Water Power
Von Silvia Szymanski & Maria Wildeisen // 7. Februar 2013 // Tagged: featured, Porno, Vergewaltigung // 1 Kommentar
Die 3. Filmbesprechung in unserer Reihe “Forced Entry – Vergewaltigung im Film”. Unser Einleitungstext zur Reihe findet sich hier.
„Without adult supervision, I turned the movie into a parody of itself. (…) The picture played to empty porno houses. The theater owners were afraid of it, and the audiences didn’t know what to make of it. So on the shelf it went, and after a few years someone came up with the idea of distributing it in Europe. Bingo . . . cult smash. I guess the Germans and the Dutch are a bit kinkier than their American cousins. The picture opened in Germany under the title „Schpritz“. To this day I think it’s the funniest movie I ever made.“ – Shaun Costello on WATER POWER (1977)
Maria: Jamie Gillis. Jamie Gillis bringt mich dazu, Kette rauchen, rohes Fleisch essen, literweise harten Alkohol trinken, junge Kätzchen ersäufen und mich mit wildfremden, dreckigen Männern auf noch dreckigeren Tankstellenklos einschließen zu wollen. Alles würde ich ihm nachsehen. Selbst einen Porno mit Einläufen. Willkommen zu WATER POWER, einem Film von Shaun Costello, der lose auf der Geschichte des sogenannten „Enema Bandit“ Michael H. Kenyon basiert und einen entfesselten Gillis auf der Suche nach seiner Bestimmung zeigt. Frustriert von einem Mangel an Kicks, besessen von seiner Nachbarin, die sich immer wieder seinen voyeuristischen Blicken entzieht, wird er in einem Sexclub zum Zeugen des „fetish of the year“: Einem jungen Mädchen wird der Ungehorsam mit einem reinigenden Einlauf ausgetrieben. Zunächst noch in einem Racheakt an der Nachbarin ausgelebt, entwickelt sich diese Praktik schnell zur Sucht. Die Reinigung der ganzen schmutzigen Frauenwelt wird zu einer schweren Verantwortung für unseren Helden – with great water power comes great responsibility, sozusagen.
Wir haben uns zwei Dinge gefragt: Wird das einem Porno nicht den Sex nehmen? Und: Kann die Darstellung dieses erzwungenen Rituals dem Film eine Gewalttätigkeit geben, die wir in FORCED ENTRY – in dem sich die Schwierigkeit zeigte, Vergewaltigung im Porno glaubwürdig zu inszenieren – nicht überzeugend fanden? Silvia, wir waren doch sehr zufrieden.
Silvia: Absolut. Als ich das mit der Darmreinigung hörte, stellte ich mir einen ganz anderen Film vor, etwas Feixendes, Albernes, Ekel Ausschlachtendes. Aber der Film ist richtig gut. Er integriert dieses Klistierding in die Story – der immer mehr durchdrehende Jamie Gillis hat sich in seinem Wahn die Reinigung New Yorks zur Aufgabe gemacht, wie sein Vorbild TAXI DRIVER. Das wird mit einer hübschen Ironie behandelt; es hat genau die richtige Größe, um sich nicht zu wichtig zu machen und dem Film nichts an Erotik und Spannung zu nehmen. Selbst das Einführen des eingecremten Schlauches ist, zumindest bei der gefakten OP, gefilmt wie etwas sexuell Schönes. Es gibt viel unenematischen Sex, drumrum und in den Nebenhandlungen, mit einer glanzvollen Fotografie, die die Körper rosig, warm und appetitlich aussehen lässt (der Film ist sowieso optisch klasse, auch die belebten Szenen auf der Straße – „cinema verité“ schrieb jemand darüber). Und die Darsteller und Darstellerinnen sind, der Klischeevorstellung über Pornos entgegenwirkend, gut spielende und apart attraktive Leute. Der Pseudo-Arzt, der im Puff die Spülung einleitet, erinnerte uns gar deutlich an den jungen James Spader.
Die Nachbarin spielt den Schock, als unser böser Held bei ihr einbricht und diese Dinge mit ihr tut, mit rührender Grazie und Natürlichkeit. Die betäubte Hilflosigkeit, der kleinmütige Gehorsam, die unschuldige Zartheit ihres Rückens, als sie in der Badewanne knien muss: Das hat alles etwas Echtes, und auch die Absonderlichkeit der Situation und die erzwungene Beziehung zwischen Opfer und Täter wirkt hautnah. Wir hatten das auch in FORCED ENTRY, aber da rutschten die Darsteller öfter versehentlich aus ihren Rollen. Hier nicht. Vor allem Jamie Gillis gibt sich da so tief hinein… es ist nicht brutal, niemand wird verletzt, es fließt kein Blut. Aber wenn er z. B. den Frauen kurz, patzig und katerartig eine knallt, kommt das wie aus dem Innersten. Er will sie nicht zusammenschlagen, er macht nur wenig. Aber es lässt einen blitzartig die in ihm steckende Spannung und Gewalt spüren.
Maria: Gillis ist nicht nur ein begnadeter Pornodarsteller – selbst seine Spermakaskaden sehen wunderschön aus– , er ist auch ein guter Schauspieler und bringt auch jenseits der Hardcoreszenen Sex in den Film. Wenn er sein Fernrohr so liebkost, wie er seine Nachbarin streicheln will, wenn er sich mit den Händen über sein schweißnasses Haar, über sein Gesicht fährt und in seinen inneren Monologen zittrig und mit gepresstem Atem seine Vorhaben ausmalt – da bleibt zumindest mir die Spucke weg. Du hast es so schön gesagt, er gibt sich ohne Scheu und Skrupel in seine Rolle hinein und geht völlig darin auf. Das gilt auch für die gewalttätigen Szenen. Anders als Harry Reems in FORCED ENTRY ist er ruhig und selbstsicher, und sowohl seine Drohungen als auch seine eigentlichen Gewaltakte – die Schläge und Tritte – sind energisch und überzeugend, ohne zu eskalieren. Das ist eine echtere Brutalität, die allein über den Geschlechtsverkehr in einem Porno nur schwer herzustellen ist. Dazu tragen auch die Klistierszenen in ihrer demütigenden Inszenierung bei. Dass diese in ihrer Mehrheit Fakes sind (das sieht man schon am Winkel, in dem das Wasser aus den Mädchen herauskommt), nimmt der Sache auch viel von dem Ekel, den wir beide ja erwartet hatten.
Warum waren wir nicht verstört? Du hast ja auch gesagt, alle machen ihre Sache gut, Gillis ist ein überzeugender Gewalttäter, die Mädchen überzeugende Opfer, die Vergewaltigungen wirken authentischer und dauern länger als in den anderen Filmen, die wir rezensiert haben. Dennoch haben sie uns keine Sekunde lang irritiert. Shaun Costello hat über seinen Film geschrieben: „I was free to turn it into a parody of itself.” (https://www.imdb.de/title/tt0076907/) Und ich glaube, da ist ein Punkt. Du hast bei der obligatorischen lesbischen Szene zwischen zwei bekniestrumpften Schwestern gesagt: „Schau mal, die spielen ihre Geilheit ironisch“…..
Silvia: Diese „minimalen spaßigen Ausrutscher“ (wie du sie nanntest), die der Film sich erlaubt, kommen wirklich sympathisch rüber. Auch wie der Arzt vor der Behandlung seine ängstliche Patientin ermahnt: „Mind over matter, Pamela! Wir können alle mehr verkraften, als wir denken!“ Und die beiden „Schwestern“ sind drollig wie Welpen und nehmen ihre Aufgabe als verschreckte Opfer nicht gerade ernst. Man merkt an diesen kleinen Dingen: Das Betriebsklima stimmt, bei diesen 12 bis 14 Stunden, die sie für den Dreh des gesamten Films gebraucht haben, diese verwegenen Gesellen.
Aber zum Thema Gewalt und „Warum nicht verstört?“: Ich weiß es nicht. Die eigentlichen Vergewaltigungen in „Water Power“ sind ja weitgehend frei von Ironie und Parodie. Trotzdem lese ich sie immer wieder als absurde, paradoxe Versuche, einem anderen Menschen möglichst nahe zu kommen, ambivalente Begierden auszudrücken und sich dieses freie Agieren mit der Nachbarin unter Ausschluss der Außenwelt zu erzwingen. Und das geht mir eher nah als es mich schreckt. In Wirklichkeit wäre mir das alles sicherlich zu wirklich. Und das Opfer würde ich auch im Traum oder Spiel wohl eher nicht gern sein. Aber vielleicht der Täter?
Maria: Ich glaube, der Film ermöglicht es, sich selbst in beiden Rollen vorzustellen. Denn die Gewaltszenen wirken einerseits so authentisch, dass man sie mitfühlen kann, und hier würde man sich als Frau wahrscheinlich eher die Demütigung und auch die physischen Schmerzen vorstellen. Die kleinen Fehler und Stümpereien um diese Szenen herum (eine der Frauen bekommt, gerade noch am Bildrand sichtbar, einen Lachanfall, die Schnitte sind teilweise fehlerhaft, die Polizeistation ist offensichtlich eine Besenkammer) rücken den gesamten Film dann aber mehr oder weniger subtil so in den Bereich des Fiktionalen, dass man die Vergewaltigungsszenen auch als realistisch inszenierte Phantasien oder – wie du es nennst – Träume empfinden kann, und da wird wieder alles möglich: Sich selbst in den Täter hineinzuversetzen, der sein Opfer komplett einzunehmen sucht, oder vielleicht die Handlungen voyeuristisch und entspannter zu betrachten. Das funktioniert für mich aber nur über die Machart des Films, also sowohl über die parodistischen Elemente als auch seine kleinen – gewollten? – formalen Fehler, durch die die Darstellung der Vergewaltigungen selbst jedoch keinen Moment ins Lächerliche oder Unrealistische gezogen wird.
Wolltest Du wissen, ob ich persönlich in dieser Phantasie, in diesem Traum lieber Täter oder Opfer wäre? Mir ist das Erzwingen im zwischenmenschlichen Bereich über die Jahre hinweg so zuwider geworden, dass ich es mir nicht einmal mehr im sexuellen Kontext, weder aktiv noch passiv, vorstellen möchte. Deshalb war für mich wohl auch die kathartischste, ja fast erregendste Szene des Films die, in der Gillis seine nörgelnde, nervige, zwingende Freundin aus seiner Wohnungstür stößt. Nur in diesem Moment wäre ich gerne er gewesen.
Silvia: Ja, er hat inzwischen Besseres zu tun gefunden, als sich der Freundin zu erklären, er hat eine Mission! „Maybe we can be friends” sagt er nur zu Mädchen, die nicht nerven, wenn er mit ihnen seine bösen Sachen macht. – Unser nächster Film wird ernsthafter, glaub ich. Ein tief grabender Film, der u. a. um den Verlust der Sexualität durch die Vergewaltigung geht: LA SINDROME DI STENDHAL von Dario Argento. In Kürze hier, in diesem Theater!
USA 1977, Regie: Shaun Costello
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