Mondomanila
Von Michael Schleeh // 30. November 2012 // Tagged: Asien, featured, Independent, Punk // 2 Kommentare
Ein zahnloser, scheinbar verrückter Erzähler mit riesigem Clownshut versichert, diese Erzählung sei wahr. Er steht über den Hügeln der nächtlichen Stadt. Hinter ihm der riesige Slum Manilas, der sich bis zum Horizont erstreckt, bis dorthin, wo die Wolkenkratzer der Innenstadt wie eine Bedrohung aus dem Smog auferstehen. Da wird plötzlich der Ton vom Feedback einer Noise-Gitarre zerrissen, die Creditsequenz beginnt. Der Titel, hingeschmiert auf eine Hauswand, der Name des Regisseurs: in häßlicher Schrift wie achtlos hingeklatscht… Dann beginnt der Film, MONDOMANILA: wahre Sensationsbilder einer Stadt, die dem Untergang geweiht ist. Kriminelle, Stricher, Diebe, sexuelle Perversion, 24 Stunden-Masturbatoren, Gänseficker. Punks mit zerstochenen Gesichtern. Formatchaos. Digitalkamera, Super 8: Flutwelle in Manila-Stadt. Autos treiben davon, die Menschen werden den Fluß hinabgespült. Punkmusik, Salsa, Easy Listening, Drumbeats, TripHop, Noise. Rap. Alles immer direkt ins Gesicht, ohne Rücksicht auf den guten Geschmack.
Khavn ist das „enfant terrible“ des (nicht nur philippinischen) Independentfilms. Ein Mann, der einen (Kurz-) Film nach dem anderen raushaut, gerne auch mal für umsonst auf seinem Youtube-Kanal. Von dem man zwei DVDs in online-Shops kaufen kann (den merkwürdigen THE FAMILY THAT EATS SOIL und der supertolle, brutale Aswang/Ghoul-Film VAMPIRE OF QUEZON CITY). Den man nur in ausgesuchten Filmreihen europäischer Hauptstädte mal auf der Leinwand sehen kann, oder bei Filmfestivals, die ein Herz für den Underground haben (MONDOMANILA wurde vom Rotterdamer Hubert Bals Fund co-produziert, zusammen mit Rapid Eye Movies).
MONDOMANILA ist die wütende Collage einer Stadt, die mit einem Bein in der Hölle steht. Und trotzdem ist man eigentlich ganz gut gelaunt – wenn man gerade was eingeworfen oder ordentlich abgespritzt hat. Und der einarmige Zwerg einen Kopfstand in der Pfütze aufführt, in der die toten Ratten schwimmen. Eine Collage allerdings, die von einem dünnen Erzählfaden zusammengehalten wird: Es geht um die Familie des jungen Baby Jesus, die sich im Slum von Tag zu Tag durchschlägt. Der Vater ist absent, die Mutter macht fremder Leute Wäsche. Da kommt eines Abends der junge Bruder nach Hause, legt einen Stapel Banknoten auf den Tisch. Die Mutter freut sich, doch Baby Jesus ist misstrauisch. Er zieht ihm die Hosen herunter – ein blutender Hintern von der analen Penetration macht überdeutlich, wodurch der Kleine in letzter Zeit die Familie unterstützt hat. Da machen sich die Freunde auf die Jagd nach dem Westler, der sich die Buben einkauft.
MONDOMANILA ist ein roher Film, dabei aber total durchstilisiert. Ständig wird die Filmhandlung von verschiedensten Unterbrechungen sabotiert, von Dok-Film-Schnipseln, von angespielten Punk- oder Rap-Nummern, vom Wechsel zwischen Farb- und Schwarzweiß-Film, vom direkt in die Kamera gesprochenen Kommentar. Und doch wirkt alles real, live, echt. Dass hier was im Studio entstanden sein könnte, ist unvorstellbar. Allenfalls in einer Garage. Ein Film, der sich zwischen alle Stühle setzt. Aber MONDOMANILA ist vor allem eines: er ist nicht kompatibel – nicht zu unseren Sehgewohnheiten, nicht zu den Ansprüchen unseres sogenannten Arthousekinos, das eigentlich ein mit schönen Bildern konsumierbar gemachtes, abgemildertes Betroffenheitskino ist, und auch nicht zum Imperativ der politischen Correctness der Alternativkulturen. Khavn schert sich offensichtlich einen Scheißdreck um das alles. Nur gut kommen, das muss es.
MONDOMANILA ist jetzt im Kino angelaufen, und die aktuellen Spielorte kann man dem Kinoplan der Homepage von Rapid Eye Movies entnehmen. Diesen Film sollte man definitiv gesehen haben.
Philippinen/Deutschland 2012; Regie: Khavn de la Cruz.
Hier eine weitere Besprechung des Films auf Hard Sensations von Silvia Szymanski.
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Mondomanila (OmU)
2 Kommentare zu "Mondomanila"
[…} 24 Stunden-Masturbatoren, Gänseficker. [,,,]
Was ist denn da los? :D
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