Spring Breakers
Von Eckhard Heck // 26. März 2013 // // 1 Kommentar
Dauerbespaßungshölle, titelt Andreas Busche in der Filmgazette, und damit liegt er schon sehr richtig; da steckt schon viel drin, was man über Spring Breakers sagen kann. Dauerbespaßungsdreifachhölle hätte noch besser gepasst, klingt aber zugegebenermaßen etwas sperrig.
Drei Höllen, um genau zu sein
Hölle eins. Amerikanische Kleinstädte sind gruselig. College Rituale sind auch gruselig. Amerikanische Teenager in amerikanischen Kleinstädten an amerikanischen Colleges sind so was von gruselig, aber genau das, was Harmony Korine braucht, um die Fallhöhe zwischen einer denkbar trostlosen Realität und einer Beach Party mit reichlich Titties & Beer, Drugs & Sex & Hip Hop und dem Versprechen eines niemals enden werdenden Rausches herzustellen. Vier College Mädchen peitschen sich gegenseitig derartig künstlich hoch, wie das wohl nur College Mädchen angesichts der vermeintlich geilsten Party ihres Lebens können. Spring Break steht vor der Tür, und da die bescheidenen finanziellen Mittel den obligaten Trip nach Florida nicht hergeben, überfallen drei von ihnen einen Diner, um die gemeinsame Urlaubskasse aufzubessern. Was ein Fun-Trip und ein Ausbruch aus der Kleinstadt-Tristesse werden sollte, entpuppt sich als Reise ins Herz der Finsternis, oder, um es mal weniger literarisch zu sagen, als Flucht in die falsche Richtung, auf der zwei der Mädchen die letzte Ausfahrt vor Hades verpassen (Mist, schon wieder eine Anlehnung an einen Buchtitel, egal, das bleibt jetzt stehen).
Hölle zwei. In grellen Farben und expliziten Close-Ups ballert der Film dem Betrachter das Treiben an den Stränden Floridas wiederholt derart massiv ins Gesicht, dass schnell klar ist: das hier ist die reine Projektion, das hier ist das, was sich in den Köpfen der Mädchen abspielt. In Wirklichkeit, im nicht sehr noblen Motel, beim erniedrigenden Gangbang im Suff („You know, why I’m gonna fuck you? Because you are a fucking bitch!“), relativiert sich das Alles und der Traum wird stumpf an die Wand gefahren. Was bleibt, ist ein ranziger Abklatsch der Vision vom großen Spaß und das Gegenteil der erhofften Wiedergeburt als erwachsene, irgendwie glücklichere Menschen. Irgendwann landen die Mädchen im Knast und sehen in ihren neonfarbenen Bikinis plötzlich nur noch nackt und zerbrechlich aus. Sie wirken wie Blinker auf den Killerfisch „Alien“ (James Franco), der die Kaution bezahlt und ihnen seine Gangster-Philosophie injiziert. Alien, der Dealer, bittet zum „Testdrive“. Die erste, die aussortiert wird, ist Faith (Selena Gomez). Sie faselt von Selbstfindung. Vorher hat sie es mit einer religiösen Jugendgruppe versucht. Der an einen Ex-Häftling erinnernde Prediger ist überzeugend, aber nicht so überzeugend wie die Freundinnen, die einem den Himmel auf Erden schon im Diesseits versprechen. Gott vergibt dir all deine Sünden. „Now, how cool is that?“ Faith nahm den Freifahrtschein dankend an. Jetzt tut es ihr leid. „I’m gonna think of you, when I’m with your friends“, sagt Alien und sie nimmt den Bus nach Hause. Und da waren es nur noch drei. Cotty (Rachel Korine) wird angeschossen. Alien hat einen mächtigen Feind in der Stadt und die Mädchen werden in die Revierkämpfe der beiden verwickelt. Cotty nimmt ebenfalls den Bus nach Hause. Wunderbar, wie sich die Szene hier wiederholt. Mit den gleichen Einstellungen, den gleichen Gesten. Candy (Vanessa Hudgens) und Britt (Ashley Benson) bleiben und Alien besingt sie in einem Abzählreim. Die beiden Besten sind ihm geblieben. Enter hell three.
Zwei Kandidatinnen
Candy und Britt, die Mörderbunnies, wie ich sie ab jetzt nenne, weil ich ihre rosaroten Sturmhauben mit Häschen assoziiere, ergehen sich in einer verhängnisvollen Affäre mit dem Dealer („Money? I’m made out of money! Watch my teeth!“). Schön ist die Szene, in der sie den Spieß spielerisch umdrehen und plötzlich deutlich wird, dass der wilde Mann auf einem Todesritt ist. Die Mörderbunnies werden zu seinen Verbündeten – seinen Racheengeln. Unschuldiger sind sie, als die beiden bösen Buben, die zuvor seine Hirtenhunde waren („Don’t worry, I will keep them on a leach“). Und hübscher anzusehen mit nichts an, als den Bikinis und den Sturmhauben, die in einem Zwischenschnitt auf dem Wogen des Meeres treiben (auch ein Indiz für ein ganz anderes, ein gutes Ende? Whatever, vielleicht auch nur eine weitere Spur ins Nichts) . Telefonate spielen ein große Rolle in Spring Breakers. Die Mörderbunnies rufen bei Mama an, bevor sie sich in den Abgrund stürzen. „Alles so toll hier. Wenn wir zurückkommen, werden wir gut sein. Die Besten. Alles wird anders“. Arme Mama.
Le Grand Finale. Alien, Candy und Britt ziehen gegen Aliens Rivalen ins Feld. Eine mondäne Yacht schiebt sich mit dem Trio am Steuer durch das Abendlicht; atemberaubende Reminiszenz an das Action-Kino. Korine hat das alles gesehen und kotzt es jetzt in seinen Film hinein. Man legt an einem Pier an. Dort hinten, in dem Bungalow, feiert jemand ein Fuckfest. Lets get killed.
Ein offenes Ende?
Bis zur letzten Einstellung muss man warten, bis sich Spring Breakers anschickt einen komplett wegzurocken, falls er einen bis dahin noch nicht aufgesogen hat. Korine schneidet zurück, wirft den Zuschauer auf das Pier, wo Alien gerade sein Leben aushaucht. Die Mörderbunnies sagen mit einem Kuss „bye, bye“ und stürmen den Pier entlang, die Kamera derilliert, kippt, Bauch nach oben, Bunnies auf dem Kopf, die sich in Slow-Motion entfernen. So simpel die Einstellung ist, so effektiv hinterfragt sie noch einmal die ganze Handlung und insbesondere den Schlussakt, den man zuvor sah, der so aber gar nicht stattgefunden haben muss. Der Hang-Over, der sich während des Films auch beim Betrachter einstellt, weicht kurioser Weise in dieser unscharfen Einstellung einer großen Klarheit.
Stilistisch ist Spring Breakers eine Augenweide. Der Schnitt ist wie eine Mischung aus Bungee Jumping und Echternacher Springprozession. Das Setting ist überreich an Details („Justin Bieber poster provided by…“ steht im Abspann. Jubel!), das Licht unterstreicht effektiv und bis ins Kleinste ausgetüftelt die Ebenen (Höllen!) und die jeweilige Szene. Die Dialoge schwappen als Echos über die Szenen, gegen Ende mehrfach,… immer wieder der gleiche Text, immer wieder andere Bilder der gleichen Szene,… Gus Van Sant hat das in Elephant und Last Days ähnlich, aber weniger nervös gemacht – aber das kann man nicht wirklich vergleichen.
Die ist nur ein erster Eindruck. Spring Breakers ließ mich bei der ersten Sichtung abprallen. Aber inzwischen bin ich sicher, dass ich ihn mir nochmal ansehen werde. Vielleicht sogar zweimal.
USA 2012, Regie: Harmony Korine
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Spring Breakers
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