracht hat – sollte man nicht nach EL HOMBRE BESTIA beurteilen, sondern sich besser an etwas wie DOS MONJES (1934 in Mexiko gedreht) halten.
El hombre bestia o las aventuras del Capitán Richard (Camilo Zaccaría Soprani, Argentinien 1934)
Ein Kommentar zu "El hombre bestia"
Trackbacks für diesen Artikel