DVD: Henry: Portrait of a Serial Killer
Von Guido Rohm // 27. Oktober 2012 // Tagged: Bildstörung, featured // Keine Kommentare
Ein Film ist ein Haus, das man betritt, ist jemand, dem man folgt, ist eine Jacke, die man überstreift. Mal fühlt man sich in den Zimmern wohl, mal vertraut man dem, der einen leitet, mal fühlt man sich gewärmt. Es gibt aber auch Filme, die einen aussperren. In denen man sich verläuft. Die einen in die Irre führen, die Löcher haben, und die einen frieren lassen. Es gibt Filme, die eine Wüste sind, in der man verdurstet, in der man verhungert, in der man plötzlich von Luftspiegelungen heimgesucht wird. Flirrend tanzen die Bilder in der Hitze, um sich zu verlieren, will man sie fassen.
Die Wohnungstüre, die ich nun zur Seite schwingen lassen will, war lange – sehr lange – verschlossen. Man hielt zurück, was nicht sein sollte, nicht sein durfte. Als würde man ein hässliches Kind verstecken, eine Missgeburt, ein Monster, dem die Nachbarn nicht ansichtig werden sollten. Ein Zensurband sperrte die Öffentlichkeit aus den Zimmern, in denen Henry mit seinem Kumpel Otis ein ärmliches Dasein fristet. Die Fenster waren über Jahre hinweg mit Pappe verhangen. Ein Schreckenshaus, von dem man wusste, über das man sich Anekdoten erzählte, um das die Kinder strichen, wenn sie sich eine Mutprobe auferlegt hatten. Ein Horrorhaus. Eine Wohnung in den Händen des Wahnsinns. Ich weiß nicht, ob man hier leben möchte, ob man mit einem wie Henry wirklich an einem Tisch sitzen möchte.
Henry tötet Menschen, vornehmlich Frauen, als wäre er ein kleiner Junge, der am Straßenrand sitzt und Ameisen mit dem Daumen zerquetscht. Der Tod ist ihm nichts, ist ihm eine Kammerjägertätigkeit, in der er sich tatsächlich auch versucht. Wie grausige Schaufensterpuppen hinterlässt Henry die Leichen in Wohnungen, Läden, Seen, weil ihm das Töten etwas ist, das man nebenbei tut. So wie man isst oder ein Bier trinkt. Bald schon wird ihm Otis, dessen Schwester Becky zwischenzeitlich in die Wohnung gezogen ist, zum gelehrigen Schüler, der mit einer Videokamera die Schrecken ihrer Taten aufzeichnet, um sie sich in eine Dauerschleife wieder und wieder anzusehen. Otis wird zum grausamen Narziss, zum Zuschauer der eigenen Verbrechen, zum Antiheld seiner eigenen Dokusoap.
Am Ende wird nichts bleiben als das, was schon am Anfang war: Mord!
Man will nicht in diesem Film bleiben, der einen mit sich schleift, Opfer um Opfer. Was bleibt, sind die auf der Tonspur schreienden und sich wehrenden Frauen, und die Gewissheit, in einem Film gelandet zu sein, der das Töten zum Alltäglichsten der Welt macht.
Schlimm ist, wie wahr das ist, was er uns erzählt.
USA 1986, Regie: John McNaughton
Der Film war in Deutschland indiziert. Die Indizierung wurde im August 2012 aufgehoben und der Film erhielt bei einer Neuprüfung von der FSK keine Jugendfreigabe. Er wurde am 26. Oktober 2012 von Bildstörung veröffentlicht.
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